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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Die Hexe von Raym

Bei den Braunschweigern ging es im ganzen noch erträglich her, aber die
Soldaten behängten sich doch auch mit goldenen Ketten, die sie gefunden haben
wollten, und die Frauen im Troß trugen seidene Kleider, die ihnen nicht immer
paßten. Die hohen Herren sahen diese Dinge nicht, oder wollten sie nicht
sehen; aber die jungen Offiziere erhandelten sich manches Geschmeide, das ihnen
in die Augen stach.

So schenkte Josias seiner Base plötzlich einen mit roten Steinen besetzten
Armreif und zugleich einen schwarzen Seidenrock mit roter Samtjacke.

"Es wird Euch gut kleiden, Vase!" sagte er dabei, aber Heilwig sah ihn
fragend an.

"Woher nehmt Ihr diese schönen Sachen?"

"Ich habe sie nicht genommen", versicherte er, "sie sind gerade billig zu
haben und man muß die Gelegenheit wahrnehmen. Nachher kauft sie ein anderer
und dann hat man das Nachsehen!"

"Und woher nehmen die Verkäufer die Ware?"

Josias zuckte die Achseln.

"Base, in Eurer Stelle würde ich nicht so viel fragen. Krieg ist Krieg
und manchmal wird die Löhnung schlecht bezahlt. Also muß der Soldat sich
selbst helfen. Die Leute im Land hier haben schrecklich viel Geld! Die Kerle
haben neulich einmal ein Kloster ein wenig gebrandschatzt: die Madonna trug
eine Menge von Armbändern und Halsketten. Was soll die gute Frau
damit?"

Heilwig schob den Armreif von sich.

"Ich will kein Kirchengut und auch kein gestohlenes Gewand!" sagte sie
heftig, und der Junker setzte eine beleidigte Miene auf.

"Base, seid verständig! Ich habe es doch nicht genommen, und warum
wollt Ihr nicht etwas Gutes in dieser üblen Zeit? Wenn Ihr dann später
heiratet, braucht Euer Herr Vater Euch nicht mehr alles zur Aussteuer zu
geben!"

"Ach, ich denke nicht ans Heiraten und weiß nicht einmal, wo mein
Vater ist!"

"Der Herr von Sehestedt wird sich schon finden," erwiderte Josias, "und
was das Heiraten betrifft, so seid Ihr schon lange mit mir versprochen!"

"Mit Euch?" Heilwig tat, als machte sie große Augen und Josias setzte
sich zu ihr.

"Es ist so, liebe Base! Einmal muß es gesagt sein, und ich bin ganz
damit einverstanden. Unsre Väter haben es schon lange miteinander abgemacht,
und meine Mutter sagte es mir mehr als einmal. Gleich danach, als mein
Vater den Schlagfluß kriegte und in zwei Stunden tot war. Es paßt auch
sehr gut mit unsern Gütern. Ihr wißt, ich habe Schierensee, und Euer Vater
hat Sehestedt. Ehemals sind beide Güter in einer Hand gewesen und es ist
gut, wenn es wieder so wird. Zuerst als die Frau Mutter mit mir von der


Die Hexe von Raym

Bei den Braunschweigern ging es im ganzen noch erträglich her, aber die
Soldaten behängten sich doch auch mit goldenen Ketten, die sie gefunden haben
wollten, und die Frauen im Troß trugen seidene Kleider, die ihnen nicht immer
paßten. Die hohen Herren sahen diese Dinge nicht, oder wollten sie nicht
sehen; aber die jungen Offiziere erhandelten sich manches Geschmeide, das ihnen
in die Augen stach.

So schenkte Josias seiner Base plötzlich einen mit roten Steinen besetzten
Armreif und zugleich einen schwarzen Seidenrock mit roter Samtjacke.

„Es wird Euch gut kleiden, Vase!" sagte er dabei, aber Heilwig sah ihn
fragend an.

„Woher nehmt Ihr diese schönen Sachen?"

„Ich habe sie nicht genommen", versicherte er, „sie sind gerade billig zu
haben und man muß die Gelegenheit wahrnehmen. Nachher kauft sie ein anderer
und dann hat man das Nachsehen!"

„Und woher nehmen die Verkäufer die Ware?"

Josias zuckte die Achseln.

„Base, in Eurer Stelle würde ich nicht so viel fragen. Krieg ist Krieg
und manchmal wird die Löhnung schlecht bezahlt. Also muß der Soldat sich
selbst helfen. Die Leute im Land hier haben schrecklich viel Geld! Die Kerle
haben neulich einmal ein Kloster ein wenig gebrandschatzt: die Madonna trug
eine Menge von Armbändern und Halsketten. Was soll die gute Frau
damit?"

Heilwig schob den Armreif von sich.

„Ich will kein Kirchengut und auch kein gestohlenes Gewand!" sagte sie
heftig, und der Junker setzte eine beleidigte Miene auf.

„Base, seid verständig! Ich habe es doch nicht genommen, und warum
wollt Ihr nicht etwas Gutes in dieser üblen Zeit? Wenn Ihr dann später
heiratet, braucht Euer Herr Vater Euch nicht mehr alles zur Aussteuer zu
geben!"

„Ach, ich denke nicht ans Heiraten und weiß nicht einmal, wo mein
Vater ist!"

„Der Herr von Sehestedt wird sich schon finden," erwiderte Josias, „und
was das Heiraten betrifft, so seid Ihr schon lange mit mir versprochen!"

„Mit Euch?" Heilwig tat, als machte sie große Augen und Josias setzte
sich zu ihr.

„Es ist so, liebe Base! Einmal muß es gesagt sein, und ich bin ganz
damit einverstanden. Unsre Väter haben es schon lange miteinander abgemacht,
und meine Mutter sagte es mir mehr als einmal. Gleich danach, als mein
Vater den Schlagfluß kriegte und in zwei Stunden tot war. Es paßt auch
sehr gut mit unsern Gütern. Ihr wißt, ich habe Schierensee, und Euer Vater
hat Sehestedt. Ehemals sind beide Güter in einer Hand gewesen und es ist
gut, wenn es wieder so wird. Zuerst als die Frau Mutter mit mir von der


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[0380] Die Hexe von Raym Bei den Braunschweigern ging es im ganzen noch erträglich her, aber die Soldaten behängten sich doch auch mit goldenen Ketten, die sie gefunden haben wollten, und die Frauen im Troß trugen seidene Kleider, die ihnen nicht immer paßten. Die hohen Herren sahen diese Dinge nicht, oder wollten sie nicht sehen; aber die jungen Offiziere erhandelten sich manches Geschmeide, das ihnen in die Augen stach. So schenkte Josias seiner Base plötzlich einen mit roten Steinen besetzten Armreif und zugleich einen schwarzen Seidenrock mit roter Samtjacke. „Es wird Euch gut kleiden, Vase!" sagte er dabei, aber Heilwig sah ihn fragend an. „Woher nehmt Ihr diese schönen Sachen?" „Ich habe sie nicht genommen", versicherte er, „sie sind gerade billig zu haben und man muß die Gelegenheit wahrnehmen. Nachher kauft sie ein anderer und dann hat man das Nachsehen!" „Und woher nehmen die Verkäufer die Ware?" Josias zuckte die Achseln. „Base, in Eurer Stelle würde ich nicht so viel fragen. Krieg ist Krieg und manchmal wird die Löhnung schlecht bezahlt. Also muß der Soldat sich selbst helfen. Die Leute im Land hier haben schrecklich viel Geld! Die Kerle haben neulich einmal ein Kloster ein wenig gebrandschatzt: die Madonna trug eine Menge von Armbändern und Halsketten. Was soll die gute Frau damit?" Heilwig schob den Armreif von sich. „Ich will kein Kirchengut und auch kein gestohlenes Gewand!" sagte sie heftig, und der Junker setzte eine beleidigte Miene auf. „Base, seid verständig! Ich habe es doch nicht genommen, und warum wollt Ihr nicht etwas Gutes in dieser üblen Zeit? Wenn Ihr dann später heiratet, braucht Euer Herr Vater Euch nicht mehr alles zur Aussteuer zu geben!" „Ach, ich denke nicht ans Heiraten und weiß nicht einmal, wo mein Vater ist!" „Der Herr von Sehestedt wird sich schon finden," erwiderte Josias, „und was das Heiraten betrifft, so seid Ihr schon lange mit mir versprochen!" „Mit Euch?" Heilwig tat, als machte sie große Augen und Josias setzte sich zu ihr. „Es ist so, liebe Base! Einmal muß es gesagt sein, und ich bin ganz damit einverstanden. Unsre Väter haben es schon lange miteinander abgemacht, und meine Mutter sagte es mir mehr als einmal. Gleich danach, als mein Vater den Schlagfluß kriegte und in zwei Stunden tot war. Es paßt auch sehr gut mit unsern Gütern. Ihr wißt, ich habe Schierensee, und Euer Vater hat Sehestedt. Ehemals sind beide Güter in einer Hand gewesen und es ist gut, wenn es wieder so wird. Zuerst als die Frau Mutter mit mir von der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/380>, abgerufen am 04.01.2025.