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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Llaudians Lobgesänge

Mehrung der eigenen Macht, beide unterstützen sie den Intellekt in diesem Be¬
ginnen. Die römische Partei, die den Germanensproß natürlich haßt, wittert
den Plan und in ihm den Hochverrat. Unentschlossen zwischen Römern und
Stilicho steht der Dichter und gewerbsmäßige Lobspender Claudian. Dieser
Claudian ist Stilichos Günstling, schwankt aber als Skeptiker zunächst zwischen
dem Feldherrn und der Römerpartei hin und her. Im übrigen soll er mit
überlegener Dialektik und beißender Selbstkritik bedacht sein. Er soll und muß
-- der Angstschweiß, mit dem diese Figur gezeugt ward, ist noch in dem sauberen
Cottaband zu spüren -- unter allen Umständen geistvoll und bissig sein wie
Hamlet in jenen Dialogen, in denen bei aller Tollheit Methode ist. Das Re¬
sultat ist, daß dieser Claudian zur läppischsten, geschwätzigsten Celluloidpuppe
geworden ist, die je auf deutschen Bühnen gezeigt wurde. Hier ein paar Proben
von seinem Intrigenspiel gegen Stilicho:

"Dann habe ich, wonach meine Blindheit hungerte seit Jahren. Dann
schlug ich mir ein Guckloch durch die Felswand seines Wesens und bin darin
zu Hause wie in mir selbst."

Als irgend jemand Geschenke von ihm erwartete, entgegnet er mit einem
Witz, dessen Pointe meinem Verständnis allzusehr in seiner Tiefsinnigkeit ver¬
borgen ist:

"Hätte ich was zu verschenken, ich wäre lieber ein Garkoch oder ein
Wucherer ..."

Dieser Claudian also wird zum Mittelpunkt dessen, was Sudermann
optimistisch ein Drama nennt. In die Intrige verstrickt, weiß er in einer
Stunde, in der die beiden Heere einander gegenüberliegen, ohne Wissen des
Feldherrn den Reichsfeind Alarich zu einer Unterhandlung ins römische Lager
zu locken. Stilicho stellt es dann dar, als erwiese er ihm mit dieser Ge¬
legenheit zu Verhandlungen einen Dienst, in Wirklichkeit will er nur den Feinden
des Feldherrn den Beweis seiner Verräterei in die Hand spielen. Es kommt
in der Tat zur Verhandlung. Der Neichssache aber bleibt der Feldherr treu,
hütet sich vor dem Hochverrat, und der Germane schließt kein Bündnis gegen
das stammesfremde Reich, dem er dient. Aber Claudians Judasabsicht merkt
er und verbannt den einstigen Günstling aus seiner Nähe. Die Mißstimmung
des Dichters, der sich nun auf seinen Landsitz zurückzieht, diese Mißstimmung
nutzt die.Hofpartei, um ihn zur eindeutigen Zeugenschaft für Stilichos angebliche
Verräterei zu gewinnen. Mit Erfolg: Der Kaiser erhält vom Dichter, in der
Form eines Poems, das Zeugnis, daß jene Zusammenkunft mit Alarich tat¬
sächlich stattgefunden habe. Die Folge ist Acht und Todesspruch gegen den
Feldherrn, der ahnungslos von Rom heranzieht. Nach dem Verrat an Stilicho
erwacht in dem Unentschlossenen, Schwankenden die Reue. Er eilt dem Feld¬
herrn entgegen, ihn zu warnen. Und beide fallen schließlich dem kaiserlichen


Llaudians Lobgesänge

Mehrung der eigenen Macht, beide unterstützen sie den Intellekt in diesem Be¬
ginnen. Die römische Partei, die den Germanensproß natürlich haßt, wittert
den Plan und in ihm den Hochverrat. Unentschlossen zwischen Römern und
Stilicho steht der Dichter und gewerbsmäßige Lobspender Claudian. Dieser
Claudian ist Stilichos Günstling, schwankt aber als Skeptiker zunächst zwischen
dem Feldherrn und der Römerpartei hin und her. Im übrigen soll er mit
überlegener Dialektik und beißender Selbstkritik bedacht sein. Er soll und muß
— der Angstschweiß, mit dem diese Figur gezeugt ward, ist noch in dem sauberen
Cottaband zu spüren — unter allen Umständen geistvoll und bissig sein wie
Hamlet in jenen Dialogen, in denen bei aller Tollheit Methode ist. Das Re¬
sultat ist, daß dieser Claudian zur läppischsten, geschwätzigsten Celluloidpuppe
geworden ist, die je auf deutschen Bühnen gezeigt wurde. Hier ein paar Proben
von seinem Intrigenspiel gegen Stilicho:

„Dann habe ich, wonach meine Blindheit hungerte seit Jahren. Dann
schlug ich mir ein Guckloch durch die Felswand seines Wesens und bin darin
zu Hause wie in mir selbst."

Als irgend jemand Geschenke von ihm erwartete, entgegnet er mit einem
Witz, dessen Pointe meinem Verständnis allzusehr in seiner Tiefsinnigkeit ver¬
borgen ist:

„Hätte ich was zu verschenken, ich wäre lieber ein Garkoch oder ein
Wucherer ..."

Dieser Claudian also wird zum Mittelpunkt dessen, was Sudermann
optimistisch ein Drama nennt. In die Intrige verstrickt, weiß er in einer
Stunde, in der die beiden Heere einander gegenüberliegen, ohne Wissen des
Feldherrn den Reichsfeind Alarich zu einer Unterhandlung ins römische Lager
zu locken. Stilicho stellt es dann dar, als erwiese er ihm mit dieser Ge¬
legenheit zu Verhandlungen einen Dienst, in Wirklichkeit will er nur den Feinden
des Feldherrn den Beweis seiner Verräterei in die Hand spielen. Es kommt
in der Tat zur Verhandlung. Der Neichssache aber bleibt der Feldherr treu,
hütet sich vor dem Hochverrat, und der Germane schließt kein Bündnis gegen
das stammesfremde Reich, dem er dient. Aber Claudians Judasabsicht merkt
er und verbannt den einstigen Günstling aus seiner Nähe. Die Mißstimmung
des Dichters, der sich nun auf seinen Landsitz zurückzieht, diese Mißstimmung
nutzt die.Hofpartei, um ihn zur eindeutigen Zeugenschaft für Stilichos angebliche
Verräterei zu gewinnen. Mit Erfolg: Der Kaiser erhält vom Dichter, in der
Form eines Poems, das Zeugnis, daß jene Zusammenkunft mit Alarich tat¬
sächlich stattgefunden habe. Die Folge ist Acht und Todesspruch gegen den
Feldherrn, der ahnungslos von Rom heranzieht. Nach dem Verrat an Stilicho
erwacht in dem Unentschlossenen, Schwankenden die Reue. Er eilt dem Feld¬
herrn entgegen, ihn zu warnen. Und beide fallen schließlich dem kaiserlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/240>, abgerufen am 29.12.2024.