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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Modernes !)ellenentum

Spieler eine Leistung unmöglich, die einer wirklichen Kunststätte würdig gewesen
wäre. Sollte die königliche Bühne der nationalen Sache dauernd gewonnen
werden, so hieß es sofort an die Ausbildung neuer Kräfte gehen. Die königliche
Theaterschule wurde gegründet und von Anfang an gut besucht.

Soweit sah alles vielversprechend aus, wäre nur nicht von Anfang an
Uneinigkeit unter den Beteiligten ausgebrochen! Zunächst einmal versteifte sich
die Röjane auf das königliche Wort, so daß man ihr wohl oder übel die der
Eröffnungsvorstellung folgenden Abende einräumen mußte. Inzwischen bekämpften
sich Herr Wlachos, der unbedingte Anhänger der antiquen und der antiquisie-
renden Dichter, und Herr Ekonomo, welcher für das modernere Repertoir nach
deutschem Muster eintrat. Der Zwiespalt in der Leitung spiegelte sich in zwei
einander feindlichen Schauspielerlagern wider. Die alten rein deklamatorischen
Schauspieler, die sich so gern "die griechische Sarah Bernhardt", "der griechischen
Talma" nennen ließen, und die vom Regisseur Ekonomo neu zugezogenen Kräfte
konnten sich nicht vertragen. Sieger blieb in beiden Fällen -- der Parthenon,
und was jung war mußte weichen. Zu gleicher Zeit veranlaßten Unzuträglich-
keiten in der Theaterschule den König, sie wieder zu schließen, so daß die
Schüler all ihre glänzenden Hoffnungen wie Seifenblasen zerplatzen sahen. Auch
die in Griechenland mit den Dichtern identischen Journalisten sahen sich in
ihren besten Erwartungen betrogen, da ihre Stücke nicht einmal gelesen wurden.
Die gesamte Presse blies Sturm auf das Hoftheater, das ja nur einem fremden
Idiom diene und auf griechischem Boden keine Existenzberechtigung habe. Eko¬
nomo reichte seine Demission ein und die jungen Kräfte folgten ihm. Damit
geriet aber alles ins Wanken.

Das Publikum hatte sich von Anfang an dem königlichen Theater gegenüber
unverzeihlich gleichgültig verhalten. Ab und zu kam es wohl einmal zu Pre¬
mieren. Aber alle Bemühungen Seiner Majestät selbst konnten nicht verhindern,
daß z. B. der wunderbar ausgestattete "Sommernachtstraum" bei seiner vierten
Wiederholung eine Bruttoeinnahme von 27 Drachmen und 60 Lepta ergab.
Die gute Gesellschaft konnte sich von ihren im Winter in Athen üblichen Poker-
gesellschaften nicht trennen, außerdem war ihr das Gebotene nicht französisch
genug. Die gelehrte Welt und ihre Anhänger fanden die Sprache auf der
Bühne nicht standesgemäß und raubten ihr damit den letzten Halt. Das
Defizit wuchs enorm, die Streitigkeiten taten desgleichen, so entschloß sich denn
König Georg, das Theater zu schließen. Der neuerdings unter meiner Mit¬
arbeit unternommene Versuch, es wieder zu eröffnen, scheiterte an dem Aufstande
von 1909, auf dessen politische Gärungen schließlich die Kriege und die Er¬
mordung des Königs folgten.

Nicht besser erging es der beinahe gleichzeitig eröffneten "Neuen Bühne".
Auf den Trümmern des Dionysos-Theaters, am Fuße der Akropolis, hatte der
Gründer Christomanos im Mondenschein eine Eröffnungsrede gehalten, die nur
verlacht wurde. Sowohl die junge Poesie als auch die jungen Schauspieler


Modernes !)ellenentum

Spieler eine Leistung unmöglich, die einer wirklichen Kunststätte würdig gewesen
wäre. Sollte die königliche Bühne der nationalen Sache dauernd gewonnen
werden, so hieß es sofort an die Ausbildung neuer Kräfte gehen. Die königliche
Theaterschule wurde gegründet und von Anfang an gut besucht.

Soweit sah alles vielversprechend aus, wäre nur nicht von Anfang an
Uneinigkeit unter den Beteiligten ausgebrochen! Zunächst einmal versteifte sich
die Röjane auf das königliche Wort, so daß man ihr wohl oder übel die der
Eröffnungsvorstellung folgenden Abende einräumen mußte. Inzwischen bekämpften
sich Herr Wlachos, der unbedingte Anhänger der antiquen und der antiquisie-
renden Dichter, und Herr Ekonomo, welcher für das modernere Repertoir nach
deutschem Muster eintrat. Der Zwiespalt in der Leitung spiegelte sich in zwei
einander feindlichen Schauspielerlagern wider. Die alten rein deklamatorischen
Schauspieler, die sich so gern „die griechische Sarah Bernhardt", „der griechischen
Talma" nennen ließen, und die vom Regisseur Ekonomo neu zugezogenen Kräfte
konnten sich nicht vertragen. Sieger blieb in beiden Fällen — der Parthenon,
und was jung war mußte weichen. Zu gleicher Zeit veranlaßten Unzuträglich-
keiten in der Theaterschule den König, sie wieder zu schließen, so daß die
Schüler all ihre glänzenden Hoffnungen wie Seifenblasen zerplatzen sahen. Auch
die in Griechenland mit den Dichtern identischen Journalisten sahen sich in
ihren besten Erwartungen betrogen, da ihre Stücke nicht einmal gelesen wurden.
Die gesamte Presse blies Sturm auf das Hoftheater, das ja nur einem fremden
Idiom diene und auf griechischem Boden keine Existenzberechtigung habe. Eko¬
nomo reichte seine Demission ein und die jungen Kräfte folgten ihm. Damit
geriet aber alles ins Wanken.

Das Publikum hatte sich von Anfang an dem königlichen Theater gegenüber
unverzeihlich gleichgültig verhalten. Ab und zu kam es wohl einmal zu Pre¬
mieren. Aber alle Bemühungen Seiner Majestät selbst konnten nicht verhindern,
daß z. B. der wunderbar ausgestattete „Sommernachtstraum" bei seiner vierten
Wiederholung eine Bruttoeinnahme von 27 Drachmen und 60 Lepta ergab.
Die gute Gesellschaft konnte sich von ihren im Winter in Athen üblichen Poker-
gesellschaften nicht trennen, außerdem war ihr das Gebotene nicht französisch
genug. Die gelehrte Welt und ihre Anhänger fanden die Sprache auf der
Bühne nicht standesgemäß und raubten ihr damit den letzten Halt. Das
Defizit wuchs enorm, die Streitigkeiten taten desgleichen, so entschloß sich denn
König Georg, das Theater zu schließen. Der neuerdings unter meiner Mit¬
arbeit unternommene Versuch, es wieder zu eröffnen, scheiterte an dem Aufstande
von 1909, auf dessen politische Gärungen schließlich die Kriege und die Er¬
mordung des Königs folgten.

Nicht besser erging es der beinahe gleichzeitig eröffneten „Neuen Bühne".
Auf den Trümmern des Dionysos-Theaters, am Fuße der Akropolis, hatte der
Gründer Christomanos im Mondenschein eine Eröffnungsrede gehalten, die nur
verlacht wurde. Sowohl die junge Poesie als auch die jungen Schauspieler


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[0296] Modernes !)ellenentum Spieler eine Leistung unmöglich, die einer wirklichen Kunststätte würdig gewesen wäre. Sollte die königliche Bühne der nationalen Sache dauernd gewonnen werden, so hieß es sofort an die Ausbildung neuer Kräfte gehen. Die königliche Theaterschule wurde gegründet und von Anfang an gut besucht. Soweit sah alles vielversprechend aus, wäre nur nicht von Anfang an Uneinigkeit unter den Beteiligten ausgebrochen! Zunächst einmal versteifte sich die Röjane auf das königliche Wort, so daß man ihr wohl oder übel die der Eröffnungsvorstellung folgenden Abende einräumen mußte. Inzwischen bekämpften sich Herr Wlachos, der unbedingte Anhänger der antiquen und der antiquisie- renden Dichter, und Herr Ekonomo, welcher für das modernere Repertoir nach deutschem Muster eintrat. Der Zwiespalt in der Leitung spiegelte sich in zwei einander feindlichen Schauspielerlagern wider. Die alten rein deklamatorischen Schauspieler, die sich so gern „die griechische Sarah Bernhardt", „der griechischen Talma" nennen ließen, und die vom Regisseur Ekonomo neu zugezogenen Kräfte konnten sich nicht vertragen. Sieger blieb in beiden Fällen — der Parthenon, und was jung war mußte weichen. Zu gleicher Zeit veranlaßten Unzuträglich- keiten in der Theaterschule den König, sie wieder zu schließen, so daß die Schüler all ihre glänzenden Hoffnungen wie Seifenblasen zerplatzen sahen. Auch die in Griechenland mit den Dichtern identischen Journalisten sahen sich in ihren besten Erwartungen betrogen, da ihre Stücke nicht einmal gelesen wurden. Die gesamte Presse blies Sturm auf das Hoftheater, das ja nur einem fremden Idiom diene und auf griechischem Boden keine Existenzberechtigung habe. Eko¬ nomo reichte seine Demission ein und die jungen Kräfte folgten ihm. Damit geriet aber alles ins Wanken. Das Publikum hatte sich von Anfang an dem königlichen Theater gegenüber unverzeihlich gleichgültig verhalten. Ab und zu kam es wohl einmal zu Pre¬ mieren. Aber alle Bemühungen Seiner Majestät selbst konnten nicht verhindern, daß z. B. der wunderbar ausgestattete „Sommernachtstraum" bei seiner vierten Wiederholung eine Bruttoeinnahme von 27 Drachmen und 60 Lepta ergab. Die gute Gesellschaft konnte sich von ihren im Winter in Athen üblichen Poker- gesellschaften nicht trennen, außerdem war ihr das Gebotene nicht französisch genug. Die gelehrte Welt und ihre Anhänger fanden die Sprache auf der Bühne nicht standesgemäß und raubten ihr damit den letzten Halt. Das Defizit wuchs enorm, die Streitigkeiten taten desgleichen, so entschloß sich denn König Georg, das Theater zu schließen. Der neuerdings unter meiner Mit¬ arbeit unternommene Versuch, es wieder zu eröffnen, scheiterte an dem Aufstande von 1909, auf dessen politische Gärungen schließlich die Kriege und die Er¬ mordung des Königs folgten. Nicht besser erging es der beinahe gleichzeitig eröffneten „Neuen Bühne". Auf den Trümmern des Dionysos-Theaters, am Fuße der Akropolis, hatte der Gründer Christomanos im Mondenschein eine Eröffnungsrede gehalten, die nur verlacht wurde. Sowohl die junge Poesie als auch die jungen Schauspieler

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/296>, abgerufen am 01.01.2025.