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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Die llabinettsorder vom Jahre ^?I8

23. Juli 1798" (unter anderem abgedruckt in den "Jahrbüchern der preußischen
Monarchie unter der Regierung Friedrich Wilhelms des Dritten." Jahrgang
1798 III. Band, S. 47 ff. Berlin 1793.) Hier heißt es an einer Stelle:


"Wir setzen.....hierdurch fest, daß, sobald auf einer Unserer
Akademien dergleichen Excesse vorfallen, die Ausmittelung und Verhaft-
nehmung der Verbrecher nicht mehr den akademischen Gerichten, sondern
dem Polizei - Directorii jeden Orts obliegen soll, welcher sich nöthigen
Falles militärischen Beistand zu erbitten, hierdurch authorisiert wird."

Schließlich darf nicht unerwähnt bleiben, daß noch im Jahre 1798, am
30. Dezember, jene Verordnung "zur Verhütung der Tumulte" vom Könige
erlassen worden ist, die hernach in der am 17. August 1835 ergangenen Ver¬
ordnung "zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der dem Gesetze
schuldigen Achtung" in Erinnerung gebracht worden ist.

Die hier gemachten Mitteilungen aus den Erlassen des Königs im ersten
Jahre seiner Regierung zeigen ihn bald milde, bald streng seinen Untertanen
gegenüber; zeigen aber noch deutlicher, daß es nicht angängig ist, zu parteipoli¬
tischer Zwecken diese oder jene aus dem Zusammenhang gerissene Kundgebung
eines Monarchen zu benutzen. Mit Leichtigkeit könnte man eine ganze Reihe
von Kabinettsorders Friedrichs des Großen anführen"), in denen er bald seinen
Offizieren oder bald dem Zivilstande strenge Bestrafung bei Überschreitung der
ihrem Stande gezogenen Grenzen androht. Die besonderen Umstände und die
besondere Stimmung, die dem Erlaß einer jedesmaligen Kabinettsorder voran¬
gingen, erheischen eine besondere Abfassung des Wortlautes, der zugunsten bald
des einen oder des anderen Standes ausfiel, ohne daß es ratsam wäre, aus
solchen Worten abschließende Urteile über Charaktereigenschaften eines Monarchen
zu fällen.

Vielleicht gelingt es diesen bescheidenen Zellen, die Legende von der Kabinetts¬
order vom 1. Januar 1798, wenn auch nicht zu zerstören, so doch auf lange
Zeit hin zu begraben; denn "nicht in der Wunde zu wühlen, sondern sie zu
heilen" ist die Absicht dieser Ausführungen.





*) Vgl. z. B. die in "Recht und Wirtschaft", Januar 1914, S. 82 mitgeteilte Kabinetts¬
order Friedrichs des Großen.
Die llabinettsorder vom Jahre ^?I8

23. Juli 1798" (unter anderem abgedruckt in den „Jahrbüchern der preußischen
Monarchie unter der Regierung Friedrich Wilhelms des Dritten." Jahrgang
1798 III. Band, S. 47 ff. Berlin 1793.) Hier heißt es an einer Stelle:


„Wir setzen.....hierdurch fest, daß, sobald auf einer Unserer
Akademien dergleichen Excesse vorfallen, die Ausmittelung und Verhaft-
nehmung der Verbrecher nicht mehr den akademischen Gerichten, sondern
dem Polizei - Directorii jeden Orts obliegen soll, welcher sich nöthigen
Falles militärischen Beistand zu erbitten, hierdurch authorisiert wird."

Schließlich darf nicht unerwähnt bleiben, daß noch im Jahre 1798, am
30. Dezember, jene Verordnung „zur Verhütung der Tumulte" vom Könige
erlassen worden ist, die hernach in der am 17. August 1835 ergangenen Ver¬
ordnung „zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der dem Gesetze
schuldigen Achtung" in Erinnerung gebracht worden ist.

Die hier gemachten Mitteilungen aus den Erlassen des Königs im ersten
Jahre seiner Regierung zeigen ihn bald milde, bald streng seinen Untertanen
gegenüber; zeigen aber noch deutlicher, daß es nicht angängig ist, zu parteipoli¬
tischer Zwecken diese oder jene aus dem Zusammenhang gerissene Kundgebung
eines Monarchen zu benutzen. Mit Leichtigkeit könnte man eine ganze Reihe
von Kabinettsorders Friedrichs des Großen anführen"), in denen er bald seinen
Offizieren oder bald dem Zivilstande strenge Bestrafung bei Überschreitung der
ihrem Stande gezogenen Grenzen androht. Die besonderen Umstände und die
besondere Stimmung, die dem Erlaß einer jedesmaligen Kabinettsorder voran¬
gingen, erheischen eine besondere Abfassung des Wortlautes, der zugunsten bald
des einen oder des anderen Standes ausfiel, ohne daß es ratsam wäre, aus
solchen Worten abschließende Urteile über Charaktereigenschaften eines Monarchen
zu fällen.

Vielleicht gelingt es diesen bescheidenen Zellen, die Legende von der Kabinetts¬
order vom 1. Januar 1798, wenn auch nicht zu zerstören, so doch auf lange
Zeit hin zu begraben; denn „nicht in der Wunde zu wühlen, sondern sie zu
heilen" ist die Absicht dieser Ausführungen.





*) Vgl. z. B. die in „Recht und Wirtschaft", Januar 1914, S. 82 mitgeteilte Kabinetts¬
order Friedrichs des Großen.
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[0366] Die llabinettsorder vom Jahre ^?I8 23. Juli 1798" (unter anderem abgedruckt in den „Jahrbüchern der preußischen Monarchie unter der Regierung Friedrich Wilhelms des Dritten." Jahrgang 1798 III. Band, S. 47 ff. Berlin 1793.) Hier heißt es an einer Stelle: „Wir setzen.....hierdurch fest, daß, sobald auf einer Unserer Akademien dergleichen Excesse vorfallen, die Ausmittelung und Verhaft- nehmung der Verbrecher nicht mehr den akademischen Gerichten, sondern dem Polizei - Directorii jeden Orts obliegen soll, welcher sich nöthigen Falles militärischen Beistand zu erbitten, hierdurch authorisiert wird." Schließlich darf nicht unerwähnt bleiben, daß noch im Jahre 1798, am 30. Dezember, jene Verordnung „zur Verhütung der Tumulte" vom Könige erlassen worden ist, die hernach in der am 17. August 1835 ergangenen Ver¬ ordnung „zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der dem Gesetze schuldigen Achtung" in Erinnerung gebracht worden ist. Die hier gemachten Mitteilungen aus den Erlassen des Königs im ersten Jahre seiner Regierung zeigen ihn bald milde, bald streng seinen Untertanen gegenüber; zeigen aber noch deutlicher, daß es nicht angängig ist, zu parteipoli¬ tischer Zwecken diese oder jene aus dem Zusammenhang gerissene Kundgebung eines Monarchen zu benutzen. Mit Leichtigkeit könnte man eine ganze Reihe von Kabinettsorders Friedrichs des Großen anführen"), in denen er bald seinen Offizieren oder bald dem Zivilstande strenge Bestrafung bei Überschreitung der ihrem Stande gezogenen Grenzen androht. Die besonderen Umstände und die besondere Stimmung, die dem Erlaß einer jedesmaligen Kabinettsorder voran¬ gingen, erheischen eine besondere Abfassung des Wortlautes, der zugunsten bald des einen oder des anderen Standes ausfiel, ohne daß es ratsam wäre, aus solchen Worten abschließende Urteile über Charaktereigenschaften eines Monarchen zu fällen. Vielleicht gelingt es diesen bescheidenen Zellen, die Legende von der Kabinetts¬ order vom 1. Januar 1798, wenn auch nicht zu zerstören, so doch auf lange Zeit hin zu begraben; denn „nicht in der Wunde zu wühlen, sondern sie zu heilen" ist die Absicht dieser Ausführungen. *) Vgl. z. B. die in „Recht und Wirtschaft", Januar 1914, S. 82 mitgeteilte Kabinetts¬ order Friedrichs des Großen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/366>, abgerufen am 29.12.2024.