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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Die Hexe von Mayen

Hans Adel zu bringen und schmunzelte dabei in sich hinein. Denn der Herzog
war, obgleich verheiratet, doch ein galanter Herr, und wer weiß, was das
Fräulein noch erleben konnte. Josias Sehestedt zwirbelte indessen an seinem
Schnurrbart. Seitdem er mit dem Plöner Herzog Kriegsdienste tat, dachte er
nicht allzuviel an seine eigenen Angelegenheiten. Dafür hatte er in Holstein
eine Mutter, die das Gut regierte und Ordnung hielt. Aber er wußte ganz
genau, daß er schon als kleiner Junge mit einer entfernten Base, der Tochter
Caps von Sehestedt, versprochen war. Meistens dachte er nicht daran, und
wenn ihm ein hübsches Mädchen begegnete, machte er ihr verliebte Augen ohne
Gewissensbisse. Aber einmal mußte er doch wieder in die Heimat und ins alte
Schloß, das jetzt nur eine ältere Herrin hatte. Und dann mußte er die Jungfrau
freien, die ihm bestimmt war.

Grill schimpfte noch immer. Sie geberdete sich, als wäre ihr ein großes
Unrecht geschehen, und sie berichtete immer wieder Hexen- und Zauberergeschichten.
Bis Josias die Geduld riß, er sie derb anfaßte und anfuhr.

"Halt das Maul, Weib; du hast Botschaft zu bringen und ich will sie dir
abnehmen. Dann kommst du in mein Zelt und flickst weiter an meinen Ge¬
wändern. Zu essen will ich dir auch geben lassen -- was also schweigst du
nicht still?"

Die Frau nahm sich zusammen und ging demütig einher, während der
Junker Rantzau schon mit Heilung plauderte und ihr von den Fürsten und
Großen berichtete, mit denen man im Heere umging. Leider gab es keine
große Bataillen, sondern nur kleine Scharmützel. Die Franzosen wollten einen
Vorstoß gegen Koblenz machen, wagten es aber doch nicht, und der Luxemburger
hätte die französische Armee gern in die Pfanne gehauen, aber auch dies ließ
sich nicht machen. Darum aber war es doch kein übles Leben im Lager, und
die edle Jungfrau würde schon Bekanntschaften machen.

"Danach verlangt mich richti" entgegnete Heilwig ernsthaft. Dann blieb
sie stehen und atmete tief auf.

"Wie herrlich ist doch die Freiheit, Junker! Ihr habt sie noch nie entbehren
müssen, wer aber wie ich viele Tage in einem engen Turm saß, der weiß,
was sie wert istl"

"Hernach ist es dann eine Aventure!" sagte der Junker lachend, aber sie
schüttelte den Kopf.

"Lieber will ich ein solches nicht mehr erleben!"

Dann redeten die zwei von Holstein und von den dort wohnenden Ge¬
schlechtern, die meistens untereinander verwandt waren. Heilwig hatte den
Junker Rantzau einmal auf einem Fest in Schleswig gesehen, und er entsann
sich auch, mit ihr getanzt zu haben.

"Als Ihr meinen Namen nanntet, wußte ich Bescheid!" versicherte er treu¬
herzig, und obwohl ihm Heilwig nicht recht glaubte, so war sie doch zu froh,
um mit ihm zu rechten.


Die Hexe von Mayen

Hans Adel zu bringen und schmunzelte dabei in sich hinein. Denn der Herzog
war, obgleich verheiratet, doch ein galanter Herr, und wer weiß, was das
Fräulein noch erleben konnte. Josias Sehestedt zwirbelte indessen an seinem
Schnurrbart. Seitdem er mit dem Plöner Herzog Kriegsdienste tat, dachte er
nicht allzuviel an seine eigenen Angelegenheiten. Dafür hatte er in Holstein
eine Mutter, die das Gut regierte und Ordnung hielt. Aber er wußte ganz
genau, daß er schon als kleiner Junge mit einer entfernten Base, der Tochter
Caps von Sehestedt, versprochen war. Meistens dachte er nicht daran, und
wenn ihm ein hübsches Mädchen begegnete, machte er ihr verliebte Augen ohne
Gewissensbisse. Aber einmal mußte er doch wieder in die Heimat und ins alte
Schloß, das jetzt nur eine ältere Herrin hatte. Und dann mußte er die Jungfrau
freien, die ihm bestimmt war.

Grill schimpfte noch immer. Sie geberdete sich, als wäre ihr ein großes
Unrecht geschehen, und sie berichtete immer wieder Hexen- und Zauberergeschichten.
Bis Josias die Geduld riß, er sie derb anfaßte und anfuhr.

„Halt das Maul, Weib; du hast Botschaft zu bringen und ich will sie dir
abnehmen. Dann kommst du in mein Zelt und flickst weiter an meinen Ge¬
wändern. Zu essen will ich dir auch geben lassen — was also schweigst du
nicht still?"

Die Frau nahm sich zusammen und ging demütig einher, während der
Junker Rantzau schon mit Heilung plauderte und ihr von den Fürsten und
Großen berichtete, mit denen man im Heere umging. Leider gab es keine
große Bataillen, sondern nur kleine Scharmützel. Die Franzosen wollten einen
Vorstoß gegen Koblenz machen, wagten es aber doch nicht, und der Luxemburger
hätte die französische Armee gern in die Pfanne gehauen, aber auch dies ließ
sich nicht machen. Darum aber war es doch kein übles Leben im Lager, und
die edle Jungfrau würde schon Bekanntschaften machen.

„Danach verlangt mich richti" entgegnete Heilwig ernsthaft. Dann blieb
sie stehen und atmete tief auf.

„Wie herrlich ist doch die Freiheit, Junker! Ihr habt sie noch nie entbehren
müssen, wer aber wie ich viele Tage in einem engen Turm saß, der weiß,
was sie wert istl"

„Hernach ist es dann eine Aventure!" sagte der Junker lachend, aber sie
schüttelte den Kopf.

„Lieber will ich ein solches nicht mehr erleben!"

Dann redeten die zwei von Holstein und von den dort wohnenden Ge¬
schlechtern, die meistens untereinander verwandt waren. Heilwig hatte den
Junker Rantzau einmal auf einem Fest in Schleswig gesehen, und er entsann
sich auch, mit ihr getanzt zu haben.

„Als Ihr meinen Namen nanntet, wußte ich Bescheid!" versicherte er treu¬
herzig, und obwohl ihm Heilwig nicht recht glaubte, so war sie doch zu froh,
um mit ihm zu rechten.


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[0334] Die Hexe von Mayen Hans Adel zu bringen und schmunzelte dabei in sich hinein. Denn der Herzog war, obgleich verheiratet, doch ein galanter Herr, und wer weiß, was das Fräulein noch erleben konnte. Josias Sehestedt zwirbelte indessen an seinem Schnurrbart. Seitdem er mit dem Plöner Herzog Kriegsdienste tat, dachte er nicht allzuviel an seine eigenen Angelegenheiten. Dafür hatte er in Holstein eine Mutter, die das Gut regierte und Ordnung hielt. Aber er wußte ganz genau, daß er schon als kleiner Junge mit einer entfernten Base, der Tochter Caps von Sehestedt, versprochen war. Meistens dachte er nicht daran, und wenn ihm ein hübsches Mädchen begegnete, machte er ihr verliebte Augen ohne Gewissensbisse. Aber einmal mußte er doch wieder in die Heimat und ins alte Schloß, das jetzt nur eine ältere Herrin hatte. Und dann mußte er die Jungfrau freien, die ihm bestimmt war. Grill schimpfte noch immer. Sie geberdete sich, als wäre ihr ein großes Unrecht geschehen, und sie berichtete immer wieder Hexen- und Zauberergeschichten. Bis Josias die Geduld riß, er sie derb anfaßte und anfuhr. „Halt das Maul, Weib; du hast Botschaft zu bringen und ich will sie dir abnehmen. Dann kommst du in mein Zelt und flickst weiter an meinen Ge¬ wändern. Zu essen will ich dir auch geben lassen — was also schweigst du nicht still?" Die Frau nahm sich zusammen und ging demütig einher, während der Junker Rantzau schon mit Heilung plauderte und ihr von den Fürsten und Großen berichtete, mit denen man im Heere umging. Leider gab es keine große Bataillen, sondern nur kleine Scharmützel. Die Franzosen wollten einen Vorstoß gegen Koblenz machen, wagten es aber doch nicht, und der Luxemburger hätte die französische Armee gern in die Pfanne gehauen, aber auch dies ließ sich nicht machen. Darum aber war es doch kein übles Leben im Lager, und die edle Jungfrau würde schon Bekanntschaften machen. „Danach verlangt mich richti" entgegnete Heilwig ernsthaft. Dann blieb sie stehen und atmete tief auf. „Wie herrlich ist doch die Freiheit, Junker! Ihr habt sie noch nie entbehren müssen, wer aber wie ich viele Tage in einem engen Turm saß, der weiß, was sie wert istl" „Hernach ist es dann eine Aventure!" sagte der Junker lachend, aber sie schüttelte den Kopf. „Lieber will ich ein solches nicht mehr erleben!" Dann redeten die zwei von Holstein und von den dort wohnenden Ge¬ schlechtern, die meistens untereinander verwandt waren. Heilwig hatte den Junker Rantzau einmal auf einem Fest in Schleswig gesehen, und er entsann sich auch, mit ihr getanzt zu haben. „Als Ihr meinen Namen nanntet, wußte ich Bescheid!" versicherte er treu¬ herzig, und obwohl ihm Heilwig nicht recht glaubte, so war sie doch zu froh, um mit ihm zu rechten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/334>, abgerufen am 01.01.2025.