Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.<Lin Streifzug in die Volksetymologie und Volksmythologie geschlossene Deckel ist geblieben, und oben sind daran zwei tönerne Henkel Nach Brunner macht das links abgebildete Exemplar, dessen Entstehung sein So ähnelt nunmehr das Ganze einem menschlichen etwa am Halse ab¬ Auch noch ganz anderswo als in Lübeck gibt es Mulapen. Den Sachsen *') Die soeben erschienene Neuausgabe von Helmolts Weltgeschichte, Band 2, S. 431,
bringt aus Benares das Bild des dort heiligen geschmückten Stieres, dessen vermeintliche Beschimpfung durch die Engländer den Hinduaufstand von 1357 mit veranlaßte. <Lin Streifzug in die Volksetymologie und Volksmythologie geschlossene Deckel ist geblieben, und oben sind daran zwei tönerne Henkel Nach Brunner macht das links abgebildete Exemplar, dessen Entstehung sein So ähnelt nunmehr das Ganze einem menschlichen etwa am Halse ab¬ Auch noch ganz anderswo als in Lübeck gibt es Mulapen. Den Sachsen *') Die soeben erschienene Neuausgabe von Helmolts Weltgeschichte, Band 2, S. 431,
bringt aus Benares das Bild des dort heiligen geschmückten Stieres, dessen vermeintliche Beschimpfung durch die Engländer den Hinduaufstand von 1357 mit veranlaßte. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327840"/> <fw type="header" place="top"> <Lin Streifzug in die Volksetymologie und Volksmythologie</fw><lb/> <p xml:id="ID_1735" prev="#ID_1734" next="#ID_1736"> geschlossene Deckel ist geblieben, und oben sind daran zwei tönerne Henkel<lb/> angebracht. Von: einen wie vom andern Mulapen ist ein Exemplar im Berliner<lb/> Museum für Volkskunde. Das nachfolgende Bild stellt beide nebeneinander.</p><lb/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341899_327465/figures/grenzboten_341899_327465_327840_003.jpg"/><lb/> <p xml:id="ID_1736" prev="#ID_1735"> Nach Brunner macht das links abgebildete Exemplar, dessen Entstehung sein<lb/> Schenker in die Zeit vor zwei« oder dreihundert Jahren setzt, „einen prähistorischen<lb/> Eindruck". Der jetzt noch lebende Töpfermeister in Lübeck, der das rechts<lb/> abgebildete Exemplar lieferte, erklärte auf neuerliches Befragen, solche Öfchen<lb/> hießen Maulaffen, „weil sie das Maul äffen (offen) halten." Einzig in dieser<lb/> Form werden sie jetzt (aus demselben Tone wie die Blumentöpfe) im Dorfe<lb/> Moisling bei Lübeck gefertigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1737"> So ähnelt nunmehr das Ganze einem menschlichen etwa am Halse ab¬<lb/> geschnittenen Kopfe. Die Henkel vertreten die Ohren; die zur halbkreisförmigen<lb/> gewordene einst viereckige Öffnung vertritt den weitaufgesperrten Mund. Damit<lb/> ist dem „Mulapen", d. h. dem „Mauloffen", besser Rechnung getragen, als<lb/> durch die ursprüngliche Gestaltung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1738" next="#ID_1739"> Auch noch ganz anderswo als in Lübeck gibt es Mulapen. Den Sachsen<lb/> war das Pferd so heilig, wie anderen Völkerschaften der Stier.") Bei den Ger¬<lb/> manen zogen Sonnenrosse den Sonnenwagen, ihnen ging ein leuchtendes Roß-<lb/> haupt voraus. Vom Rhein bis in die Mark, von Mecklenburg, Holstein,<lb/> Pommern bis in das Wenden- und das Litauerland hinein bestand die Sitte,<lb/> Vorder- und Hintergiebel der Ströhmer Hausdächer mit zwei sich kreuzenden<lb/> schmalen Brettern zu versehen, die in roh geschnitzte Pferdeköpfe ausliefen.<lb/> Das brachte dem Hause Glück und hielt den Feind ab, wie sonst die Stier¬<lb/> hörner den bösen Blick. Damit war der reale Zweck verbunden, daß die<lb/> Bretter das Strohdach vor dem Winde schützten. Die Schnitzerei ist so primitiv,<lb/> daß man oft darin kaum einen Pferdekopf erkennen kann, hat man ihn aber<lb/> erkannt, so entdeckt man bei gutem Willen auch, daß der Kopf ein offenes Maul<lb/> hat. „In Mecklenburg wird jetzt die Pferdekopfform nur selten angetroffen.</p><lb/> <note xml:id="FID_108" place="foot"> *') Die soeben erschienene Neuausgabe von Helmolts Weltgeschichte, Band 2, S. 431,<lb/> bringt aus Benares das Bild des dort heiligen geschmückten Stieres, dessen vermeintliche<lb/> Beschimpfung durch die Engländer den Hinduaufstand von 1357 mit veranlaßte.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0374]
<Lin Streifzug in die Volksetymologie und Volksmythologie
geschlossene Deckel ist geblieben, und oben sind daran zwei tönerne Henkel
angebracht. Von: einen wie vom andern Mulapen ist ein Exemplar im Berliner
Museum für Volkskunde. Das nachfolgende Bild stellt beide nebeneinander.
[Abbildung]
Nach Brunner macht das links abgebildete Exemplar, dessen Entstehung sein
Schenker in die Zeit vor zwei« oder dreihundert Jahren setzt, „einen prähistorischen
Eindruck". Der jetzt noch lebende Töpfermeister in Lübeck, der das rechts
abgebildete Exemplar lieferte, erklärte auf neuerliches Befragen, solche Öfchen
hießen Maulaffen, „weil sie das Maul äffen (offen) halten." Einzig in dieser
Form werden sie jetzt (aus demselben Tone wie die Blumentöpfe) im Dorfe
Moisling bei Lübeck gefertigt.
So ähnelt nunmehr das Ganze einem menschlichen etwa am Halse ab¬
geschnittenen Kopfe. Die Henkel vertreten die Ohren; die zur halbkreisförmigen
gewordene einst viereckige Öffnung vertritt den weitaufgesperrten Mund. Damit
ist dem „Mulapen", d. h. dem „Mauloffen", besser Rechnung getragen, als
durch die ursprüngliche Gestaltung.
Auch noch ganz anderswo als in Lübeck gibt es Mulapen. Den Sachsen
war das Pferd so heilig, wie anderen Völkerschaften der Stier.") Bei den Ger¬
manen zogen Sonnenrosse den Sonnenwagen, ihnen ging ein leuchtendes Roß-
haupt voraus. Vom Rhein bis in die Mark, von Mecklenburg, Holstein,
Pommern bis in das Wenden- und das Litauerland hinein bestand die Sitte,
Vorder- und Hintergiebel der Ströhmer Hausdächer mit zwei sich kreuzenden
schmalen Brettern zu versehen, die in roh geschnitzte Pferdeköpfe ausliefen.
Das brachte dem Hause Glück und hielt den Feind ab, wie sonst die Stier¬
hörner den bösen Blick. Damit war der reale Zweck verbunden, daß die
Bretter das Strohdach vor dem Winde schützten. Die Schnitzerei ist so primitiv,
daß man oft darin kaum einen Pferdekopf erkennen kann, hat man ihn aber
erkannt, so entdeckt man bei gutem Willen auch, daß der Kopf ein offenes Maul
hat. „In Mecklenburg wird jetzt die Pferdekopfform nur selten angetroffen.
*') Die soeben erschienene Neuausgabe von Helmolts Weltgeschichte, Band 2, S. 431,
bringt aus Benares das Bild des dort heiligen geschmückten Stieres, dessen vermeintliche
Beschimpfung durch die Engländer den Hinduaufstand von 1357 mit veranlaßte.
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