Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Die Kabinettsorder vom Jahre ^793 einer Abteilung des 22. Regiments und Bürgerschützen und Bürgerwehrmännern, Die Kabinettsorder vom Jahre ^793 einer Abteilung des 22. Regiments und Bürgerschützen und Bürgerwehrmännern, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0363" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327829"/> <fw type="header" place="top"> Die Kabinettsorder vom Jahre ^793</fw><lb/> <p xml:id="ID_1705" prev="#ID_1704" next="#ID_1706"> einer Abteilung des 22. Regiments und Bürgerschützen und Bürgerwehrmännern,<lb/> die Unfug treibenden Handwerksburschen nachsetzen wollten, gekommen; das Militär<lb/> gab eine Salve auf die Bürger ab. In der außerordentlich erregten Sitzung<lb/> der Preußischen Nationalversammlung vom 9. August 1848 wurde eine Re¬<lb/> solution angenommen, die von dem Kriegsminister, von Schreckenstein einen<lb/> Erlaß an seine Offiziere, in welchem diesen jeglicher reaktionäre Geist verboten<lb/> werden sollte, forderte. Das Ministerium zögerte mit der Ausführung dieses<lb/> Beschlusses, und im September des gleichen Jahres wurde durch einen schärferen<lb/> Antrag des Abgeordneten Stein auf Erfüllung der Resolution gedrungen. Bei<lb/> dieser Gelegenheit in der denkwürdigen Sitzung vom 7. September 1848 sagte<lb/> der Abgeordnete Gredel u. a. folgendes: „Ich berufe mich auf eine höhere<lb/> Autorität, auf unseren verstorbenen König, welchem die Nachwelt mit Recht den<lb/> Namen des Gerechten beigelegt hat, weil sein Sinn für Gerechtigkeit nach allen<lb/> Seiten und für alle Stände unbeugsam war. Der König erließ — und ich mache<lb/> darauf aufmerksam, unter ganz anderen Verhältnissen, zu einer Zeit, wo das<lb/> Militär noch ganz andere Ansichten über seine Stellung zum Zivil hatte —<lb/> es erließ 1798 Friedrich Wilhelm der Dritte der Gerechte folgenden Tages¬<lb/> befehl: (Es folgt nun die bekannte Kabinettsorder). Freilich waren auch dem<lb/> Abgeordneten Gredel schon Zweifel über die Echtheit der Order zu Ohren<lb/> gekommen, er fügte deshalb folgendes seinen Ausführungen hinzu: „Ich erlaube<lb/> mir, um einem etwaigen Vorwurfe zu begegnen, darauf aufmerksam zu machen,<lb/> daß ich vor einigen Tagen zu meinem nicht geringen Erstaunen gelesen habe,<lb/> daß die Echtheit der erwähnten Kabinettsorder bezweifelt worden ist. Diese<lb/> Kabinettsorder aber ist in allen Werken, in allen Biographien des verstorbenen<lb/> Königs abgedruckt worden . . ., desavouiert ist sie nie geworden. Wir müssen<lb/> sie also so lange als echt anerkennen, bis der Gegenbeweis geliefert worden."<lb/> Der Finanzminister Hansemann hielt dem Abgeordneten Gredel entgegen, daß<lb/> „die Spuren des wirklichen Erlasses nicht ermittelt werden können." Tatsächlich<lb/> erfolgte nun aber in der Schlesischen Zeitung vom 12. September 1848 (Ur. 213)<lb/> eine Berichtigung aus der Feder eines Offiziers, der zufällig Augenzeuge der<lb/> Untersuchungen des Kriegsministers von Boyen 1845 gewesen war. Als dann<lb/> in den ersten Regierungsjahren König Wilhelms des Ersten die von ihm eingeführte<lb/> Militärreform die Gemüter heftig bewegte, hielt es jener ungenannte Offizier<lb/> abermals für nötig, in einem „Eingesandt" am 1. Juni 1861 in der Kreuz-<lb/> Zeitung (Ur. 125) die angebliche Echtheit der „so oft zitierten" Kabinettsorder<lb/> zu widerlegen. Nach mehr als dreißig Jahren tauchte sie abermals wieder<lb/> auf; am 11. Juni 1895 druckte die in Magdeburg erscheinende sozialdemokratische<lb/> Volksstimme (Ur. 133) diese Kabinettsorder aus dem Buch von Biedermann<lb/> „Deutschland im achtzehnten Jahrhundert" ab. Bald danach erklärte der preußische<lb/> Kriegsminister in Ur. 205 des Reichsanzeigers vom 28. August 1895 die Kabinetts¬<lb/> order abermals für eine Fälschung. Doch hiermit war es noch immer nicht<lb/> genug. Bei der Beratung des Militäretats im Deutschen Reichstage berief sich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0363]
Die Kabinettsorder vom Jahre ^793
einer Abteilung des 22. Regiments und Bürgerschützen und Bürgerwehrmännern,
die Unfug treibenden Handwerksburschen nachsetzen wollten, gekommen; das Militär
gab eine Salve auf die Bürger ab. In der außerordentlich erregten Sitzung
der Preußischen Nationalversammlung vom 9. August 1848 wurde eine Re¬
solution angenommen, die von dem Kriegsminister, von Schreckenstein einen
Erlaß an seine Offiziere, in welchem diesen jeglicher reaktionäre Geist verboten
werden sollte, forderte. Das Ministerium zögerte mit der Ausführung dieses
Beschlusses, und im September des gleichen Jahres wurde durch einen schärferen
Antrag des Abgeordneten Stein auf Erfüllung der Resolution gedrungen. Bei
dieser Gelegenheit in der denkwürdigen Sitzung vom 7. September 1848 sagte
der Abgeordnete Gredel u. a. folgendes: „Ich berufe mich auf eine höhere
Autorität, auf unseren verstorbenen König, welchem die Nachwelt mit Recht den
Namen des Gerechten beigelegt hat, weil sein Sinn für Gerechtigkeit nach allen
Seiten und für alle Stände unbeugsam war. Der König erließ — und ich mache
darauf aufmerksam, unter ganz anderen Verhältnissen, zu einer Zeit, wo das
Militär noch ganz andere Ansichten über seine Stellung zum Zivil hatte —
es erließ 1798 Friedrich Wilhelm der Dritte der Gerechte folgenden Tages¬
befehl: (Es folgt nun die bekannte Kabinettsorder). Freilich waren auch dem
Abgeordneten Gredel schon Zweifel über die Echtheit der Order zu Ohren
gekommen, er fügte deshalb folgendes seinen Ausführungen hinzu: „Ich erlaube
mir, um einem etwaigen Vorwurfe zu begegnen, darauf aufmerksam zu machen,
daß ich vor einigen Tagen zu meinem nicht geringen Erstaunen gelesen habe,
daß die Echtheit der erwähnten Kabinettsorder bezweifelt worden ist. Diese
Kabinettsorder aber ist in allen Werken, in allen Biographien des verstorbenen
Königs abgedruckt worden . . ., desavouiert ist sie nie geworden. Wir müssen
sie also so lange als echt anerkennen, bis der Gegenbeweis geliefert worden."
Der Finanzminister Hansemann hielt dem Abgeordneten Gredel entgegen, daß
„die Spuren des wirklichen Erlasses nicht ermittelt werden können." Tatsächlich
erfolgte nun aber in der Schlesischen Zeitung vom 12. September 1848 (Ur. 213)
eine Berichtigung aus der Feder eines Offiziers, der zufällig Augenzeuge der
Untersuchungen des Kriegsministers von Boyen 1845 gewesen war. Als dann
in den ersten Regierungsjahren König Wilhelms des Ersten die von ihm eingeführte
Militärreform die Gemüter heftig bewegte, hielt es jener ungenannte Offizier
abermals für nötig, in einem „Eingesandt" am 1. Juni 1861 in der Kreuz-
Zeitung (Ur. 125) die angebliche Echtheit der „so oft zitierten" Kabinettsorder
zu widerlegen. Nach mehr als dreißig Jahren tauchte sie abermals wieder
auf; am 11. Juni 1895 druckte die in Magdeburg erscheinende sozialdemokratische
Volksstimme (Ur. 133) diese Kabinettsorder aus dem Buch von Biedermann
„Deutschland im achtzehnten Jahrhundert" ab. Bald danach erklärte der preußische
Kriegsminister in Ur. 205 des Reichsanzeigers vom 28. August 1895 die Kabinetts¬
order abermals für eine Fälschung. Doch hiermit war es noch immer nicht
genug. Bei der Beratung des Militäretats im Deutschen Reichstage berief sich
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