Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Die Hexe von Mayen Roman Lharlotte Niese von (Sechste Fortsetzung) Im Lager zu Andernach gab der Lothringer ein Fest. Der Kurfürst aus "Eure Liebden sollte das Klagen lassen!" sagte er jetzt. "Wir tun unsere Die Hexe von Mayen Roman Lharlotte Niese von (Sechste Fortsetzung) Im Lager zu Andernach gab der Lothringer ein Fest. Der Kurfürst aus „Eure Liebden sollte das Klagen lassen!" sagte er jetzt. „Wir tun unsere <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0329" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327795"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341899_327465/figures/grenzboten_341899_327465_327795_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Die Hexe von Mayen<lb/> Roman<lb/><note type="byline"> Lharlotte Niese</note> von<lb/> (Sechste Fortsetzung)</head><lb/> <p xml:id="ID_1527"> Im Lager zu Andernach gab der Lothringer ein Fest. Der Kurfürst aus<lb/> Ehrenbreitstein war dazu gekommen und mit ihm viele rheinische Herren vom<lb/> Adel, die im Wein und bei leckeren Mahle ihren Zorn und Grimm zu ertränken<lb/> dachten. Aber es gelang ihnen nicht ganz. Zuviele waren unter ihnen, deren<lb/> Burgen von den Franzosen verbrannt waren, oder die in Trier ihr Eigentum<lb/> verloren hatten. Denn Herr Peter von Vignory, der französische General, fand<lb/> Freude daran, allgemach alles zu zerstören und zu rauben, was in der Bischof¬<lb/> stadt von Wert war. Also sprachen die Herren meistens von ihren Verlusten<lb/> und von ihrem Wunsch, den Feind bald wieder aus dem Lande zu jagen. Auch<lb/> der Kurfürst konnte nicht umhin, eine Beschreibung seiner eigenen Verluste zu<lb/> geben und zu berichten, wie unfreundlich die feindlichen Heerführer mit allem<lb/> geistlichen Eigentum umgesprungen waren und vermutlich noch umsprangen.<lb/> Der Kurfürst Johann Kaspar von der Leyen war ein mittelgroßer Herr, dem<lb/> man den geistlichen Würdenträger nicht gerade ansah. Er trank gern ein gutes<lb/> Glas Wein und war den Freuden des Lebens und der höfischen Pracht nicht<lb/> abgeneigt. Er war aus vornehmem rheinischen Geschlecht und von seiner Fa¬<lb/> milie zum geistlichen Amt bestimmt worden, weil er ein jüngerer Sohn war,<lb/> dem man ein sorgenloses Leben wünschte. In diesem Augenblick aber war auch<lb/> fein Leben nicht leicht, und er redete eifrig auf den Lothringer ein, neben dem<lb/> er faß, und der gleichmütig auf feine Klagen hörte. Denn der Lothringer Franz<lb/> war wohl ein guter Feldherr, aber mit der hohen Geistlichkeit hatte er nicht<lb/> allzuviel im Sinn.</p><lb/> <p xml:id="ID_1528"> „Eure Liebden sollte das Klagen lassen!" sagte er jetzt. „Wir tun unsere<lb/> Schuldigkeit und des Kaisers Majestät hat dies auch anerkannt, indem er mir<lb/> ein gnädiges Handschreiben gesandt und mir den Orden zum goldenen Vließe<lb/> versprochen hat. Aber Montecucculi ist nun einmal der Höchstkommandierende<lb/> und ihm gefällt ein Kleinkrieg mehr als eine ordentliche Schlacht. Muß wohl<lb/> seine Gründe dazu haben, da er seine Leute kennt und auch die Franzosen!"</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0329]
[Abbildung]
Die Hexe von Mayen
Roman
Lharlotte Niese von
(Sechste Fortsetzung)
Im Lager zu Andernach gab der Lothringer ein Fest. Der Kurfürst aus
Ehrenbreitstein war dazu gekommen und mit ihm viele rheinische Herren vom
Adel, die im Wein und bei leckeren Mahle ihren Zorn und Grimm zu ertränken
dachten. Aber es gelang ihnen nicht ganz. Zuviele waren unter ihnen, deren
Burgen von den Franzosen verbrannt waren, oder die in Trier ihr Eigentum
verloren hatten. Denn Herr Peter von Vignory, der französische General, fand
Freude daran, allgemach alles zu zerstören und zu rauben, was in der Bischof¬
stadt von Wert war. Also sprachen die Herren meistens von ihren Verlusten
und von ihrem Wunsch, den Feind bald wieder aus dem Lande zu jagen. Auch
der Kurfürst konnte nicht umhin, eine Beschreibung seiner eigenen Verluste zu
geben und zu berichten, wie unfreundlich die feindlichen Heerführer mit allem
geistlichen Eigentum umgesprungen waren und vermutlich noch umsprangen.
Der Kurfürst Johann Kaspar von der Leyen war ein mittelgroßer Herr, dem
man den geistlichen Würdenträger nicht gerade ansah. Er trank gern ein gutes
Glas Wein und war den Freuden des Lebens und der höfischen Pracht nicht
abgeneigt. Er war aus vornehmem rheinischen Geschlecht und von seiner Fa¬
milie zum geistlichen Amt bestimmt worden, weil er ein jüngerer Sohn war,
dem man ein sorgenloses Leben wünschte. In diesem Augenblick aber war auch
fein Leben nicht leicht, und er redete eifrig auf den Lothringer ein, neben dem
er faß, und der gleichmütig auf feine Klagen hörte. Denn der Lothringer Franz
war wohl ein guter Feldherr, aber mit der hohen Geistlichkeit hatte er nicht
allzuviel im Sinn.
„Eure Liebden sollte das Klagen lassen!" sagte er jetzt. „Wir tun unsere
Schuldigkeit und des Kaisers Majestät hat dies auch anerkannt, indem er mir
ein gnädiges Handschreiben gesandt und mir den Orden zum goldenen Vließe
versprochen hat. Aber Montecucculi ist nun einmal der Höchstkommandierende
und ihm gefällt ein Kleinkrieg mehr als eine ordentliche Schlacht. Muß wohl
seine Gründe dazu haben, da er seine Leute kennt und auch die Franzosen!"
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