Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Die Hexe von Mayen "So, Fräulein, nun müßt Ihr es Euch bei mir bequem machen. Viel Heilwig stand noch im Eingang des Häubchens und sah sich um. Man "Wie wollt Ihr mich aus der Stadt schaffen?" fragte sie jetzt, und der "Wenn ich es selbst nur wüßte, Fräulein! An allen vier Toren stehen "Und weiter wißt Ihr keinen Rat?" Heilwigs Stimme klang ungeduldig, und Sebastian ärgerte sich. Er kam "Ihr könntet schon ein wenig dankbarer sein," begann er, aber Heilwig "Gewiß, ich bin Euch dankbar, wenn Ihr mir wirklich helfen wollt, wenn "Ich wollte Euch retten, Euch vor Schande und Tod bewahren!" erwiderte "Gut, ich glaube Euch: Eure Augen blicken ehrlich und nicht so häßlich, "Es gibt ein Loch in der Mauer --" begann er. "Wo?" Langsam ging er durch sein kleines Zimmer, und von hier in den Garten. "Es ist der Stadtgraben hinter der Mauer!" flüsterte Sebastian. "Ist er tief?" Heilwig stand schon vor dem Loch, steckte den halben Ober- "Er wird nicht tief sein, aber voll Schlamm und Ekel!" beantwortete sie "Gebt mir Eure Kleider, Junker, und helft mir, daß ich nicht gerade ins Die Hexe von Mayen „So, Fräulein, nun müßt Ihr es Euch bei mir bequem machen. Viel Heilwig stand noch im Eingang des Häubchens und sah sich um. Man „Wie wollt Ihr mich aus der Stadt schaffen?" fragte sie jetzt, und der „Wenn ich es selbst nur wüßte, Fräulein! An allen vier Toren stehen „Und weiter wißt Ihr keinen Rat?" Heilwigs Stimme klang ungeduldig, und Sebastian ärgerte sich. Er kam „Ihr könntet schon ein wenig dankbarer sein," begann er, aber Heilwig „Gewiß, ich bin Euch dankbar, wenn Ihr mir wirklich helfen wollt, wenn „Ich wollte Euch retten, Euch vor Schande und Tod bewahren!" erwiderte „Gut, ich glaube Euch: Eure Augen blicken ehrlich und nicht so häßlich, „Es gibt ein Loch in der Mauer —" begann er. „Wo?" Langsam ging er durch sein kleines Zimmer, und von hier in den Garten. „Es ist der Stadtgraben hinter der Mauer!" flüsterte Sebastian. „Ist er tief?" Heilwig stand schon vor dem Loch, steckte den halben Ober- „Er wird nicht tief sein, aber voll Schlamm und Ekel!" beantwortete sie „Gebt mir Eure Kleider, Junker, und helft mir, daß ich nicht gerade ins <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0289" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327755"/> <fw type="header" place="top"> Die Hexe von Mayen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1367"> „So, Fräulein, nun müßt Ihr es Euch bei mir bequem machen. Viel<lb/> kann ich Euch nicht bieten, im Schrank wird aber noch ein Häpplein Käse sein<lb/> und ein Stück Brot — das muß dann Euer Nachtmahl sein!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1368"> Heilwig stand noch im Eingang des Häubchens und sah sich um. 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Die Hexe von Mayen
„So, Fräulein, nun müßt Ihr es Euch bei mir bequem machen. Viel
kann ich Euch nicht bieten, im Schrank wird aber noch ein Häpplein Käse sein
und ein Stück Brot — das muß dann Euer Nachtmahl sein!"
Heilwig stand noch im Eingang des Häubchens und sah sich um. Man
sah es ihr an, daß sie noch halb betäubt von der hastigen Befreiung war und
daß sie sich bemühte, ihre Gedanken zu sammeln.
„Wie wollt Ihr mich aus der Stadt schaffen?" fragte sie jetzt, und der
Junker lachte.
„Wenn ich es selbst nur wüßte, Fräulein! An allen vier Toren stehen
die Wachen, und wenn es auch alte schwache Kerle sind, so liegen doch schwere
Schlösser vor den Türen und diese sind aus starkem Eichenholz. Also müßt
Ihr schon hier bleiben, bis uns ein besserer Gedanke kommt!"
„Und weiter wißt Ihr keinen Rat?"
Heilwigs Stimme klang ungeduldig, und Sebastian ärgerte sich. Er kam
sich so großartig vor, daß er die Jungfrau so schnell befreit hatte, und nun
war sie noch nicht zufrieden.
„Ihr könntet schon ein wenig dankbarer sein," begann er, aber Heilwig
unterbrach ihn.
„Gewiß, ich bin Euch dankbar, wenn Ihr mir wirklich helfen wollt, wenn
aber Kätha mich nicht findet, Lärm schlägt und ich alsdann bei Euch gefunden
werde, ist dies für mich nicht weit schlimmer, als wenn ich ruhig in meinem
Gefängnis sitze und kein Mensch Anstoß an mir nehmen kann?"
„Ich wollte Euch retten, Euch vor Schande und Tod bewahren!" erwiderte
er trotzig, und sie warf ihm einen ernsten Blick zu.
„Gut, ich glaube Euch: Eure Augen blicken ehrlich und nicht so häßlich,
wie bei dem Stadtschreiber, aber dann überlegt auch, wie ich mich retten kann.
Gibt es keinen Ausweg aus der Stadt?"
„Es gibt ein Loch in der Mauer —" begann er.
„Wo?"
Langsam ging er durch sein kleines Zimmer, und von hier in den Garten.
Der Wind pfiff scharf, einige Vögel taumelten schlaftrunken von den Büschen.
Als er die grünen Ranken vom Mauerloch entfernte, schien eine Mondsichel in
den Garten und warf ein grünes, unheimliches Licht auf die zwei, die sich jetzt
ansahen.
„Es ist der Stadtgraben hinter der Mauer!" flüsterte Sebastian.
„Ist er tief?" Heilwig stand schon vor dem Loch, steckte den halben Ober-
iorper hindurch und blickte auf das träge und schwarz dahinfließende Wasser
unter sich.
„Er wird nicht tief sein, aber voll Schlamm und Ekel!" beantwortete sie
sich selbst die Frage, um sich dann wieder umzuwenden.
„Gebt mir Eure Kleider, Junker, und helft mir, daß ich nicht gerade ins
Wasser komme. Eine Strickleiter, oder ähnliches, muß ich haben, und dann
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