Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Neue ZQuistbncher wie Max Raphael dies fertigbringt. Und wenn ich die Abbildungen 26, 27, Ist die Psychologie eines Bucherfolges nicht aller Logik bar, dann müßte Nur im allgemeinen sei bemerkt -- weil stets von ganz neuen Mitteln Der Text Fischers hat dennoch -- abgesehen von dem stets und immerdar Neue ZQuistbncher wie Max Raphael dies fertigbringt. Und wenn ich die Abbildungen 26, 27, Ist die Psychologie eines Bucherfolges nicht aller Logik bar, dann müßte Nur im allgemeinen sei bemerkt — weil stets von ganz neuen Mitteln Der Text Fischers hat dennoch — abgesehen von dem stets und immerdar <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0386" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327852"/> <fw type="header" place="top"> Neue ZQuistbncher</fw><lb/> <p xml:id="ID_1816" prev="#ID_1815"> wie Max Raphael dies fertigbringt. Und wenn ich die Abbildungen 26, 27,<lb/> 28, 29, 30 von Pablo Picasso daneben halte, fällt mir das Geständnis leicht,<lb/> daß diese Heller und dunkler schattierten geometrischen Formen, die sich meinem<lb/> blöden Auge als eine zerkratzte, feuchte Mauer darstellen, aber „Studentin" oder<lb/> „Männlicher Kopf" benannt sind, einer Sphäre angehören, in die ich nicht zu<lb/> folgen vermag. Was ich über van Gogh, Cezanne und den Impressionismus<lb/> im Buche fand, ist anregend und inhaltsvoll, wie überhaupt das ganze Werk<lb/> den großen Ernst strenger und tiefgründiger Arbeit atmet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1817"> Ist die Psychologie eines Bucherfolges nicht aller Logik bar, dann müßte<lb/> man der Veröffentlichung der neuen Künstlervereinigung München, „Das neue<lb/> Bild", Text von Otto Fischer (Delphin-Verlag, München 1912, geb. 18 Mary<lb/> in kurzer Zeit eine ganz ungeheure Auflageziffer prophezeien können. Nicht<lb/> als wäre hier Gott weiß was für ein Meisterwerk erschienen, auch nicht, als<lb/> wäre irgendein Masseninstinkt im Spiele, sondern aus dem einfachen Grunde,<lb/> daß hier ein Zeitdokument vorliegt, das im hohen Maße für die Geistesverfassung<lb/> unserer Tage charakteristisch ist. Zuerst ein Manifest von Otto Fischer. In¬<lb/> haltlich etwa die popularisierte Kunstanschauung Schopenhauers, jener idealistische<lb/> Pessimismus, der für die Geistesaristokratie des neunzehnten Jahrhunderts die<lb/> Zufluchtsstätte bot vor der Unerträglichkeit der rationalistischen Jngenieur-<lb/> weltanschauung. Die historischen Begleiterscheinungen dieser Weltanschauung<lb/> sind bei Schopenhauer, Nietzsche und anderen dieselben gewesen, sie treten bei<lb/> Fischer in etwas äußerlicherer Form und etwas verspätet wieder auf. Aphoristische<lb/> Darstellung, etwas buddhistisch angehauchtes Weltseelentum, wuchtige einfache<lb/> Aussagesätze, rhetorische Fragen, Gedankenrhythmus mit biblischer Wieder¬<lb/> holungsart des Hauptmotivs — alles das mutet peinlich kostümmäßig an.<lb/> Buddha-Ghotama oder Salomon oder Zarathustra, aber in München. Man<lb/> hört fast das Münchener Mädel antworten: „gehn's reden's nit so gschmerzt<lb/> daher!" Auf die inhaltlichen UnHaltbarkeiten dieses Textes wäre es taktlos,<lb/> grausam einzugehen. Es ist ja ein Manifest, eine Programmrede.</p><lb/> <p xml:id="ID_1818"> Nur im allgemeinen sei bemerkt — weil stets von ganz neuen Mitteln<lb/> einer neuen Anschauung gesprochen wird und wie die Kunst diese unsere neue<lb/> Welt erschaffen und ausdrücken müsse, als riefe die Menschheit selber hungrig<lb/> nach diesen neuen Formen —. daß Hodler, Cezanne und van Gogh noch lange<lb/> nicht so aufgezehrt sind, auch von den Erleuchtetsten nicht, daß wir schon wieder<lb/> „ein verändertes Bild der Welt mit völlig neuen Mitteln der Anschauung" zu<lb/> suchen gezwungen wären, was selbstredend ja nicht bedeuten soll, daß das<lb/> Kommen eines Formengewaltigen zu irgendeiner Stunde der Welt nicht das<lb/> größte Glück bedeutete, das der Menschheit widerfahren könne. Allein gegen<lb/> dies Herbeibeten des hinter dem Vorhang berettstehenden Messias wehren wir uns.</p><lb/> <p xml:id="ID_1819" next="#ID_1820"> Der Text Fischers hat dennoch — abgesehen von dem stets und immerdar<lb/> außerhalb der Diskussion stehenden Offenbarungsinhalte — ein sehr ernstes<lb/> stilistisches Verdienst. Wenn Fischer zur Wiedergabe des bildlichen Eindrucks</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0386]
Neue ZQuistbncher
wie Max Raphael dies fertigbringt. Und wenn ich die Abbildungen 26, 27,
28, 29, 30 von Pablo Picasso daneben halte, fällt mir das Geständnis leicht,
daß diese Heller und dunkler schattierten geometrischen Formen, die sich meinem
blöden Auge als eine zerkratzte, feuchte Mauer darstellen, aber „Studentin" oder
„Männlicher Kopf" benannt sind, einer Sphäre angehören, in die ich nicht zu
folgen vermag. Was ich über van Gogh, Cezanne und den Impressionismus
im Buche fand, ist anregend und inhaltsvoll, wie überhaupt das ganze Werk
den großen Ernst strenger und tiefgründiger Arbeit atmet.
Ist die Psychologie eines Bucherfolges nicht aller Logik bar, dann müßte
man der Veröffentlichung der neuen Künstlervereinigung München, „Das neue
Bild", Text von Otto Fischer (Delphin-Verlag, München 1912, geb. 18 Mary
in kurzer Zeit eine ganz ungeheure Auflageziffer prophezeien können. Nicht
als wäre hier Gott weiß was für ein Meisterwerk erschienen, auch nicht, als
wäre irgendein Masseninstinkt im Spiele, sondern aus dem einfachen Grunde,
daß hier ein Zeitdokument vorliegt, das im hohen Maße für die Geistesverfassung
unserer Tage charakteristisch ist. Zuerst ein Manifest von Otto Fischer. In¬
haltlich etwa die popularisierte Kunstanschauung Schopenhauers, jener idealistische
Pessimismus, der für die Geistesaristokratie des neunzehnten Jahrhunderts die
Zufluchtsstätte bot vor der Unerträglichkeit der rationalistischen Jngenieur-
weltanschauung. Die historischen Begleiterscheinungen dieser Weltanschauung
sind bei Schopenhauer, Nietzsche und anderen dieselben gewesen, sie treten bei
Fischer in etwas äußerlicherer Form und etwas verspätet wieder auf. Aphoristische
Darstellung, etwas buddhistisch angehauchtes Weltseelentum, wuchtige einfache
Aussagesätze, rhetorische Fragen, Gedankenrhythmus mit biblischer Wieder¬
holungsart des Hauptmotivs — alles das mutet peinlich kostümmäßig an.
Buddha-Ghotama oder Salomon oder Zarathustra, aber in München. Man
hört fast das Münchener Mädel antworten: „gehn's reden's nit so gschmerzt
daher!" Auf die inhaltlichen UnHaltbarkeiten dieses Textes wäre es taktlos,
grausam einzugehen. Es ist ja ein Manifest, eine Programmrede.
Nur im allgemeinen sei bemerkt — weil stets von ganz neuen Mitteln
einer neuen Anschauung gesprochen wird und wie die Kunst diese unsere neue
Welt erschaffen und ausdrücken müsse, als riefe die Menschheit selber hungrig
nach diesen neuen Formen —. daß Hodler, Cezanne und van Gogh noch lange
nicht so aufgezehrt sind, auch von den Erleuchtetsten nicht, daß wir schon wieder
„ein verändertes Bild der Welt mit völlig neuen Mitteln der Anschauung" zu
suchen gezwungen wären, was selbstredend ja nicht bedeuten soll, daß das
Kommen eines Formengewaltigen zu irgendeiner Stunde der Welt nicht das
größte Glück bedeutete, das der Menschheit widerfahren könne. Allein gegen
dies Herbeibeten des hinter dem Vorhang berettstehenden Messias wehren wir uns.
Der Text Fischers hat dennoch — abgesehen von dem stets und immerdar
außerhalb der Diskussion stehenden Offenbarungsinhalte — ein sehr ernstes
stilistisches Verdienst. Wenn Fischer zur Wiedergabe des bildlichen Eindrucks
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