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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Für Indien den preis I

in alten Priesterfamilren, "über, aber nicht außer dem Volke" zu suchen. Nicht
nur religionsgeschichtlich, sondern auch künstlerisch nehmen diese Dichtungen
einen hohen Rang ein. Es sind Lobpreisungen und Anrufungen für einzelne
Götter wie Varuna, Indra, Agni. Hochbeschwingte Kraft wechselt mit schlichter
Innigkeit. An die Morgenröte richten sich ihre Verse:


(Wintermtz)

Oder sie gelten der Sonne, dem Regengott, dem Wind, von dem es heißt:

"Der Wucht von Vatas Wagen Preis und Ehret
Mit Donnerhall fährt er dahin zerschmetternd.
Bald streift den Himmel er und färbt ihn rötlich,
Bald stürmt er erdenwärts und wühlt den Staub auf.
So stürmen Vatas Scharen durch die Lande,
Wie Bräute zu des Bräutigams Empfange.
Mit seinen Freunden auf demselben Wagen
sanft er dahin, des Woltenalls Beherrscher. . ."

(Brunnhofer)

Daneben stehen philosophische Hymnen von großer Schönheit, wie der be¬
rühmte Schöpfuvgshyumus an Prajapati, der rin den Versen schließt:

"Doch, wem ist auszuforschen es gelungen,
Wer hat, woher die Schöpfung stammt, vernommen?
Die Götter sind diesseits von ihr entsprungenI
Wer sagt es also, wo sie hergekommen?
Er, der die Schöpfung hat hervorgebracht,
Der auf sie schaut im höchsten Himmelslicht,
Der sie gemacht but oder nicht gemacht,
Der weiß es! -- oder weiß auch er es nicht?"

sDeussen)

Bereits im Rigveda finden sich auch Bruchstücke von Erzählungen, die zur
epischen Kunst der Inder, zu ihren großen Volksepen hinüberführen. Die beiden
epischen Nationalwerke größten Stils, die die Inder neben, ja teilweise über
die Veden stellen, sind das Mahabharata ("die Erzählung von den: großen
Kampf der Bharatas") und das Ramajana ("das Lied vom Rama"). Das
Ramajana ist wahrscheinlich im vierten oder dritten Jahrhundert vor Chr. von
Valmiki gedichtet worden und ist ein Mittelding zwischen Volksepos und Kunst¬
dichtung, das sich ziemlich einheitlich auf die Taten des Helden Rama konzentriert.
Für das Mahabharata (in seiner jetzigen Gestalt zwischen: dem vierten Jahr¬
hundert v. Chr. und dem vierten Jahrhundert n. Chr. anzusetzen) nennt die
Überlieferung einen mythischen Sammler; als Träger der den eigentlichen Kern


Für Indien den preis I

in alten Priesterfamilren, „über, aber nicht außer dem Volke" zu suchen. Nicht
nur religionsgeschichtlich, sondern auch künstlerisch nehmen diese Dichtungen
einen hohen Rang ein. Es sind Lobpreisungen und Anrufungen für einzelne
Götter wie Varuna, Indra, Agni. Hochbeschwingte Kraft wechselt mit schlichter
Innigkeit. An die Morgenröte richten sich ihre Verse:


(Wintermtz)

Oder sie gelten der Sonne, dem Regengott, dem Wind, von dem es heißt:

„Der Wucht von Vatas Wagen Preis und Ehret
Mit Donnerhall fährt er dahin zerschmetternd.
Bald streift den Himmel er und färbt ihn rötlich,
Bald stürmt er erdenwärts und wühlt den Staub auf.
So stürmen Vatas Scharen durch die Lande,
Wie Bräute zu des Bräutigams Empfange.
Mit seinen Freunden auf demselben Wagen
sanft er dahin, des Woltenalls Beherrscher. . ."

(Brunnhofer)

Daneben stehen philosophische Hymnen von großer Schönheit, wie der be¬
rühmte Schöpfuvgshyumus an Prajapati, der rin den Versen schließt:

„Doch, wem ist auszuforschen es gelungen,
Wer hat, woher die Schöpfung stammt, vernommen?
Die Götter sind diesseits von ihr entsprungenI
Wer sagt es also, wo sie hergekommen?
Er, der die Schöpfung hat hervorgebracht,
Der auf sie schaut im höchsten Himmelslicht,
Der sie gemacht but oder nicht gemacht,
Der weiß es! — oder weiß auch er es nicht?"

sDeussen)

Bereits im Rigveda finden sich auch Bruchstücke von Erzählungen, die zur
epischen Kunst der Inder, zu ihren großen Volksepen hinüberführen. Die beiden
epischen Nationalwerke größten Stils, die die Inder neben, ja teilweise über
die Veden stellen, sind das Mahabharata („die Erzählung von den: großen
Kampf der Bharatas") und das Ramajana („das Lied vom Rama"). Das
Ramajana ist wahrscheinlich im vierten oder dritten Jahrhundert vor Chr. von
Valmiki gedichtet worden und ist ein Mittelding zwischen Volksepos und Kunst¬
dichtung, das sich ziemlich einheitlich auf die Taten des Helden Rama konzentriert.
Für das Mahabharata (in seiner jetzigen Gestalt zwischen: dem vierten Jahr¬
hundert v. Chr. und dem vierten Jahrhundert n. Chr. anzusetzen) nennt die
Überlieferung einen mythischen Sammler; als Träger der den eigentlichen Kern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/26>, abgerufen am 29.12.2024.