Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.IVeltpolitik, von Frankreich aus gesehen syrischen Plänen weiter nach, aber eine zu weite Abgrenzung der dort ge¬ Nun hat aber Frankreich nicht nur England seine besondere Mittelmeer¬ Jedenfalls bleibt das französische Mittelmeerprogramm auch nach endgültigem te
IVeltpolitik, von Frankreich aus gesehen syrischen Plänen weiter nach, aber eine zu weite Abgrenzung der dort ge¬ Nun hat aber Frankreich nicht nur England seine besondere Mittelmeer¬ Jedenfalls bleibt das französische Mittelmeerprogramm auch nach endgültigem te
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0303" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327769"/> <fw type="header" place="top"> IVeltpolitik, von Frankreich aus gesehen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1458" prev="#ID_1457"> syrischen Plänen weiter nach, aber eine zu weite Abgrenzung der dort ge¬<lb/> steckten Ziele würde auf britische Besorgnisse wegen der ägyptischen Ostflanke<lb/> und der Verbindung zwischen Ägypten und Indien stoßen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1459"> Nun hat aber Frankreich nicht nur England seine besondere Mittelmeer¬<lb/> position notgedrungen einräumen müssen, sondern es steht auch andere Mittel¬<lb/> meermächte ihre Kräfte entfalten. Die Hoffnung, daß die italienische und öster¬<lb/> reichische Flotte bei ihrem neu ins Werk gesetzten Aufbau einander in der Adria<lb/> binden würden, ist erschüttert durch das für Italien neugeschaffene Interesse, die<lb/> italienische Verbindung zwischen dem Mutterlande und der nordafrikanischen<lb/> Küste sicherzustellen, und durch die in zeitlichem Anschluß hieran ermöglichte<lb/> italienisch-österreichische Verständigung über Albanien. Frankreich muß nun¬<lb/> mehr, zumal die Ereignisse auch ein deutsches Geschwader ins Mittelmeer geführt<lb/> haben, mit vereinigten maritimen Dreibundkräften im Mittelmeer rechnen. Unter<lb/> diesen Umständen ist es begreiflicherweise darauf bedacht, seinerseits neue Ver¬<lb/> bündete im Mittelmeer zu gewinnen, und bemüht sich daher so eifrig um die<lb/> Gunst Griechenlands, die man mit der Gewährung finanzieller Mittel erschmeicheln<lb/> oder mit ihrer Versagung ertrotzen will. Freilich muß Frankreich mit der<lb/> Möglichkeit rechnen, hier eine Schlange am Busen zu nähren; denn je mehr<lb/> Griechenland zur Erstarkung gebracht wird, umso weitgreifender werden die Ziele<lb/> seiner Politik im östlichen Mittelmeer und auch bezüglich Vorderasiens werden,<lb/> wo sie schließlich mit den französischen bedenklich rivalisieren könnten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1460" next="#ID_1461"> Jedenfalls bleibt das französische Mittelmeerprogramm auch nach endgültigem<lb/> Verzicht auf Ägypten umfassend genug. Es erstreckt sich einerseits auf Teile<lb/> Vorderasiens, auf die man einen alten Anspruch zu haben glaubt, andererseits<lb/> auf das weiteste Hinterland der nordafrikanischen Westküste, auf die Abrundung<lb/> des französischen Nordafrikareiches, womöglich bis zu den Kongoquellen. Frank¬<lb/> reich wäre jederzeit gern am Werk, nicht nur das trotz des deutsch-französischen<lb/> Marokko-Kongo-Abkommens noch bestehende französische Vorkaufsrecht aus die<lb/> belgische Kongokolonie auszuüben, sondern auch das europäische Mutterland<lb/> dieser Kolonie als eine Art französischer Provinz zu behandeln, wenn nicht der<lb/> mächtige Nachbar im Osten wäre, der in seiner Stärke Frankreich daran ver¬<lb/> hindert, die östlichen Ausbreitungstendenzen seiner europäischen Politik verfolgen<lb/> zu können. Dieses Hindernis wird in Frankreich um so schwerer empfunden, als<lb/> man der Einsicht ist, es nicht aus eigener Kraft beseitigen zu können. Man<lb/> will afrikanische Hilfstruppen mit heranziehen — ein Grund mehr, auf die<lb/> volle und unerschütterliche Seeherrschaft Frankreichs, wenigstens im westlichen<lb/> Mittelmeer, bedacht zu sein — und man will fremde Hilfe im reichlichsten Maße<lb/> gegen Deutschland zur Verfügung haben. Die französisch-englische Verständigung<lb/> verfolgt ja eben den doppelten Zweck, im Mittelmeer für Frankreich freiere Hand<lb/> zu erlangen, in der Nordsee und an der Nordwestgrenze Deutschland durch eine<lb/> andere Macht bedrohen lassen zu können. Wesentlich entscheidend aber für die <<lb/> Möglichkeit, ohne Überanstrengung der eigenen französischen Kräfte mit Deutsch¬</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> te</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0303]
IVeltpolitik, von Frankreich aus gesehen
syrischen Plänen weiter nach, aber eine zu weite Abgrenzung der dort ge¬
steckten Ziele würde auf britische Besorgnisse wegen der ägyptischen Ostflanke
und der Verbindung zwischen Ägypten und Indien stoßen.
Nun hat aber Frankreich nicht nur England seine besondere Mittelmeer¬
position notgedrungen einräumen müssen, sondern es steht auch andere Mittel¬
meermächte ihre Kräfte entfalten. Die Hoffnung, daß die italienische und öster¬
reichische Flotte bei ihrem neu ins Werk gesetzten Aufbau einander in der Adria
binden würden, ist erschüttert durch das für Italien neugeschaffene Interesse, die
italienische Verbindung zwischen dem Mutterlande und der nordafrikanischen
Küste sicherzustellen, und durch die in zeitlichem Anschluß hieran ermöglichte
italienisch-österreichische Verständigung über Albanien. Frankreich muß nun¬
mehr, zumal die Ereignisse auch ein deutsches Geschwader ins Mittelmeer geführt
haben, mit vereinigten maritimen Dreibundkräften im Mittelmeer rechnen. Unter
diesen Umständen ist es begreiflicherweise darauf bedacht, seinerseits neue Ver¬
bündete im Mittelmeer zu gewinnen, und bemüht sich daher so eifrig um die
Gunst Griechenlands, die man mit der Gewährung finanzieller Mittel erschmeicheln
oder mit ihrer Versagung ertrotzen will. Freilich muß Frankreich mit der
Möglichkeit rechnen, hier eine Schlange am Busen zu nähren; denn je mehr
Griechenland zur Erstarkung gebracht wird, umso weitgreifender werden die Ziele
seiner Politik im östlichen Mittelmeer und auch bezüglich Vorderasiens werden,
wo sie schließlich mit den französischen bedenklich rivalisieren könnten.
Jedenfalls bleibt das französische Mittelmeerprogramm auch nach endgültigem
Verzicht auf Ägypten umfassend genug. Es erstreckt sich einerseits auf Teile
Vorderasiens, auf die man einen alten Anspruch zu haben glaubt, andererseits
auf das weiteste Hinterland der nordafrikanischen Westküste, auf die Abrundung
des französischen Nordafrikareiches, womöglich bis zu den Kongoquellen. Frank¬
reich wäre jederzeit gern am Werk, nicht nur das trotz des deutsch-französischen
Marokko-Kongo-Abkommens noch bestehende französische Vorkaufsrecht aus die
belgische Kongokolonie auszuüben, sondern auch das europäische Mutterland
dieser Kolonie als eine Art französischer Provinz zu behandeln, wenn nicht der
mächtige Nachbar im Osten wäre, der in seiner Stärke Frankreich daran ver¬
hindert, die östlichen Ausbreitungstendenzen seiner europäischen Politik verfolgen
zu können. Dieses Hindernis wird in Frankreich um so schwerer empfunden, als
man der Einsicht ist, es nicht aus eigener Kraft beseitigen zu können. Man
will afrikanische Hilfstruppen mit heranziehen — ein Grund mehr, auf die
volle und unerschütterliche Seeherrschaft Frankreichs, wenigstens im westlichen
Mittelmeer, bedacht zu sein — und man will fremde Hilfe im reichlichsten Maße
gegen Deutschland zur Verfügung haben. Die französisch-englische Verständigung
verfolgt ja eben den doppelten Zweck, im Mittelmeer für Frankreich freiere Hand
zu erlangen, in der Nordsee und an der Nordwestgrenze Deutschland durch eine
andere Macht bedrohen lassen zu können. Wesentlich entscheidend aber für die <
Möglichkeit, ohne Überanstrengung der eigenen französischen Kräfte mit Deutsch¬
te
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |