Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Goethes Vater "Man bringt nichts mehr mit nach Hause, als einen Kopf voller Kuriositäten, In einem anderen Brief klagt er über die schlechte Verköstigung und die "Innerhalb des Hauses zog mein Blick am meisten eine Reihe römischer An einer anderen Stelle heißt es: "Ferner erzählte er mir, daß ich nach In Venedig, beim Anblick der Gondeln, gedenkt Goethe eines Gondelmodells, Was wollen diesen Äußerungen des Dichters gegenüber die erwähnten *) Zitiert nach Heinemann, S. 16. "") Goethe: "Dichtung und Wahrheit." Ebenda. 1-) Zitiert nach Ewart: "Goethes Vater", S. 19. 1f) Ebenda.
Goethes Vater „Man bringt nichts mehr mit nach Hause, als einen Kopf voller Kuriositäten, In einem anderen Brief klagt er über die schlechte Verköstigung und die „Innerhalb des Hauses zog mein Blick am meisten eine Reihe römischer An einer anderen Stelle heißt es: „Ferner erzählte er mir, daß ich nach In Venedig, beim Anblick der Gondeln, gedenkt Goethe eines Gondelmodells, Was wollen diesen Äußerungen des Dichters gegenüber die erwähnten *) Zitiert nach Heinemann, S. 16. "«) Goethe: „Dichtung und Wahrheit." Ebenda. 1-) Zitiert nach Ewart: „Goethes Vater", S. 19. 1f) Ebenda.
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Goethes Vater
„Man bringt nichts mehr mit nach Hause, als einen Kopf voller Kuriositäten,
für welche man insgesamt, wenn man sie in seiner Vaterstadt auf den Markt
tragen sollte, nicht zwei bare Heller bekäme"*).
In einem anderen Brief klagt er über die schlechte Verköstigung und die
vielen Fliegen. Was der Rat Goethe mit diesen Briefen bezweckte, entzieht sich
unserer Kenntnis. Es wäre aber ungerecht, würde man diesen Briefen gegen¬
über nicht den Dichter zu Worte kommen lassen:
„Innerhalb des Hauses zog mein Blick am meisten eine Reihe römischer
Prospekte auf sich, mit welchen der Vater seinen Vorsaal ausgeschmückt hatte.
Diese Gestalten prägten sich tief bei mir ein, und der sonst sehr lakonische Vater
hatte wohl manchmal die Gefälligkeit, eine Beschreibung des Gegenstandes vor¬
nehmen zu lassen. Seine Vorliebe für die italienische Sprache und für alles,
was sich auf dieses Land bezieht, war sehr ausgesprochen. Eine kleine Marmor-
uud Naturaliensammlung, die er von dorther mitgebracht, zeigte er uns auch
manchmal vor, und einen großen Teil seiner Zeit verwendete er auf seine
italienisch verfaßte Reisebeschreibung"**).
An einer anderen Stelle heißt es: „Ferner erzählte er mir, daß ich nach
Wetzlar und Regensburg, nicht weniger nach Wien und von da nach Italien
gehen sollte, ob er gleich wiederholt behauptete, man müsse Paris voraussehen,
weil man aus Italien kommend sich an nichts mehr ergehe. Dieses Märchen
meines künftigen Jugendganges ließ ich mir gern wiederholen, besonders da es
in eine Erzählung von Italien und zuletzt von Neapel auslief. Sein sonstiger
Ernst und seine Trockenheit schienen sich jederzeit aufzulösen und zu beleben, und
so erzeugte sich in uns Kindern der leidenschaftliche Wunsch, auch dieser Paradiese
teilhaftig zu werden"***).
In Venedig, beim Anblick der Gondeln, gedenkt Goethe eines Gondelmodells,
das der Vater mitgebracht hatte und so hoch hielt, daß Wolfgang nur in seltenen
Fällen damit spielen durfte. „Die ersten Schnäbel von Eisenblech", schreibt er
an Frau von Stein, „die schwarzen Gondelkäftge, alles grüßte mich, wie eine
alte Bekanntschaft, wie ein lang entbehrter erster Jugendeindruck" f). An einer
anderen Stelle äußert er sich: „Ich gedachte meines armen Vaters in Ehren,
der nichts Besseres wußte, als von diesen Dingen zu erzählen" ff).
Was wollen diesen Äußerungen des Dichters gegenüber die erwähnten
Briefe bedeuten, deren Fassung vielleicht auf eine Augenblickslaune zurückzuführen
ist. Man darf nie vergessen, was eine italienische Reise zu der damaligen Zeit
an Beschwerden, Unannehmlichkeiten, ja Gefahren bedeutete. Wie groß hin¬
gegen muß der Begriff von der Bedeutung der Reise für die eigene Entwicklung
*) Zitiert nach Heinemann, S. 16.
"«) Goethe: „Dichtung und Wahrheit."
Ebenda.
1-) Zitiert nach Ewart: „Goethes Vater", S. 19.
1f) Ebenda.
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