Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Die Hexe von Mayen "Gut, daß wir dies Nest nicht mit Sturm zu nehmen haben, da würde "Sie haben hier alle ganz unverschämte MauernI" erwiderte Jostas, "Der Herzog ist heut guter Dinge gewesen!" begann Daniel von neuem. "Er hat ja auch nur ein kleines Land!" erwiderte Jostas und wischte "Bruderherz, was wollen wir eigentlich hier, zwischen all den Fremden? "Ja, ja!" Jostas nickte. "Immer im Lager zu liegen, ist kein Spaß, "Meinetwegen!" murrte der andere Junker. "Ich würde dir schon bei¬ "Hallo, schöne Maid, was hast du dich in Männerkleider gesteckt?" Er griff nach einem schlanken Jungen, der langsam, in Begleitung einer "Was redet der Herr? Ich hab ihn aufgelesen und will ihn ins Lager Aber Rantzau faßte den sich sträubenden nur derber. "Altes Weib, kannst du kein Langhaar von den Männern unterscheiden? Im nächsten Augenblick fuhr er zurück, griff sich an die Backe und wollte "Schämt Euch, Junker Rantzau, Eures schlechten Betragens! Ich dachte, Heilwigs Stimme klang hell, sie riß die Lederkappe vom Kopf und die Grill schlug die Hände zusammen. Die Hexe von Mayen „Gut, daß wir dies Nest nicht mit Sturm zu nehmen haben, da würde „Sie haben hier alle ganz unverschämte MauernI" erwiderte Jostas, „Der Herzog ist heut guter Dinge gewesen!" begann Daniel von neuem. „Er hat ja auch nur ein kleines Land!" erwiderte Jostas und wischte „Bruderherz, was wollen wir eigentlich hier, zwischen all den Fremden? „Ja, ja!" Jostas nickte. „Immer im Lager zu liegen, ist kein Spaß, „Meinetwegen!" murrte der andere Junker. „Ich würde dir schon bei¬ „Hallo, schöne Maid, was hast du dich in Männerkleider gesteckt?" Er griff nach einem schlanken Jungen, der langsam, in Begleitung einer „Was redet der Herr? Ich hab ihn aufgelesen und will ihn ins Lager Aber Rantzau faßte den sich sträubenden nur derber. „Altes Weib, kannst du kein Langhaar von den Männern unterscheiden? Im nächsten Augenblick fuhr er zurück, griff sich an die Backe und wollte „Schämt Euch, Junker Rantzau, Eures schlechten Betragens! Ich dachte, Heilwigs Stimme klang hell, sie riß die Lederkappe vom Kopf und die Grill schlug die Hände zusammen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327798"/> <fw type="header" place="top"> Die Hexe von Mayen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1542"> „Gut, daß wir dies Nest nicht mit Sturm zu nehmen haben, da würde<lb/> es blutige Köpfe geben!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1543"> „Sie haben hier alle ganz unverschämte MauernI" erwiderte Jostas,<lb/> während er sich auf einen Vorsprung setzte und starr vor sich hinsah. Denn<lb/> seine Gedanken waren noch umnebelt, und er wollte es sich nicht merken lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1544"> „Der Herzog ist heut guter Dinge gewesen!" begann Daniel von neuem.<lb/> „Luftiger als der Lothringer. Der macht meistens eine Fratze und man könnte<lb/> Leibschmerzen davon kriegen! Aber er ist der Kommandierende und unser Herzog<lb/> ist nur einer von den Untergebenen!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1545"> „Er hat ja auch nur ein kleines Land!" erwiderte Jostas und wischte<lb/> sich die Augen. Ihm wurde sehr wehmütig zu Sinn und auch der Rantzau<lb/> weinte fast.</p><lb/> <p xml:id="ID_1546"> „Bruderherz, was wollen wir eigentlich hier, zwischen all den Fremden?<lb/> Weißt was? Wir könnten nach Haus reiten! Es gibt ja doch kein Vergnügen<lb/> hier — ein paar Gefechte, das ist bis dahin alles gewesen. Das können wir<lb/> auch in Holstein haben, wenn wir auf dem Kieler Umschlag gehen und uns<lb/> mit den Kieler Bürgerssöhnen hauen!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1547"> „Ja, ja!" Jostas nickte. „Immer im Lager zu liegen, ist kein Spaß,<lb/> ich hab auch schon gedacht, wenn es bald keine ordentlische Schlacht gibt, dann<lb/> kann man nach Haus reiten. 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Die Hexe von Mayen
„Gut, daß wir dies Nest nicht mit Sturm zu nehmen haben, da würde
es blutige Köpfe geben!"
„Sie haben hier alle ganz unverschämte MauernI" erwiderte Jostas,
während er sich auf einen Vorsprung setzte und starr vor sich hinsah. Denn
seine Gedanken waren noch umnebelt, und er wollte es sich nicht merken lassen.
„Der Herzog ist heut guter Dinge gewesen!" begann Daniel von neuem.
„Luftiger als der Lothringer. Der macht meistens eine Fratze und man könnte
Leibschmerzen davon kriegen! Aber er ist der Kommandierende und unser Herzog
ist nur einer von den Untergebenen!"
„Er hat ja auch nur ein kleines Land!" erwiderte Jostas und wischte
sich die Augen. Ihm wurde sehr wehmütig zu Sinn und auch der Rantzau
weinte fast.
„Bruderherz, was wollen wir eigentlich hier, zwischen all den Fremden?
Weißt was? Wir könnten nach Haus reiten! Es gibt ja doch kein Vergnügen
hier — ein paar Gefechte, das ist bis dahin alles gewesen. Das können wir
auch in Holstein haben, wenn wir auf dem Kieler Umschlag gehen und uns
mit den Kieler Bürgerssöhnen hauen!"
„Ja, ja!" Jostas nickte. „Immer im Lager zu liegen, ist kein Spaß,
ich hab auch schon gedacht, wenn es bald keine ordentlische Schlacht gibt, dann
kann man nach Haus reiten. Zwar —", er besann sich einen Augenblick.
„Herzbruder, unser Hans Adolf hat eine gute Idee gehabt, nur, daß ich sie
nicht mehr weiß. Sie wird mir schon wieder in den Sinn kommen und dann
glaube ich, können wir die Franzen auch einmal von uns aus prügeln, und
nicht allein vom deutschen Kaiser aus, der mir nicht am Herzen liegt!"
„Meinetwegen!" murrte der andere Junker. „Ich würde dir schon bei¬
stehen, wenn es was zu Schlagen gäbe, aber —" er wandte sich kurz um.
„Hallo, schöne Maid, was hast du dich in Männerkleider gesteckt?"
Er griff nach einem schlanken Jungen, der langsam, in Begleitung einer
älteren Frau am Flußweg entlangkam. Es war noch nicht ganz dunkel; als
der Junker nach dem Knaben langte, stieß das Weib einen Schrei aus.
„Was redet der Herr? Ich hab ihn aufgelesen und will ihn ins Lager
bringen!"
Aber Rantzau faßte den sich sträubenden nur derber.
„Altes Weib, kannst du kein Langhaar von den Männern unterscheiden?
Komm Dirn, gib mir einen Kuß und sag mir, wohin ich dich bringen soll!"
Im nächsten Augenblick fuhr er zurück, griff sich an die Backe und wollte
ein Schimpfwort sagen. Es blieb ihm aber im Munde stecken.
„Schämt Euch, Junker Rantzau, Eures schlechten Betragens! Ich dachte,
Ihr wäret immer gut zu armen Weibern und dächtet an Mutter und Schwester!"
Heilwigs Stimme klang hell, sie riß die Lederkappe vom Kopf und die
Haarflechten fielen ihr lang über die Schultern.
Grill schlug die Hände zusammen.
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