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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Die Deutsche lverkbund-Ausstellung in Köln

Dabei kommen wir gar nicht mehr auf den Gedanken, daß vielleicht doch
nicht alles so sein könnte, wie es sollte, und daß es gut ist, auch sein eigenes
Zeitalter mitunter auf Herz und Nieren zu prüfen.

Um im Bilde zu bleiben, wollen wir feststellen, daß einer solchen ein¬
gehenden Prüfung der Deutsche Werkbund seine Entstehung verdankt, dieser
über ganz Deutschland verbreitete Bund, der heute große und kleine industrielle
und gewerbliche Betriebe aller Art, sowie die namhaftesten Architekten und
Künstler vereinigt. In seiner Zusammensetzung schon eine Erscheinung, wie sie
vielseitiger nicht gedacht werden kann.

Um den Charakter der Werkbund-Ausstellung nun klarzulegen, mag es ge¬
stattet sein, in Kürze die Grundsätze auszusprechen, die bei der Gründung des
Werkbundes so verschiedenartige Elemente zusammenführten. Der Werkbund
will dem deutschen Konsumenten beweisen, daß die solideste und beste Arbeit
auch die billigste ist. Er will dem deutschen Produzenten beweisen, daß
dieser Arbeit auch für immer die Zukunft gehört, denn es ist ohne weiteres ein¬
zusehen, daß sie einen Stamm von verlässigen und geschulten Arbeitern erfordert,
den weniger entwickelte Länder nicht von heute auf morgen beschaffen können.
Der Deutsche Werkbund will also mit einem Wort die Qualitätsarbeit, in
der er den besten Schutz unserer Produktion gegen die ausländische Konkurrenz
steht. Einem vergeistigter und veredelten Schaffen mit einer hochstehenden
Arbeiterschaft kann von anderen Ländern keine Gefahr drohen, wenn sie auch
mit noch so billigen Kräften arbeiten; denn das wirklich Gute will gelernt sein,
und nur den Schund kann jeder machen.

Und noch eines will der Werkbund dem Hersteller wie dem Käufer sagen.

Jede Zeit schöpft ihre Formensprache aus sich selbst. Renaissance wie
Rokoko fanden ihren Stil nicht, indem sie ihn mit Absicht züchteten, sondern
indem sie ihr innerstes Wesen in ihren Werken zum Ausdruck brachten. So
will auch der Werkbund nicht einen neuen Stil erzwingen. Er will nur die
Augen dafür öffnen, daß es sinnlos ist, alte Stilformen auf Gegenstände zu
übertragen, die ihre Existenz neuzeitlichen Techniken verdanken. Und er will
jenen Künstlern den Weg bahnen, die um eine neue Formenwelt für uns ringen.

Was dieses Streben bisher gefruchtet hat, wird in Köln gezeigt werden.

Selbstverständlich wurde schon bei dem Bebauungsplan des Ausstellungs¬
geländes allen architektonischen Forderungen, besonders aber den modernen
Grundsätzen des Städtebaues Rechnung getragen, soweit sich das mit den
Zwecken einer Ausstellung vereinigen läßt, die ja in ihrer Bauweise immer das
Zeichen der Vergänglichkeit tragen soll. Die herrliche Lage des Geländes, das
sich am Rhein hinzieht, mit dem Blick auf den Kölner Dom und das ganze
prachtvolle Stadtbild, mußte die Architekten reizen, ihr Allerbestes für diese
AusstellungSbauten herzugeben. Der Gesamtanlageplan wurde von dem Kölner
Beigeordneten Carl Nehorst unter Mitwirkung des Architekten Paul Hohrath
festgelegt.


Die Deutsche lverkbund-Ausstellung in Köln

Dabei kommen wir gar nicht mehr auf den Gedanken, daß vielleicht doch
nicht alles so sein könnte, wie es sollte, und daß es gut ist, auch sein eigenes
Zeitalter mitunter auf Herz und Nieren zu prüfen.

Um im Bilde zu bleiben, wollen wir feststellen, daß einer solchen ein¬
gehenden Prüfung der Deutsche Werkbund seine Entstehung verdankt, dieser
über ganz Deutschland verbreitete Bund, der heute große und kleine industrielle
und gewerbliche Betriebe aller Art, sowie die namhaftesten Architekten und
Künstler vereinigt. In seiner Zusammensetzung schon eine Erscheinung, wie sie
vielseitiger nicht gedacht werden kann.

Um den Charakter der Werkbund-Ausstellung nun klarzulegen, mag es ge¬
stattet sein, in Kürze die Grundsätze auszusprechen, die bei der Gründung des
Werkbundes so verschiedenartige Elemente zusammenführten. Der Werkbund
will dem deutschen Konsumenten beweisen, daß die solideste und beste Arbeit
auch die billigste ist. Er will dem deutschen Produzenten beweisen, daß
dieser Arbeit auch für immer die Zukunft gehört, denn es ist ohne weiteres ein¬
zusehen, daß sie einen Stamm von verlässigen und geschulten Arbeitern erfordert,
den weniger entwickelte Länder nicht von heute auf morgen beschaffen können.
Der Deutsche Werkbund will also mit einem Wort die Qualitätsarbeit, in
der er den besten Schutz unserer Produktion gegen die ausländische Konkurrenz
steht. Einem vergeistigter und veredelten Schaffen mit einer hochstehenden
Arbeiterschaft kann von anderen Ländern keine Gefahr drohen, wenn sie auch
mit noch so billigen Kräften arbeiten; denn das wirklich Gute will gelernt sein,
und nur den Schund kann jeder machen.

Und noch eines will der Werkbund dem Hersteller wie dem Käufer sagen.

Jede Zeit schöpft ihre Formensprache aus sich selbst. Renaissance wie
Rokoko fanden ihren Stil nicht, indem sie ihn mit Absicht züchteten, sondern
indem sie ihr innerstes Wesen in ihren Werken zum Ausdruck brachten. So
will auch der Werkbund nicht einen neuen Stil erzwingen. Er will nur die
Augen dafür öffnen, daß es sinnlos ist, alte Stilformen auf Gegenstände zu
übertragen, die ihre Existenz neuzeitlichen Techniken verdanken. Und er will
jenen Künstlern den Weg bahnen, die um eine neue Formenwelt für uns ringen.

Was dieses Streben bisher gefruchtet hat, wird in Köln gezeigt werden.

Selbstverständlich wurde schon bei dem Bebauungsplan des Ausstellungs¬
geländes allen architektonischen Forderungen, besonders aber den modernen
Grundsätzen des Städtebaues Rechnung getragen, soweit sich das mit den
Zwecken einer Ausstellung vereinigen läßt, die ja in ihrer Bauweise immer das
Zeichen der Vergänglichkeit tragen soll. Die herrliche Lage des Geländes, das
sich am Rhein hinzieht, mit dem Blick auf den Kölner Dom und das ganze
prachtvolle Stadtbild, mußte die Architekten reizen, ihr Allerbestes für diese
AusstellungSbauten herzugeben. Der Gesamtanlageplan wurde von dem Kölner
Beigeordneten Carl Nehorst unter Mitwirkung des Architekten Paul Hohrath
festgelegt.


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[0337] Die Deutsche lverkbund-Ausstellung in Köln Dabei kommen wir gar nicht mehr auf den Gedanken, daß vielleicht doch nicht alles so sein könnte, wie es sollte, und daß es gut ist, auch sein eigenes Zeitalter mitunter auf Herz und Nieren zu prüfen. Um im Bilde zu bleiben, wollen wir feststellen, daß einer solchen ein¬ gehenden Prüfung der Deutsche Werkbund seine Entstehung verdankt, dieser über ganz Deutschland verbreitete Bund, der heute große und kleine industrielle und gewerbliche Betriebe aller Art, sowie die namhaftesten Architekten und Künstler vereinigt. In seiner Zusammensetzung schon eine Erscheinung, wie sie vielseitiger nicht gedacht werden kann. Um den Charakter der Werkbund-Ausstellung nun klarzulegen, mag es ge¬ stattet sein, in Kürze die Grundsätze auszusprechen, die bei der Gründung des Werkbundes so verschiedenartige Elemente zusammenführten. Der Werkbund will dem deutschen Konsumenten beweisen, daß die solideste und beste Arbeit auch die billigste ist. Er will dem deutschen Produzenten beweisen, daß dieser Arbeit auch für immer die Zukunft gehört, denn es ist ohne weiteres ein¬ zusehen, daß sie einen Stamm von verlässigen und geschulten Arbeitern erfordert, den weniger entwickelte Länder nicht von heute auf morgen beschaffen können. Der Deutsche Werkbund will also mit einem Wort die Qualitätsarbeit, in der er den besten Schutz unserer Produktion gegen die ausländische Konkurrenz steht. Einem vergeistigter und veredelten Schaffen mit einer hochstehenden Arbeiterschaft kann von anderen Ländern keine Gefahr drohen, wenn sie auch mit noch so billigen Kräften arbeiten; denn das wirklich Gute will gelernt sein, und nur den Schund kann jeder machen. Und noch eines will der Werkbund dem Hersteller wie dem Käufer sagen. Jede Zeit schöpft ihre Formensprache aus sich selbst. Renaissance wie Rokoko fanden ihren Stil nicht, indem sie ihn mit Absicht züchteten, sondern indem sie ihr innerstes Wesen in ihren Werken zum Ausdruck brachten. So will auch der Werkbund nicht einen neuen Stil erzwingen. Er will nur die Augen dafür öffnen, daß es sinnlos ist, alte Stilformen auf Gegenstände zu übertragen, die ihre Existenz neuzeitlichen Techniken verdanken. Und er will jenen Künstlern den Weg bahnen, die um eine neue Formenwelt für uns ringen. Was dieses Streben bisher gefruchtet hat, wird in Köln gezeigt werden. Selbstverständlich wurde schon bei dem Bebauungsplan des Ausstellungs¬ geländes allen architektonischen Forderungen, besonders aber den modernen Grundsätzen des Städtebaues Rechnung getragen, soweit sich das mit den Zwecken einer Ausstellung vereinigen läßt, die ja in ihrer Bauweise immer das Zeichen der Vergänglichkeit tragen soll. Die herrliche Lage des Geländes, das sich am Rhein hinzieht, mit dem Blick auf den Kölner Dom und das ganze prachtvolle Stadtbild, mußte die Architekten reizen, ihr Allerbestes für diese AusstellungSbauten herzugeben. Der Gesamtanlageplan wurde von dem Kölner Beigeordneten Carl Nehorst unter Mitwirkung des Architekten Paul Hohrath festgelegt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/337>, abgerufen am 29.12.2024.