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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Neue Rlmstbücher

obachtete ist bei ihm wie die Beobachtung völkisch bedingt -- er ist deutsch --
und alles andere kommt erst in Betracht bei der Gestaltung, beim Ausdruck.
So hoch er seine Form ins symbolische hinaufzudestillieren bemüht ist: er bleibt
auf dem Boden stehen, von dem er ausging. Er vergeistigt die Erfahrung.
Bechtejeff geht von der Idee der Bewegung aus, er inkarniert den Gedanken.
Und so berühren sie sich auf dem Punkte, auf dem sinnliche Erscheinung zur
Idee wird: Bechtejeff ein Luftfahrer, von oben kommend, Erdfloh ein kühner
Kletterer, der den Boden unter den Füßen keinen Augenblick verliert.

Die Malerei selber spielt bei Bechtejeff eine untergeordnete Rolle, seiner
Kontur ist jedoch eine ungewöhnliche Kraft der Bewegung nicht abzuleugnen. In
seiner Amazonenschlacht stürmt es dahin in wilder Jagd, daß einem Angst und
Bange wird. Die Berge sie sausen mit und die Welt ist zur rennenden Mähre
geworden, es schwirren die Pfeile und den Kosmos ergreift ein vorwärtsrasendes
Getrabe. Wie in der Walpurgisnacht die Landschaft die ganze wilde Hast des
menschlichen Gefühlslebens mitmachen muß:

so reißt auch Bechtejeff siegreich die allruhende Masse der toten Natur mit hinein
in die Bewegungsidee seines organischen Erlebens. Im Bild "Reiter am Meere"
ist das Aufbäumen und das Niederhalten in möglichster Abstraktion der Bewegung
gegeben. Pferd und Mann und Gebirge sind nur die Ausdrucksmittel dieses
Jdeeinhaltes. Es gehört ein starkes inneres Selbstgewicht dazu, um bei dieser
Entkörperung sich nicht ins Hohle, Leere, Unbegrenzte zu verflüchtigen. Bechtejeff
besitzt dieses Gewicht, er durfte sich in diese dünne Luft wagen.




Neue Rlmstbücher

obachtete ist bei ihm wie die Beobachtung völkisch bedingt — er ist deutsch —
und alles andere kommt erst in Betracht bei der Gestaltung, beim Ausdruck.
So hoch er seine Form ins symbolische hinaufzudestillieren bemüht ist: er bleibt
auf dem Boden stehen, von dem er ausging. Er vergeistigt die Erfahrung.
Bechtejeff geht von der Idee der Bewegung aus, er inkarniert den Gedanken.
Und so berühren sie sich auf dem Punkte, auf dem sinnliche Erscheinung zur
Idee wird: Bechtejeff ein Luftfahrer, von oben kommend, Erdfloh ein kühner
Kletterer, der den Boden unter den Füßen keinen Augenblick verliert.

Die Malerei selber spielt bei Bechtejeff eine untergeordnete Rolle, seiner
Kontur ist jedoch eine ungewöhnliche Kraft der Bewegung nicht abzuleugnen. In
seiner Amazonenschlacht stürmt es dahin in wilder Jagd, daß einem Angst und
Bange wird. Die Berge sie sausen mit und die Welt ist zur rennenden Mähre
geworden, es schwirren die Pfeile und den Kosmos ergreift ein vorwärtsrasendes
Getrabe. Wie in der Walpurgisnacht die Landschaft die ganze wilde Hast des
menschlichen Gefühlslebens mitmachen muß:

so reißt auch Bechtejeff siegreich die allruhende Masse der toten Natur mit hinein
in die Bewegungsidee seines organischen Erlebens. Im Bild „Reiter am Meere"
ist das Aufbäumen und das Niederhalten in möglichster Abstraktion der Bewegung
gegeben. Pferd und Mann und Gebirge sind nur die Ausdrucksmittel dieses
Jdeeinhaltes. Es gehört ein starkes inneres Selbstgewicht dazu, um bei dieser
Entkörperung sich nicht ins Hohle, Leere, Unbegrenzte zu verflüchtigen. Bechtejeff
besitzt dieses Gewicht, er durfte sich in diese dünne Luft wagen.




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[0388] Neue Rlmstbücher obachtete ist bei ihm wie die Beobachtung völkisch bedingt — er ist deutsch — und alles andere kommt erst in Betracht bei der Gestaltung, beim Ausdruck. So hoch er seine Form ins symbolische hinaufzudestillieren bemüht ist: er bleibt auf dem Boden stehen, von dem er ausging. Er vergeistigt die Erfahrung. Bechtejeff geht von der Idee der Bewegung aus, er inkarniert den Gedanken. Und so berühren sie sich auf dem Punkte, auf dem sinnliche Erscheinung zur Idee wird: Bechtejeff ein Luftfahrer, von oben kommend, Erdfloh ein kühner Kletterer, der den Boden unter den Füßen keinen Augenblick verliert. Die Malerei selber spielt bei Bechtejeff eine untergeordnete Rolle, seiner Kontur ist jedoch eine ungewöhnliche Kraft der Bewegung nicht abzuleugnen. In seiner Amazonenschlacht stürmt es dahin in wilder Jagd, daß einem Angst und Bange wird. Die Berge sie sausen mit und die Welt ist zur rennenden Mähre geworden, es schwirren die Pfeile und den Kosmos ergreift ein vorwärtsrasendes Getrabe. Wie in der Walpurgisnacht die Landschaft die ganze wilde Hast des menschlichen Gefühlslebens mitmachen muß: so reißt auch Bechtejeff siegreich die allruhende Masse der toten Natur mit hinein in die Bewegungsidee seines organischen Erlebens. Im Bild „Reiter am Meere" ist das Aufbäumen und das Niederhalten in möglichster Abstraktion der Bewegung gegeben. Pferd und Mann und Gebirge sind nur die Ausdrucksmittel dieses Jdeeinhaltes. Es gehört ein starkes inneres Selbstgewicht dazu, um bei dieser Entkörperung sich nicht ins Hohle, Leere, Unbegrenzte zu verflüchtigen. Bechtejeff besitzt dieses Gewicht, er durfte sich in diese dünne Luft wagen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/388>, abgerufen am 04.01.2025.