Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.England im Mittelmeer Die Entscheidung würde in der Nordsee fallen, und bis sie gefallen wäre, würde Aus diesen wirtschaftlichen Gründen bereitet die Räumung des Mittelmeers Nun hat Admiral Madam darauf hingewiesen, daß das Mittelmeer und England im Mittelmeer Die Entscheidung würde in der Nordsee fallen, und bis sie gefallen wäre, würde Aus diesen wirtschaftlichen Gründen bereitet die Räumung des Mittelmeers Nun hat Admiral Madam darauf hingewiesen, daß das Mittelmeer und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0281" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327747"/> <fw type="header" place="top"> England im Mittelmeer</fw><lb/> <p xml:id="ID_1296" prev="#ID_1295"> Die Entscheidung würde in der Nordsee fallen, und bis sie gefallen wäre, würde<lb/> England zweifellos alle seine großen, modernen Kriegsschiffe aus dem Mittelmeer<lb/> heranziehen. Die Flotten Italiens und Österreichs würden dann sicherlich die<lb/> englische Schiffahrt zwingen, das Mittelmeer zu räumen; und Deutschland und<lb/> Österreich würden vielleicht dem für England wichtigen russischen und rumänischen<lb/> Export die Durchfahrt per Bahn verwehren. Dann träte für England derselbe<lb/> Fall ein, als wenn Rußland und Rumänien eine Mißernte gehabt hätten, und<lb/> es würde, wie in diesem Fall, seine Nahrungsmittel mit einem Preisaufschlag<lb/> aus anderen Ländern, wie Argentinien, Kanada, Australien und Indien beziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1297"> Aus diesen wirtschaftlichen Gründen bereitet die Räumung des Mittelmeers<lb/> keine andere Gefahr für England, als daß es einen höheren Preis für seine<lb/> Nahrungsmittelzufuhr zahlen müßte. Wie verhält es sich nun mit der mili¬<lb/> tärischen Gefahr, angenommen, daß der Hauptkriegsschauplatz die Nordsee<lb/> wäre, und daß England das Mittelmeer räumte? Die Punkte, die England<lb/> im Mittelmeer zu schützen hätte, sind Gibraltar. Malta und Ägypten. Gibraltar<lb/> und Malta sind von der See aus praktisch uneinnehmbar und mit allen Vor¬<lb/> räten aufs reichlichste versorgt. In Gibraltar könnten allerdings der Hafen und<lb/> die Docks mit moderner Artillerie von den Höhen hinter Algcciras wirksam<lb/> beschossen werden. Die Voraussetzung wäre, daß Spanien auf Seiten der<lb/> Gegner Englands stände. Aber die Besatzung von Gibraltar könnte im Notfall<lb/> sofort Algeciras und die dahinter liegenden Höhen besetzen; und es ist außerdem<lb/> außerordentlich unwahrscheinlich, daß Spanien sich den Feinden Englands an¬<lb/> schlösse. Eine Eroberung Ägyptens von der See aus ist ebenfalls kaum denkbar.<lb/> Ägypten hat eine Torpedoflottille in Alexandren; ferner die britische Okkupations¬<lb/> armee von 6500 Mann und eine ägyptische Armee von 18 000 Mann, der<lb/> 188 englische Offiziere zugeteilt sind. Außerdem kann es Verstärkungen von<lb/> Indien beziehen. Lord Cromer, dem man ein maßgebendes Urteil zutrauen<lb/> darf, hat sich bei der Erörterung der Churchillschen Flottenpolitik in der Times<lb/> gegen eine Verstärkung der ägyptischsn Garnison ausgesprochen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1298" next="#ID_1299"> Nun hat Admiral Madam darauf hingewiesen, daß das Mittelmeer und<lb/> der Suezkanal eine innere Operationsbasis zwischen England und Indien<lb/> bildeten und daß England diese innere Operationsbasis unter keinen Um¬<lb/> ständen in die Hände eines Gegners fallen lassen dürfe. Das ist in der Theorie<lb/> unbestreitbar richtig, aber eine wirkliche Gefahr für England und dus britische<lb/> Reich könnte doch nur entstehen, wenn die gegnerische Flotte stark genug wäre,<lb/> um nicht allein ihre Überlegenheit im Mittelmeer aufrechtzuerhalten, sondern<lb/> zugleich auch im Indischen Ozean die Verbindung Englands mit Indien und<lb/> Australien zu unterbrechen. Dies Argument stammt aus der Zeit, als man in<lb/> England an die Möglichkeit eines Krieges zwischen England und Rußland<lb/> glaubte und als die russische Schwarzmeerflotte stärker war als heute. Aber<lb/> unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen besteht eine solche Gefahr für<lb/> England ganz und gar nicht, selbst wenn wir annehmen wollten, daß England</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0281]
England im Mittelmeer
Die Entscheidung würde in der Nordsee fallen, und bis sie gefallen wäre, würde
England zweifellos alle seine großen, modernen Kriegsschiffe aus dem Mittelmeer
heranziehen. Die Flotten Italiens und Österreichs würden dann sicherlich die
englische Schiffahrt zwingen, das Mittelmeer zu räumen; und Deutschland und
Österreich würden vielleicht dem für England wichtigen russischen und rumänischen
Export die Durchfahrt per Bahn verwehren. Dann träte für England derselbe
Fall ein, als wenn Rußland und Rumänien eine Mißernte gehabt hätten, und
es würde, wie in diesem Fall, seine Nahrungsmittel mit einem Preisaufschlag
aus anderen Ländern, wie Argentinien, Kanada, Australien und Indien beziehen.
Aus diesen wirtschaftlichen Gründen bereitet die Räumung des Mittelmeers
keine andere Gefahr für England, als daß es einen höheren Preis für seine
Nahrungsmittelzufuhr zahlen müßte. Wie verhält es sich nun mit der mili¬
tärischen Gefahr, angenommen, daß der Hauptkriegsschauplatz die Nordsee
wäre, und daß England das Mittelmeer räumte? Die Punkte, die England
im Mittelmeer zu schützen hätte, sind Gibraltar. Malta und Ägypten. Gibraltar
und Malta sind von der See aus praktisch uneinnehmbar und mit allen Vor¬
räten aufs reichlichste versorgt. In Gibraltar könnten allerdings der Hafen und
die Docks mit moderner Artillerie von den Höhen hinter Algcciras wirksam
beschossen werden. Die Voraussetzung wäre, daß Spanien auf Seiten der
Gegner Englands stände. Aber die Besatzung von Gibraltar könnte im Notfall
sofort Algeciras und die dahinter liegenden Höhen besetzen; und es ist außerdem
außerordentlich unwahrscheinlich, daß Spanien sich den Feinden Englands an¬
schlösse. Eine Eroberung Ägyptens von der See aus ist ebenfalls kaum denkbar.
Ägypten hat eine Torpedoflottille in Alexandren; ferner die britische Okkupations¬
armee von 6500 Mann und eine ägyptische Armee von 18 000 Mann, der
188 englische Offiziere zugeteilt sind. Außerdem kann es Verstärkungen von
Indien beziehen. Lord Cromer, dem man ein maßgebendes Urteil zutrauen
darf, hat sich bei der Erörterung der Churchillschen Flottenpolitik in der Times
gegen eine Verstärkung der ägyptischsn Garnison ausgesprochen.
Nun hat Admiral Madam darauf hingewiesen, daß das Mittelmeer und
der Suezkanal eine innere Operationsbasis zwischen England und Indien
bildeten und daß England diese innere Operationsbasis unter keinen Um¬
ständen in die Hände eines Gegners fallen lassen dürfe. Das ist in der Theorie
unbestreitbar richtig, aber eine wirkliche Gefahr für England und dus britische
Reich könnte doch nur entstehen, wenn die gegnerische Flotte stark genug wäre,
um nicht allein ihre Überlegenheit im Mittelmeer aufrechtzuerhalten, sondern
zugleich auch im Indischen Ozean die Verbindung Englands mit Indien und
Australien zu unterbrechen. Dies Argument stammt aus der Zeit, als man in
England an die Möglichkeit eines Krieges zwischen England und Rußland
glaubte und als die russische Schwarzmeerflotte stärker war als heute. Aber
unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen besteht eine solche Gefahr für
England ganz und gar nicht, selbst wenn wir annehmen wollten, daß England
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