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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Gin Streifzug in die Volksetymologie mit volksmythologie

Namen erhielten. Darunter befindet sich auch der Ekenbecker (einer, der, wie
Vilmar sagt, "schifförmiges Gebäck, Hornaffen backt"). Den Hornaff. Horneffer,
Hornaffer oder Hornaffenbecker kennt zwar Vilmar nicht, wohl aber neben dem
Ninkenbecker den Kuchenbecker, Stollenbecker, Semmelbecker. Letzterer wird wohl
auch Semmler genannt worden sein. Till Eulenspiegel kommt nach seinen, dem
fünfzehnten Jahrhundert angehörigen Historien in das Geschäft eines "Brod¬
bäckers". Aus der Familie der Crailsheimer Hornaffen oder Hornaffer wird
1427 ein dortiger Zeugwart erwähnt*); als letztes Glied der Familie Hornaff
verzeichnet ein Crailsheimer Sterberegister von 1547 eine Greisin "Hekla Horn¬
affin"; sie starb im Hospital. Mindestens vom Anfang des vierzehnten Jahr¬
hunderts saßen also zwei Jahrhunderte lang Angehörige der Familie "Hornaff"
in Crailsheim. Sie hatten Lehnsbesitz und waren Eigentümer von Hofstätten.
Gab es aber Hornaffer - Hofstätten, so gab es sehr erklärlicher Weise auch
Hornaffen ° Äcker und, wenn so benante Äcker sich noch heute bei Crailsheim
finden, wie es der Fall ist, so darf man annehmen, daß der Name dieser Äcker
gleich ähnlichen anderen Flurnamen aus alter Zeit stammt. Die Mohornmühle
in Schlesien (s. S. 55 Heft 2 von 1913) liefert eine Parallele. Hornaffer-Äcker
waren Äcker, die der Hornaffer-Familie gehörten, wenn es nicht etwa Äcker
waren, auf denen der Weizen gezogen wurde, der zum Hornaffenbacken diente,
seit, wie demnächst sich ergeben soll, die Stadt vom Jahre 1380 ab die schenk¬
weise massenhafte Lieferung von Hornaffen übernahm. Jedenfalls war um
das genannte Jahr die Familie Hornaff eine angesehene und begüterte in
Crailsheim. Es ist somit ausgeschlossen, daß dort damals das Wort die hä߬
liche Nebenbedeutung eines "Kotaffen" im heutigen Sinne gehabt hätte. Wer
würde wohl sich diesen Namen als Geschlechtsnamen gewählt oder von anderen
sich haben gefallen lassen?

Gleichwohl wurde in Crailsheim das längst als Name eines Gebäcks wie
als Name von einzelnen mit der Herstellung dieses Gebäcks befaßten Einwohnern
gebräuchliche Wort Horn- oder Horaffe vom 17. Februar 1380 als Schelt¬
wort eingeführt, zugleich aber in Verbindung damit der Herstellung dieses Gebäcks
für jeden künftigen 17. Februar eine besondere Bedeutung beigelegt.

Der Grund für diesen Wandel liegt in einem für Crailsheim wichtigen
Vorgange, der mit der allgemeinen politischen Lage der damaligen Verhältnisse
im Deutschen Reiche zusammenhängt, wie sie oben (S. 355 Heft 47 von 1913)
für die Jahre 1376 bis 1381 geschildert ist.

Im Jahre 1379, dem Hauptjahr der Tätigkeit des unter dem Zeichen des
Hornes gebildeten Bundes adliger Herren (der "Hörner") entwickelte sich Ähn¬
liches in benachbarten Gebieten. Es kam dahin, daß damals drei Reichsstädte
des Schwäbischen Bundes (Dinkelsbühl. Hall und Rothenburg). die zwei Jahre
zuvor dem Grafen von Württemberg siegreich bei Reutlingen entgegengestanden



") Oberamtsbeschreibung S. 224.
Gin Streifzug in die Volksetymologie mit volksmythologie

Namen erhielten. Darunter befindet sich auch der Ekenbecker (einer, der, wie
Vilmar sagt, „schifförmiges Gebäck, Hornaffen backt"). Den Hornaff. Horneffer,
Hornaffer oder Hornaffenbecker kennt zwar Vilmar nicht, wohl aber neben dem
Ninkenbecker den Kuchenbecker, Stollenbecker, Semmelbecker. Letzterer wird wohl
auch Semmler genannt worden sein. Till Eulenspiegel kommt nach seinen, dem
fünfzehnten Jahrhundert angehörigen Historien in das Geschäft eines „Brod¬
bäckers". Aus der Familie der Crailsheimer Hornaffen oder Hornaffer wird
1427 ein dortiger Zeugwart erwähnt*); als letztes Glied der Familie Hornaff
verzeichnet ein Crailsheimer Sterberegister von 1547 eine Greisin „Hekla Horn¬
affin"; sie starb im Hospital. Mindestens vom Anfang des vierzehnten Jahr¬
hunderts saßen also zwei Jahrhunderte lang Angehörige der Familie „Hornaff"
in Crailsheim. Sie hatten Lehnsbesitz und waren Eigentümer von Hofstätten.
Gab es aber Hornaffer - Hofstätten, so gab es sehr erklärlicher Weise auch
Hornaffen ° Äcker und, wenn so benante Äcker sich noch heute bei Crailsheim
finden, wie es der Fall ist, so darf man annehmen, daß der Name dieser Äcker
gleich ähnlichen anderen Flurnamen aus alter Zeit stammt. Die Mohornmühle
in Schlesien (s. S. 55 Heft 2 von 1913) liefert eine Parallele. Hornaffer-Äcker
waren Äcker, die der Hornaffer-Familie gehörten, wenn es nicht etwa Äcker
waren, auf denen der Weizen gezogen wurde, der zum Hornaffenbacken diente,
seit, wie demnächst sich ergeben soll, die Stadt vom Jahre 1380 ab die schenk¬
weise massenhafte Lieferung von Hornaffen übernahm. Jedenfalls war um
das genannte Jahr die Familie Hornaff eine angesehene und begüterte in
Crailsheim. Es ist somit ausgeschlossen, daß dort damals das Wort die hä߬
liche Nebenbedeutung eines „Kotaffen" im heutigen Sinne gehabt hätte. Wer
würde wohl sich diesen Namen als Geschlechtsnamen gewählt oder von anderen
sich haben gefallen lassen?

Gleichwohl wurde in Crailsheim das längst als Name eines Gebäcks wie
als Name von einzelnen mit der Herstellung dieses Gebäcks befaßten Einwohnern
gebräuchliche Wort Horn- oder Horaffe vom 17. Februar 1380 als Schelt¬
wort eingeführt, zugleich aber in Verbindung damit der Herstellung dieses Gebäcks
für jeden künftigen 17. Februar eine besondere Bedeutung beigelegt.

Der Grund für diesen Wandel liegt in einem für Crailsheim wichtigen
Vorgange, der mit der allgemeinen politischen Lage der damaligen Verhältnisse
im Deutschen Reiche zusammenhängt, wie sie oben (S. 355 Heft 47 von 1913)
für die Jahre 1376 bis 1381 geschildert ist.

Im Jahre 1379, dem Hauptjahr der Tätigkeit des unter dem Zeichen des
Hornes gebildeten Bundes adliger Herren (der „Hörner") entwickelte sich Ähn¬
liches in benachbarten Gebieten. Es kam dahin, daß damals drei Reichsstädte
des Schwäbischen Bundes (Dinkelsbühl. Hall und Rothenburg). die zwei Jahre
zuvor dem Grafen von Württemberg siegreich bei Reutlingen entgegengestanden



") Oberamtsbeschreibung S. 224.
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[0403] Gin Streifzug in die Volksetymologie mit volksmythologie Namen erhielten. Darunter befindet sich auch der Ekenbecker (einer, der, wie Vilmar sagt, „schifförmiges Gebäck, Hornaffen backt"). Den Hornaff. Horneffer, Hornaffer oder Hornaffenbecker kennt zwar Vilmar nicht, wohl aber neben dem Ninkenbecker den Kuchenbecker, Stollenbecker, Semmelbecker. Letzterer wird wohl auch Semmler genannt worden sein. Till Eulenspiegel kommt nach seinen, dem fünfzehnten Jahrhundert angehörigen Historien in das Geschäft eines „Brod¬ bäckers". Aus der Familie der Crailsheimer Hornaffen oder Hornaffer wird 1427 ein dortiger Zeugwart erwähnt*); als letztes Glied der Familie Hornaff verzeichnet ein Crailsheimer Sterberegister von 1547 eine Greisin „Hekla Horn¬ affin"; sie starb im Hospital. Mindestens vom Anfang des vierzehnten Jahr¬ hunderts saßen also zwei Jahrhunderte lang Angehörige der Familie „Hornaff" in Crailsheim. Sie hatten Lehnsbesitz und waren Eigentümer von Hofstätten. Gab es aber Hornaffer - Hofstätten, so gab es sehr erklärlicher Weise auch Hornaffen ° Äcker und, wenn so benante Äcker sich noch heute bei Crailsheim finden, wie es der Fall ist, so darf man annehmen, daß der Name dieser Äcker gleich ähnlichen anderen Flurnamen aus alter Zeit stammt. Die Mohornmühle in Schlesien (s. S. 55 Heft 2 von 1913) liefert eine Parallele. Hornaffer-Äcker waren Äcker, die der Hornaffer-Familie gehörten, wenn es nicht etwa Äcker waren, auf denen der Weizen gezogen wurde, der zum Hornaffenbacken diente, seit, wie demnächst sich ergeben soll, die Stadt vom Jahre 1380 ab die schenk¬ weise massenhafte Lieferung von Hornaffen übernahm. Jedenfalls war um das genannte Jahr die Familie Hornaff eine angesehene und begüterte in Crailsheim. Es ist somit ausgeschlossen, daß dort damals das Wort die hä߬ liche Nebenbedeutung eines „Kotaffen" im heutigen Sinne gehabt hätte. Wer würde wohl sich diesen Namen als Geschlechtsnamen gewählt oder von anderen sich haben gefallen lassen? Gleichwohl wurde in Crailsheim das längst als Name eines Gebäcks wie als Name von einzelnen mit der Herstellung dieses Gebäcks befaßten Einwohnern gebräuchliche Wort Horn- oder Horaffe vom 17. Februar 1380 als Schelt¬ wort eingeführt, zugleich aber in Verbindung damit der Herstellung dieses Gebäcks für jeden künftigen 17. Februar eine besondere Bedeutung beigelegt. Der Grund für diesen Wandel liegt in einem für Crailsheim wichtigen Vorgange, der mit der allgemeinen politischen Lage der damaligen Verhältnisse im Deutschen Reiche zusammenhängt, wie sie oben (S. 355 Heft 47 von 1913) für die Jahre 1376 bis 1381 geschildert ist. Im Jahre 1379, dem Hauptjahr der Tätigkeit des unter dem Zeichen des Hornes gebildeten Bundes adliger Herren (der „Hörner") entwickelte sich Ähn¬ liches in benachbarten Gebieten. Es kam dahin, daß damals drei Reichsstädte des Schwäbischen Bundes (Dinkelsbühl. Hall und Rothenburg). die zwei Jahre zuvor dem Grafen von Württemberg siegreich bei Reutlingen entgegengestanden ") Oberamtsbeschreibung S. 224.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/403>, abgerufen am 29.12.2024.