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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Die Hexe von Mayen

Abmachung sprach, habe ich nicht viel danach gehört, denn ein rechtschaffener
Junker muß seine Freiheit behalten. Aber ich bin jetzt ruhiger geworden, und
ich kann wohl sagen, daß Ihr mir gut gefallt und ich dem Allmächtigen dankbar
bin, Euch hier getroffen zu haben!"

Josias sprach ruhig, und Heilwig sah ernsthaft in sein gutes, männliches
Gesicht. Ihr Vater, der Staatsrat, hatte niemals viel mit ihr geredet, und
ihre Mutter war früh gestorben. Aber sie wußte, daß sie einmal heiraten
müßte, und einmal hatte ihr Vater auch darüber eine kurze Andeutung gemacht.
Denn eine Erbtochter, wie sie, ging nicht in eins der holsteinischen Frauenklöster,
die der evangelische Adel nach der Reformation an sich gebracht hatte, um seine
unvermählten Töchter zu versorgen. Eine Erbtochter suchte sich einen Eheherrn,
oder es wurde ihr einer gebracht. Und daß Josias Sehestedt der Mann war.
der sie heiraten sollte, wußte sie lange. Ebenso, daß er mit dem Herzog bei
den Braunschweigern stand. Nun aber saß sie schweigend und spielte mit dem
Armreif, der einst einem Muttergottesbilde gehört hatte. Josias wartete einige
Augenblicke auf Antwort; als sie noch immer schwieg, begann er wieder zu
sprechen.

"Base, ich quäle Euch nicht. Kann mir denken, daß Ihr von nichts
wußtet und daß die Sache Euch überraschend kommt. Ich will auch darüber
schweigen, da wir doch erst heiraten können, wenn diese Sache zu Ende ist
und ich mit Hans Adel und den andern Holsteinern wieder zu Haus bin. Es
ist mir auch nur so heraufgesprungen, weil Ihr Euch über meine Gaben zu
wundern schienet. Behaltet sie nur; wenn es angeht, bringe ich Euch noch
mehr, und ich will sie, weiß Gott, nicht stehlen, sondern ehrlich bezahlen!"

Mit diesen Worten ging er, denn der Herzog von Plön hatte ihn rufen
lassen. und vielleicht war er auch froh, Heilwig ihren Gedanken zu überlassen.
Er fand wirklich viel Wohlgefallen an ihr und freute sich, daß die Wahl seiner
Familie auf diese Base fiel. Sie würde eine stattliche Schloßfrau abgeben
und ihm hoffentlich einige Söhne gebären, die den Namen der Sehestedts
weiterpflanzen sollten. Aber vor der Hand war es ganz angenehm, im Feld¬
lager zu sein und sich um den Ehestand keine Gedanken zu machen.

Wohlgemut wollte der Junker sich ins Zelt des Herzogs begeben, wurde
aber von einem Trabanten zurückgehalten.

"Seine Gnaden wollen allein sein! Haben einen Besuch erhalten. Der
Junker soll hier warten, bis er gerufen wird!"

Junker Josias schmunzelte. Es war lange nicht vorgekommen, daß Seine
Gnaden Besuch erhielten und keine Zeugen wünschten. Wer mochte es nun
sein? In Münster war es ein kleines schwarzhaariges Edelfrä'ulein gewesen,
das den Herzog belustigt hatte, so daß er fast ein wenig verliebt wurde. Zwar
erholte er sich von dieser Krankheit, als er erfuhr, daß besagtes Fräulein einen
wirklichen Liebhaber hatte, der bei den Braunschweigern stand, und für den sie
allerlei Vorteile erhoffte. Damals hatte der Herzog einen sehr langen Brief


Grenzboten I 1914 24
Die Hexe von Mayen

Abmachung sprach, habe ich nicht viel danach gehört, denn ein rechtschaffener
Junker muß seine Freiheit behalten. Aber ich bin jetzt ruhiger geworden, und
ich kann wohl sagen, daß Ihr mir gut gefallt und ich dem Allmächtigen dankbar
bin, Euch hier getroffen zu haben!"

Josias sprach ruhig, und Heilwig sah ernsthaft in sein gutes, männliches
Gesicht. Ihr Vater, der Staatsrat, hatte niemals viel mit ihr geredet, und
ihre Mutter war früh gestorben. Aber sie wußte, daß sie einmal heiraten
müßte, und einmal hatte ihr Vater auch darüber eine kurze Andeutung gemacht.
Denn eine Erbtochter, wie sie, ging nicht in eins der holsteinischen Frauenklöster,
die der evangelische Adel nach der Reformation an sich gebracht hatte, um seine
unvermählten Töchter zu versorgen. Eine Erbtochter suchte sich einen Eheherrn,
oder es wurde ihr einer gebracht. Und daß Josias Sehestedt der Mann war.
der sie heiraten sollte, wußte sie lange. Ebenso, daß er mit dem Herzog bei
den Braunschweigern stand. Nun aber saß sie schweigend und spielte mit dem
Armreif, der einst einem Muttergottesbilde gehört hatte. Josias wartete einige
Augenblicke auf Antwort; als sie noch immer schwieg, begann er wieder zu
sprechen.

„Base, ich quäle Euch nicht. Kann mir denken, daß Ihr von nichts
wußtet und daß die Sache Euch überraschend kommt. Ich will auch darüber
schweigen, da wir doch erst heiraten können, wenn diese Sache zu Ende ist
und ich mit Hans Adel und den andern Holsteinern wieder zu Haus bin. Es
ist mir auch nur so heraufgesprungen, weil Ihr Euch über meine Gaben zu
wundern schienet. Behaltet sie nur; wenn es angeht, bringe ich Euch noch
mehr, und ich will sie, weiß Gott, nicht stehlen, sondern ehrlich bezahlen!"

Mit diesen Worten ging er, denn der Herzog von Plön hatte ihn rufen
lassen. und vielleicht war er auch froh, Heilwig ihren Gedanken zu überlassen.
Er fand wirklich viel Wohlgefallen an ihr und freute sich, daß die Wahl seiner
Familie auf diese Base fiel. Sie würde eine stattliche Schloßfrau abgeben
und ihm hoffentlich einige Söhne gebären, die den Namen der Sehestedts
weiterpflanzen sollten. Aber vor der Hand war es ganz angenehm, im Feld¬
lager zu sein und sich um den Ehestand keine Gedanken zu machen.

Wohlgemut wollte der Junker sich ins Zelt des Herzogs begeben, wurde
aber von einem Trabanten zurückgehalten.

„Seine Gnaden wollen allein sein! Haben einen Besuch erhalten. Der
Junker soll hier warten, bis er gerufen wird!"

Junker Josias schmunzelte. Es war lange nicht vorgekommen, daß Seine
Gnaden Besuch erhielten und keine Zeugen wünschten. Wer mochte es nun
sein? In Münster war es ein kleines schwarzhaariges Edelfrä'ulein gewesen,
das den Herzog belustigt hatte, so daß er fast ein wenig verliebt wurde. Zwar
erholte er sich von dieser Krankheit, als er erfuhr, daß besagtes Fräulein einen
wirklichen Liebhaber hatte, der bei den Braunschweigern stand, und für den sie
allerlei Vorteile erhoffte. Damals hatte der Herzog einen sehr langen Brief


Grenzboten I 1914 24
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[0381] Die Hexe von Mayen Abmachung sprach, habe ich nicht viel danach gehört, denn ein rechtschaffener Junker muß seine Freiheit behalten. Aber ich bin jetzt ruhiger geworden, und ich kann wohl sagen, daß Ihr mir gut gefallt und ich dem Allmächtigen dankbar bin, Euch hier getroffen zu haben!" Josias sprach ruhig, und Heilwig sah ernsthaft in sein gutes, männliches Gesicht. Ihr Vater, der Staatsrat, hatte niemals viel mit ihr geredet, und ihre Mutter war früh gestorben. Aber sie wußte, daß sie einmal heiraten müßte, und einmal hatte ihr Vater auch darüber eine kurze Andeutung gemacht. Denn eine Erbtochter, wie sie, ging nicht in eins der holsteinischen Frauenklöster, die der evangelische Adel nach der Reformation an sich gebracht hatte, um seine unvermählten Töchter zu versorgen. Eine Erbtochter suchte sich einen Eheherrn, oder es wurde ihr einer gebracht. Und daß Josias Sehestedt der Mann war. der sie heiraten sollte, wußte sie lange. Ebenso, daß er mit dem Herzog bei den Braunschweigern stand. Nun aber saß sie schweigend und spielte mit dem Armreif, der einst einem Muttergottesbilde gehört hatte. Josias wartete einige Augenblicke auf Antwort; als sie noch immer schwieg, begann er wieder zu sprechen. „Base, ich quäle Euch nicht. Kann mir denken, daß Ihr von nichts wußtet und daß die Sache Euch überraschend kommt. Ich will auch darüber schweigen, da wir doch erst heiraten können, wenn diese Sache zu Ende ist und ich mit Hans Adel und den andern Holsteinern wieder zu Haus bin. Es ist mir auch nur so heraufgesprungen, weil Ihr Euch über meine Gaben zu wundern schienet. Behaltet sie nur; wenn es angeht, bringe ich Euch noch mehr, und ich will sie, weiß Gott, nicht stehlen, sondern ehrlich bezahlen!" Mit diesen Worten ging er, denn der Herzog von Plön hatte ihn rufen lassen. und vielleicht war er auch froh, Heilwig ihren Gedanken zu überlassen. Er fand wirklich viel Wohlgefallen an ihr und freute sich, daß die Wahl seiner Familie auf diese Base fiel. Sie würde eine stattliche Schloßfrau abgeben und ihm hoffentlich einige Söhne gebären, die den Namen der Sehestedts weiterpflanzen sollten. Aber vor der Hand war es ganz angenehm, im Feld¬ lager zu sein und sich um den Ehestand keine Gedanken zu machen. Wohlgemut wollte der Junker sich ins Zelt des Herzogs begeben, wurde aber von einem Trabanten zurückgehalten. „Seine Gnaden wollen allein sein! Haben einen Besuch erhalten. Der Junker soll hier warten, bis er gerufen wird!" Junker Josias schmunzelte. Es war lange nicht vorgekommen, daß Seine Gnaden Besuch erhielten und keine Zeugen wünschten. Wer mochte es nun sein? In Münster war es ein kleines schwarzhaariges Edelfrä'ulein gewesen, das den Herzog belustigt hatte, so daß er fast ein wenig verliebt wurde. Zwar erholte er sich von dieser Krankheit, als er erfuhr, daß besagtes Fräulein einen wirklichen Liebhaber hatte, der bei den Braunschweigern stand, und für den sie allerlei Vorteile erhoffte. Damals hatte der Herzog einen sehr langen Brief Grenzboten I 1914 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/381>, abgerufen am 04.01.2025.