Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Die Hexe von Mayen "Ich will mir die Sache überlegen, Herr Pfarrer! Zwar kommt die Kätha Herr Kohlbaum reckte sich ein wenig, und sein Gesicht wurde kühl. "Ich will nichts mit der Frau zu tun haben, die Ihr eine Hexe nennt, Sebastian wäre vor Freude fast gesprungen, aber dann nahm er sich zu¬ "Wenn Ihr Euch freut, so ist es gut! Gedenket aber dafür auch des Nun gingen die zwei Herren zum Rathaus und wurden gleich vor den "Solche gefährliche Person darf doch nicht von einem Junker besucht "Ich wäre schon geistlich, wenn nicht die üblen Kriegsläufe es gehindert "Gern wäre ich Euch gefällig. Junker! Allein. Ihr wißt, der Herr Er klopfte hart an die Tür und Grill trat ein. Ihr Kleid war zer¬ "Hier bin ich wieder. Herr Schreiber," sagte sie. "Es war eine böse Der Stadtschreiber, der blaß geworden war, unterbrach sie. "Es ist schon gut. Grill, ich will gleich mit dir reden! Geehrte Herren!" Die Hexe von Mayen „Ich will mir die Sache überlegen, Herr Pfarrer! Zwar kommt die Kätha Herr Kohlbaum reckte sich ein wenig, und sein Gesicht wurde kühl. „Ich will nichts mit der Frau zu tun haben, die Ihr eine Hexe nennt, Sebastian wäre vor Freude fast gesprungen, aber dann nahm er sich zu¬ „Wenn Ihr Euch freut, so ist es gut! Gedenket aber dafür auch des Nun gingen die zwei Herren zum Rathaus und wurden gleich vor den „Solche gefährliche Person darf doch nicht von einem Junker besucht „Ich wäre schon geistlich, wenn nicht die üblen Kriegsläufe es gehindert „Gern wäre ich Euch gefällig. Junker! Allein. Ihr wißt, der Herr Er klopfte hart an die Tür und Grill trat ein. Ihr Kleid war zer¬ „Hier bin ich wieder. Herr Schreiber," sagte sie. „Es war eine böse Der Stadtschreiber, der blaß geworden war, unterbrach sie. „Es ist schon gut. Grill, ich will gleich mit dir reden! Geehrte Herren!" <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0235" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327701"/> <fw type="header" place="top"> Die Hexe von Mayen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1058"> „Ich will mir die Sache überlegen, Herr Pfarrer! Zwar kommt die Kätha<lb/> fast gar nicht mehr, weil sie die Sorge für die Gefangenen hat, und vielleicht<lb/> wird sie den Posten bei mir ganz aufgeben. Zuvörderst aber meine ich, daß<lb/> man sich um das Mädchen bekümmert, das in Kerkers und Teufels Banden<lb/> im Turm sitzt. Mit ihr ist die Trübsal in die Stadt gekommen, und wer weiß?<lb/> Vielleicht ist sie es, die die arme Grill verschwinden ließ. Mich wundert es,<lb/> daß Ihr so ruhig dabei seid!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1059"> Herr Kohlbaum reckte sich ein wenig, und sein Gesicht wurde kühl.</p><lb/> <p xml:id="ID_1060"> „Ich will nichts mit der Frau zu tun haben, die Ihr eine Hexe nennt,<lb/> da Ihr aber wohl keine Ruhe gebt, so laßt uns zum Stadtschreiber gehen, ich<lb/> will ihn bitten, Euch die Erlaubnis zum Besuch zu geben!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1061"> Sebastian wäre vor Freude fast gesprungen, aber dann nahm er sich zu¬<lb/> sammen und sagte nur ein Wort des Dankes, das der andere kurz abwehrte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1062"> „Wenn Ihr Euch freut, so ist es gut! Gedenket aber dafür auch des<lb/> armen Jungen von Grill, der gern sein Essen möchte und doch keine Arbeit<lb/> findet!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1063"> Nun gingen die zwei Herren zum Rathaus und wurden gleich vor den<lb/> Stadischreiber gelassen, der sie artig begrüßte und sich erkundigte, womit er den<lb/> Herren dienen könne. Es schien Sebastian, als habe er recht müßig vor seinem<lb/> Schreibtisch gesessen; aber jetzt tat er beschäftigt und klagte über die große<lb/> Arbeit. Als der Pfarrer seinen Wunsch vortrug, der Junker Sebastian möge<lb/> zu demi Weibe gelassen werden, das im Turm saß und der Hexerei angeklagt<lb/> war. nahmen seine Augen einen starren Ausdruck an, aber er war höflich und<lb/> geschmeidig.</p><lb/> <p xml:id="ID_1064"> „Solche gefährliche Person darf doch nicht von einem Junker besucht<lb/> werden!" meinte er bedauernd. „Mit Euch, Herr Pfarrer ist es eine andere<lb/> Sache, aber so ein junger Herr, der nicht geistlich ist —"</p><lb/> <p xml:id="ID_1065"> „Ich wäre schon geistlich, wenn nicht die üblen Kriegsläufe es gehindert<lb/> Hütten!" entgegnete Sebastian mit Würde, und der Schreiber rieb seine mageren<lb/> Hände.</p><lb/> <p xml:id="ID_1066"> „Gern wäre ich Euch gefällig. Junker! Allein. Ihr wißt, der Herr<lb/> Bürgermeister ist krank und ich bin nur sein Stellvertreter. 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Die Hexe von Mayen
„Ich will mir die Sache überlegen, Herr Pfarrer! Zwar kommt die Kätha
fast gar nicht mehr, weil sie die Sorge für die Gefangenen hat, und vielleicht
wird sie den Posten bei mir ganz aufgeben. Zuvörderst aber meine ich, daß
man sich um das Mädchen bekümmert, das in Kerkers und Teufels Banden
im Turm sitzt. Mit ihr ist die Trübsal in die Stadt gekommen, und wer weiß?
Vielleicht ist sie es, die die arme Grill verschwinden ließ. Mich wundert es,
daß Ihr so ruhig dabei seid!"
Herr Kohlbaum reckte sich ein wenig, und sein Gesicht wurde kühl.
„Ich will nichts mit der Frau zu tun haben, die Ihr eine Hexe nennt,
da Ihr aber wohl keine Ruhe gebt, so laßt uns zum Stadtschreiber gehen, ich
will ihn bitten, Euch die Erlaubnis zum Besuch zu geben!"
Sebastian wäre vor Freude fast gesprungen, aber dann nahm er sich zu¬
sammen und sagte nur ein Wort des Dankes, das der andere kurz abwehrte.
„Wenn Ihr Euch freut, so ist es gut! Gedenket aber dafür auch des
armen Jungen von Grill, der gern sein Essen möchte und doch keine Arbeit
findet!"
Nun gingen die zwei Herren zum Rathaus und wurden gleich vor den
Stadischreiber gelassen, der sie artig begrüßte und sich erkundigte, womit er den
Herren dienen könne. Es schien Sebastian, als habe er recht müßig vor seinem
Schreibtisch gesessen; aber jetzt tat er beschäftigt und klagte über die große
Arbeit. Als der Pfarrer seinen Wunsch vortrug, der Junker Sebastian möge
zu demi Weibe gelassen werden, das im Turm saß und der Hexerei angeklagt
war. nahmen seine Augen einen starren Ausdruck an, aber er war höflich und
geschmeidig.
„Solche gefährliche Person darf doch nicht von einem Junker besucht
werden!" meinte er bedauernd. „Mit Euch, Herr Pfarrer ist es eine andere
Sache, aber so ein junger Herr, der nicht geistlich ist —"
„Ich wäre schon geistlich, wenn nicht die üblen Kriegsläufe es gehindert
Hütten!" entgegnete Sebastian mit Würde, und der Schreiber rieb seine mageren
Hände.
„Gern wäre ich Euch gefällig. Junker! Allein. Ihr wißt, der Herr
Bürgermeister ist krank und ich bin nur sein Stellvertreter. Er würde mir
zürnen, wenn ich etwas täte, das ihm nicht recht wäre. Also geduldet Euch,
bis ich ihn frage."
Er klopfte hart an die Tür und Grill trat ein. Ihr Kleid war zer¬
rissen, das Kopftuch war ihr von den Haaren gefallen, und diese starrten vor
Schmutz.
„Hier bin ich wieder. Herr Schreiber," sagte sie. „Es war eine böse
Sache und die Franzosen haben mir übel mitgespielt. Aber der Herzog —"
Der Stadtschreiber, der blaß geworden war, unterbrach sie.
„Es ist schon gut. Grill, ich will gleich mit dir reden! Geehrte Herren!"
er beugte sich vor dem Pfarrer und vor Sebastian, „verzeiht, wenn ich keine
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