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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Die Aabiucttsorder vom Jahre ^793

"Bürger von Freyenstein I Gern nennte Ich euch Meine lieben
Bürger und Unterthanen; aber wie kann Ich das, da Ihr Meine
Gesetze verachtet, ungehorsam gegen Eure Obrigkeit seyd, euch gegen
sie zusammenrottiret, und sie durch Gewalt an der Ausübung ihrer
Pflichten verhindert. -- Also ihr Bürger von Freyenstein. Ihr habt
euch schwer vergangen, und harte Strafen verdienet; und wenn Ich
euch blos nach dem Gesetze behandeln wollte, so hättet ihr schon die
militärische Hülfe in euren Mauern, um solche zu vollziehen. Allein
es schmerzt Mich, daß ihr von allen Meinen Unterthanen, die ersten
und einzigen seyn sollt, an welchen solche Strenge ausgeübt wird, und
daß ihr auf diese Art, der Schande und Verachtung des ganzen Landes
blosgestellet werdet, wo solche rebellische Widersetzlichkeiten, Gott lob!
unerhört sind. Ich will daher noch ein Mahl die Güte an Euch ver¬
suchen. -- Gehet in euch, folget der Stimme und dem Rathe der
guten Menschen, die unter euch sind, und nicht den eigennützigen
Rädelsführer, die euch zu verführen suchen. -- Leistet den Bürgereid,
den ihr nach Gesetz und Recht zu leisten schuldig seyd. Gehorchet der
Obrigkeit, und suchet durch eine ruhige und gesetzmäßige Aufführung
doch einmal, den verhaßten Ruf der Widerspenstigkeit von euch abzu¬
wälzen, der schon seit so langen Jahren auf euch ruht und euch
unglücklich macht. Ich bitte euch darum, als ein wohlmeynender Vater,
und befehle es euch, als euer König. Ihr sollt Mir alsdann als
treue und rechtschaffene Unterthanen lieb und werth seyn, und Ich
werde Euch, in allem was recht ist, schützen. Kehrt ihr aber nicht
sogleich zu eurer Pflicht zurück; so wisset, daß ich ein strenges Exempel
an euch statuiren werde, und daß bereits die erforderlichen Befehle
gegeben sind, auf den ersten neuen Unfug das Militär bei euch ein¬
rücken zu lassen, um euch zu harter Strafe abzuführen. Richtet euch
also hiernach, wenn Ich euch das Vergangene vergeben und vergessen
soll, und wenn euch eure eigene Wohlfahrt und die Liebe eures Königs
etwas werth sind. Berlin, den 7. Januar 1798.

Friedrich Wilhelm."

Neben einer solchen Kundgebung königlicher Milde, die mit sichtlicher Freude
in den damaligen Journalen und Zeitungen verbreitet wurde, finden sich jedoch
auch Äußerungen Friedrich Wilhelms des Dritten, ebenfalls aus dem Jahre
1798, die einen ganz anderen Geist atmen. Es sei nur erinnert an die strenge
"Verordnung wegen Verhütung und Bestrafung der die öffentliche Ruhe störenden
Excesse der Studirenden auf sämmtlichen Akademien in den Königlichen Staaten vom


Journalen: "Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmackes", 1798, Bd. I, S. 107f.;
"Königl. Prion. Preußischer Volksfreund", 1798, S. 209 ff. und "der Preußische Staats- und
Volksbote von Berlin", S. 36 ff.
Grenzboten I 1914 23
Die Aabiucttsorder vom Jahre ^793

„Bürger von Freyenstein I Gern nennte Ich euch Meine lieben
Bürger und Unterthanen; aber wie kann Ich das, da Ihr Meine
Gesetze verachtet, ungehorsam gegen Eure Obrigkeit seyd, euch gegen
sie zusammenrottiret, und sie durch Gewalt an der Ausübung ihrer
Pflichten verhindert. — Also ihr Bürger von Freyenstein. Ihr habt
euch schwer vergangen, und harte Strafen verdienet; und wenn Ich
euch blos nach dem Gesetze behandeln wollte, so hättet ihr schon die
militärische Hülfe in euren Mauern, um solche zu vollziehen. Allein
es schmerzt Mich, daß ihr von allen Meinen Unterthanen, die ersten
und einzigen seyn sollt, an welchen solche Strenge ausgeübt wird, und
daß ihr auf diese Art, der Schande und Verachtung des ganzen Landes
blosgestellet werdet, wo solche rebellische Widersetzlichkeiten, Gott lob!
unerhört sind. Ich will daher noch ein Mahl die Güte an Euch ver¬
suchen. — Gehet in euch, folget der Stimme und dem Rathe der
guten Menschen, die unter euch sind, und nicht den eigennützigen
Rädelsführer, die euch zu verführen suchen. — Leistet den Bürgereid,
den ihr nach Gesetz und Recht zu leisten schuldig seyd. Gehorchet der
Obrigkeit, und suchet durch eine ruhige und gesetzmäßige Aufführung
doch einmal, den verhaßten Ruf der Widerspenstigkeit von euch abzu¬
wälzen, der schon seit so langen Jahren auf euch ruht und euch
unglücklich macht. Ich bitte euch darum, als ein wohlmeynender Vater,
und befehle es euch, als euer König. Ihr sollt Mir alsdann als
treue und rechtschaffene Unterthanen lieb und werth seyn, und Ich
werde Euch, in allem was recht ist, schützen. Kehrt ihr aber nicht
sogleich zu eurer Pflicht zurück; so wisset, daß ich ein strenges Exempel
an euch statuiren werde, und daß bereits die erforderlichen Befehle
gegeben sind, auf den ersten neuen Unfug das Militär bei euch ein¬
rücken zu lassen, um euch zu harter Strafe abzuführen. Richtet euch
also hiernach, wenn Ich euch das Vergangene vergeben und vergessen
soll, und wenn euch eure eigene Wohlfahrt und die Liebe eures Königs
etwas werth sind. Berlin, den 7. Januar 1798.

Friedrich Wilhelm."

Neben einer solchen Kundgebung königlicher Milde, die mit sichtlicher Freude
in den damaligen Journalen und Zeitungen verbreitet wurde, finden sich jedoch
auch Äußerungen Friedrich Wilhelms des Dritten, ebenfalls aus dem Jahre
1798, die einen ganz anderen Geist atmen. Es sei nur erinnert an die strenge
„Verordnung wegen Verhütung und Bestrafung der die öffentliche Ruhe störenden
Excesse der Studirenden auf sämmtlichen Akademien in den Königlichen Staaten vom


Journalen: „Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmackes", 1798, Bd. I, S. 107f.;
"Königl. Prion. Preußischer Volksfreund", 1798, S. 209 ff. und „der Preußische Staats- und
Volksbote von Berlin", S. 36 ff.
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[0365] Die Aabiucttsorder vom Jahre ^793 „Bürger von Freyenstein I Gern nennte Ich euch Meine lieben Bürger und Unterthanen; aber wie kann Ich das, da Ihr Meine Gesetze verachtet, ungehorsam gegen Eure Obrigkeit seyd, euch gegen sie zusammenrottiret, und sie durch Gewalt an der Ausübung ihrer Pflichten verhindert. — Also ihr Bürger von Freyenstein. Ihr habt euch schwer vergangen, und harte Strafen verdienet; und wenn Ich euch blos nach dem Gesetze behandeln wollte, so hättet ihr schon die militärische Hülfe in euren Mauern, um solche zu vollziehen. Allein es schmerzt Mich, daß ihr von allen Meinen Unterthanen, die ersten und einzigen seyn sollt, an welchen solche Strenge ausgeübt wird, und daß ihr auf diese Art, der Schande und Verachtung des ganzen Landes blosgestellet werdet, wo solche rebellische Widersetzlichkeiten, Gott lob! unerhört sind. Ich will daher noch ein Mahl die Güte an Euch ver¬ suchen. — Gehet in euch, folget der Stimme und dem Rathe der guten Menschen, die unter euch sind, und nicht den eigennützigen Rädelsführer, die euch zu verführen suchen. — Leistet den Bürgereid, den ihr nach Gesetz und Recht zu leisten schuldig seyd. Gehorchet der Obrigkeit, und suchet durch eine ruhige und gesetzmäßige Aufführung doch einmal, den verhaßten Ruf der Widerspenstigkeit von euch abzu¬ wälzen, der schon seit so langen Jahren auf euch ruht und euch unglücklich macht. Ich bitte euch darum, als ein wohlmeynender Vater, und befehle es euch, als euer König. Ihr sollt Mir alsdann als treue und rechtschaffene Unterthanen lieb und werth seyn, und Ich werde Euch, in allem was recht ist, schützen. Kehrt ihr aber nicht sogleich zu eurer Pflicht zurück; so wisset, daß ich ein strenges Exempel an euch statuiren werde, und daß bereits die erforderlichen Befehle gegeben sind, auf den ersten neuen Unfug das Militär bei euch ein¬ rücken zu lassen, um euch zu harter Strafe abzuführen. Richtet euch also hiernach, wenn Ich euch das Vergangene vergeben und vergessen soll, und wenn euch eure eigene Wohlfahrt und die Liebe eures Königs etwas werth sind. Berlin, den 7. Januar 1798. Friedrich Wilhelm." Neben einer solchen Kundgebung königlicher Milde, die mit sichtlicher Freude in den damaligen Journalen und Zeitungen verbreitet wurde, finden sich jedoch auch Äußerungen Friedrich Wilhelms des Dritten, ebenfalls aus dem Jahre 1798, die einen ganz anderen Geist atmen. Es sei nur erinnert an die strenge „Verordnung wegen Verhütung und Bestrafung der die öffentliche Ruhe störenden Excesse der Studirenden auf sämmtlichen Akademien in den Königlichen Staaten vom Journalen: „Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmackes", 1798, Bd. I, S. 107f.; "Königl. Prion. Preußischer Volksfreund", 1798, S. 209 ff. und „der Preußische Staats- und Volksbote von Berlin", S. 36 ff. Grenzboten I 1914 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/365>, abgerufen am 01.01.2025.