Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Die Hexe von lNayen "Ihr meint, Herr Herzog, daß die Franzosen tapferer sind als das Karl trank langsam seinen Becher aus. "Was weiß ich? Wenn der Sommer kommt, wird Turenne zeigen, was "Es ist übel, daß die Katholischen einander gegenüberstehen, und daß "Drei lutherische Herzöge habe ich mit mir. Einer von ihnen, Ernst Der Kurfürst schauderte ein wenig zusammen und schlug unter dem Tisch¬ Im Zelt des Lothringers fand dieses Fest statt, an dem nur die Vor¬ Der Lothringer sagte nichts mehr. Er lehnte sich in seinen Sessel zurück Die Hexe von lNayen „Ihr meint, Herr Herzog, daß die Franzosen tapferer sind als das Karl trank langsam seinen Becher aus. „Was weiß ich? Wenn der Sommer kommt, wird Turenne zeigen, was „Es ist übel, daß die Katholischen einander gegenüberstehen, und daß „Drei lutherische Herzöge habe ich mit mir. Einer von ihnen, Ernst Der Kurfürst schauderte ein wenig zusammen und schlug unter dem Tisch¬ Im Zelt des Lothringers fand dieses Fest statt, an dem nur die Vor¬ Der Lothringer sagte nichts mehr. Er lehnte sich in seinen Sessel zurück <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0330" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327796"/> <fw type="header" place="top"> Die Hexe von lNayen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1529"> „Ihr meint, Herr Herzog, daß die Franzosen tapferer sind als das<lb/> Reichsheer?"</p><lb/> <p xml:id="ID_1530"> Karl trank langsam seinen Becher aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1531"> „Was weiß ich? Wenn der Sommer kommt, wird Turenne zeigen, was<lb/> er kann, und Montecucculi auch."</p><lb/> <p xml:id="ID_1532"> „Es ist übel, daß die Katholischen einander gegenüberstehen, und daß<lb/> Eure Liebden an der Spitze der Ketzer steht!" seufzte der Kurfürst, worauf<lb/> sich der Lothringer von dem Pagen hinter ihm noch einmal den Becher<lb/> füllen ließ.</p><lb/> <p xml:id="ID_1533"> „Drei lutherische Herzöge habe ich mit mir. Einer von ihnen, Ernst<lb/> August, war sogar ein evangelischer Bischof, bis er ein Weib nahm. Und der<lb/> Holsteiner, der neben ihm sitzt, Hans Adel von Plön, ist einer, vor dem nichts<lb/> standhält. Er hat den Kugelsegen und ist nie getroffen worden. So Eure<lb/> Liebden einmal mit uns eine Schlacht kämpfen wollen, ist es geraten, sich in<lb/> der Nähe des Plöners zu halten."</p><lb/> <p xml:id="ID_1534"> Der Kurfürst schauderte ein wenig zusammen und schlug unter dem Tisch¬<lb/> tuch ein Kreuz. Dann aber sah er neugierig zu dem Herzog hinüber, der ihm<lb/> schräg gegenüber saß und eifrig mit einem der geistlichen Kämmerer von<lb/> Koblenz plauderte. Er war mit großer Pracht gekleidet, hatte das eigene,<lb/> dunkle Haar lose bis über den gestickten Kragen hängen, und sein sonnen¬<lb/> verbranntes Gesicht trug einen Ausdruck des Behagens. Denn der geistliche<lb/> Herr erzählte eine lustige Geschichte nach der anderen, und nichts war dem Herzog<lb/> lieber, als einmal herzlich lachen zu können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1535"> Im Zelt des Lothringers fand dieses Fest statt, an dem nur die Vor¬<lb/> nehmsten des Heeres und der kurfürstlichen Begleitung teilnahmen. Nebenan<lb/> war dann noch ein einfacheres Zelt errichtet, in dem die höheren Offiziere und<lb/> die adeligen Rheinländer tafelten. Der Kurfürst musterte halb ängstlich die<lb/> Gesichter der evangelischen Herzöge und mußte immer wieder nach Ernst August<lb/> sehen, der einstmals ein Bischof gewesen war und nun ein Kriegsmann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1536" next="#ID_1537"> Der Lothringer sagte nichts mehr. Er lehnte sich in seinen Sessel zurück<lb/> und sah finster vor sich hin. War er doch von den Franzosen um sein Land<lb/> gebracht worden, und das Deutsche Reich hatte ihm nicht beigestanden, wieder<lb/> in seine Rechte eingesetzt zu werden. Nun war er ein umherirrender Fürst,<lb/> manchmal hatte er Lust, sich an die Franzosen zu machen, um von ihnen sein<lb/> Land wiederzubekommen: dann erfuhr er, daß Ludwig ihm sicher nichts wieder¬<lb/> geben würde und er diente dem deutschen Kaiser weiter, wenn auch ungern.<lb/> I^si ieu, in Neu, das war der bittere Spruch, den er auf sein Wappen geschrieben<lb/> hatte. Zwar hoffte er noch immer, die Franzosen so zu besiegen, daß er sich<lb/> an ihnen rächen konnte, aber die Freudigkeit des Kampfes war doch nicht in<lb/> ihm. Sie sprach mehr aus den Gesichtern der drei Herzöge, die unter ihm<lb/> dienten. Mit Freuden kämpften sie gegen den Feind, der Deutschland verkleinern<lb/> wollte, und sie sprachen zornig von Wilhelm Egon von Fürstenberg, dem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0330]
Die Hexe von lNayen
„Ihr meint, Herr Herzog, daß die Franzosen tapferer sind als das
Reichsheer?"
Karl trank langsam seinen Becher aus.
„Was weiß ich? Wenn der Sommer kommt, wird Turenne zeigen, was
er kann, und Montecucculi auch."
„Es ist übel, daß die Katholischen einander gegenüberstehen, und daß
Eure Liebden an der Spitze der Ketzer steht!" seufzte der Kurfürst, worauf
sich der Lothringer von dem Pagen hinter ihm noch einmal den Becher
füllen ließ.
„Drei lutherische Herzöge habe ich mit mir. Einer von ihnen, Ernst
August, war sogar ein evangelischer Bischof, bis er ein Weib nahm. Und der
Holsteiner, der neben ihm sitzt, Hans Adel von Plön, ist einer, vor dem nichts
standhält. Er hat den Kugelsegen und ist nie getroffen worden. So Eure
Liebden einmal mit uns eine Schlacht kämpfen wollen, ist es geraten, sich in
der Nähe des Plöners zu halten."
Der Kurfürst schauderte ein wenig zusammen und schlug unter dem Tisch¬
tuch ein Kreuz. Dann aber sah er neugierig zu dem Herzog hinüber, der ihm
schräg gegenüber saß und eifrig mit einem der geistlichen Kämmerer von
Koblenz plauderte. Er war mit großer Pracht gekleidet, hatte das eigene,
dunkle Haar lose bis über den gestickten Kragen hängen, und sein sonnen¬
verbranntes Gesicht trug einen Ausdruck des Behagens. Denn der geistliche
Herr erzählte eine lustige Geschichte nach der anderen, und nichts war dem Herzog
lieber, als einmal herzlich lachen zu können.
Im Zelt des Lothringers fand dieses Fest statt, an dem nur die Vor¬
nehmsten des Heeres und der kurfürstlichen Begleitung teilnahmen. Nebenan
war dann noch ein einfacheres Zelt errichtet, in dem die höheren Offiziere und
die adeligen Rheinländer tafelten. Der Kurfürst musterte halb ängstlich die
Gesichter der evangelischen Herzöge und mußte immer wieder nach Ernst August
sehen, der einstmals ein Bischof gewesen war und nun ein Kriegsmann.
Der Lothringer sagte nichts mehr. Er lehnte sich in seinen Sessel zurück
und sah finster vor sich hin. War er doch von den Franzosen um sein Land
gebracht worden, und das Deutsche Reich hatte ihm nicht beigestanden, wieder
in seine Rechte eingesetzt zu werden. Nun war er ein umherirrender Fürst,
manchmal hatte er Lust, sich an die Franzosen zu machen, um von ihnen sein
Land wiederzubekommen: dann erfuhr er, daß Ludwig ihm sicher nichts wieder¬
geben würde und er diente dem deutschen Kaiser weiter, wenn auch ungern.
I^si ieu, in Neu, das war der bittere Spruch, den er auf sein Wappen geschrieben
hatte. Zwar hoffte er noch immer, die Franzosen so zu besiegen, daß er sich
an ihnen rächen konnte, aber die Freudigkeit des Kampfes war doch nicht in
ihm. Sie sprach mehr aus den Gesichtern der drei Herzöge, die unter ihm
dienten. Mit Freuden kämpften sie gegen den Feind, der Deutschland verkleinern
wollte, und sie sprachen zornig von Wilhelm Egon von Fürstenberg, dem
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