Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Hexe von Mciyen

Sebastian redete gewandt und freute sich selbst darüber. Der Pfarrer
war eines kleinen Bauern Sohn, mit grobem Gesicht und groben Händen. Der
hatte nichts gelernt, als sein bischen Brevier; da mußte Sebastian doch zeigen,
wie er in Köln studiert und das Gelehrte behalten hatte.

Herr Kohlbaum hörte kaum auf die zierlichen Worte des Junkers; der
Hund war zu ihm gekommen, und er streichelte seinen struppigen Kopf. "Gut,
daß ihr einen Freund habt, Junker I Heutzutage sind die Hunde oft besser,
als die Menschen. Vorhin ist mein Brudersohn aus Andernach gekommen
und hat viele arge Geschichten berichtet. Da liegen die Braunschweiger unter
dem Lothringer und sollen uns von den Welschen befreien. Aber bei ihnen
ist ein Herzog, der das Zaubern versteht, und von dem ganz arge Geschichten
berichtet werden. Er soll Mäuse machen können, und nachher Katzen, die sie
auffressen. Gerade wie der Luxemburg, der welsche General, der sich auch mit
Zauberkunst brüstet, und der doch bei seinem König hoch in Gnaden steht.
Ich bin nur bange, daß die arme Grill, die die Botengänge nach Koblenz
besorgt, und die vor etlichen Tagen wieder weggegangen ist, daß diese arme
Frau den Zauberern wenn nicht Marodeuren in die Hände gefallen ist. Ihre
Kinder sind zu mir gekommen und haben laut gejammert. Vier hat sie, und
keins kann sich allein helfen I"

Der Pfarrer hielt mit Sprechen inne und sah Sebastian an, als erwarte
er von ihm eine tröstliche Antwort. Denn er war in den Jahren, in denen
man gern sein Herz ausschüttet, um dann von einer jungen Stimme Trost zu
empfangen. Aber Sebastian hatte nichts von der Grill gehört. Er dachte an den
Herzog, der zaubern konnte, und wieder an die Hexe, die hier im Turm saß.

"Herr Pfarrer, sollte das Weib hier vielleicht im Solde dieses Herzogs
stehen und versuchen, unsere Seelen zu verderben?"

"Der Herzog ist unser Freund I" entgegnete Kohlbaum, aber auch er wurde
nachdenklich. "Wenigstens will er unser Freund sein, aber ich meine vernommen
zu haben, daß er zu den Lutherischen gehört, die da oben, wo es kalt ist und
kein Wein wächst, ihren Wohnsitz haben I"

"Und dieses Weib soll auch anders reden, als die Leute hier!" fiel
Sebastian ein, worauf der Pfarrer leise seufzte. Ach. er hatte keine Freude
an Hexen mehr; einmal in seinem Leben sah er eine brennen, und seit dem
Tage -- er stand schwerfällig auf.

"Junker, ich wollt euch von der armen Grill berichten und euch fragen,
ob Ihr den Jungen nicht gebrauchen könntet! Er ist acht Jahre alt und ganz
anstellig. Jupps Kätha, die Euch sonst die Stiefel bürstete und das Haus rein
hielt, hat doch jetzt wenig Zeit!"

Sebastian bekam einen roten Kopf. Was ging es den Pfarrer an, von
wem er sich die Stiefel bürsten ließ, und was sollte er mit einem achtjährigen
Knaben? Hatte die Geistlichkeit etwas dagegen, wenn eine ehrsame Jungfrau
für ihn sorgte? Aber er nahm sich zusammen.


Die Hexe von Mciyen

Sebastian redete gewandt und freute sich selbst darüber. Der Pfarrer
war eines kleinen Bauern Sohn, mit grobem Gesicht und groben Händen. Der
hatte nichts gelernt, als sein bischen Brevier; da mußte Sebastian doch zeigen,
wie er in Köln studiert und das Gelehrte behalten hatte.

Herr Kohlbaum hörte kaum auf die zierlichen Worte des Junkers; der
Hund war zu ihm gekommen, und er streichelte seinen struppigen Kopf. „Gut,
daß ihr einen Freund habt, Junker I Heutzutage sind die Hunde oft besser,
als die Menschen. Vorhin ist mein Brudersohn aus Andernach gekommen
und hat viele arge Geschichten berichtet. Da liegen die Braunschweiger unter
dem Lothringer und sollen uns von den Welschen befreien. Aber bei ihnen
ist ein Herzog, der das Zaubern versteht, und von dem ganz arge Geschichten
berichtet werden. Er soll Mäuse machen können, und nachher Katzen, die sie
auffressen. Gerade wie der Luxemburg, der welsche General, der sich auch mit
Zauberkunst brüstet, und der doch bei seinem König hoch in Gnaden steht.
Ich bin nur bange, daß die arme Grill, die die Botengänge nach Koblenz
besorgt, und die vor etlichen Tagen wieder weggegangen ist, daß diese arme
Frau den Zauberern wenn nicht Marodeuren in die Hände gefallen ist. Ihre
Kinder sind zu mir gekommen und haben laut gejammert. Vier hat sie, und
keins kann sich allein helfen I"

Der Pfarrer hielt mit Sprechen inne und sah Sebastian an, als erwarte
er von ihm eine tröstliche Antwort. Denn er war in den Jahren, in denen
man gern sein Herz ausschüttet, um dann von einer jungen Stimme Trost zu
empfangen. Aber Sebastian hatte nichts von der Grill gehört. Er dachte an den
Herzog, der zaubern konnte, und wieder an die Hexe, die hier im Turm saß.

„Herr Pfarrer, sollte das Weib hier vielleicht im Solde dieses Herzogs
stehen und versuchen, unsere Seelen zu verderben?"

„Der Herzog ist unser Freund I" entgegnete Kohlbaum, aber auch er wurde
nachdenklich. „Wenigstens will er unser Freund sein, aber ich meine vernommen
zu haben, daß er zu den Lutherischen gehört, die da oben, wo es kalt ist und
kein Wein wächst, ihren Wohnsitz haben I"

„Und dieses Weib soll auch anders reden, als die Leute hier!" fiel
Sebastian ein, worauf der Pfarrer leise seufzte. Ach. er hatte keine Freude
an Hexen mehr; einmal in seinem Leben sah er eine brennen, und seit dem
Tage — er stand schwerfällig auf.

„Junker, ich wollt euch von der armen Grill berichten und euch fragen,
ob Ihr den Jungen nicht gebrauchen könntet! Er ist acht Jahre alt und ganz
anstellig. Jupps Kätha, die Euch sonst die Stiefel bürstete und das Haus rein
hielt, hat doch jetzt wenig Zeit!"

Sebastian bekam einen roten Kopf. Was ging es den Pfarrer an, von
wem er sich die Stiefel bürsten ließ, und was sollte er mit einem achtjährigen
Knaben? Hatte die Geistlichkeit etwas dagegen, wenn eine ehrsame Jungfrau
für ihn sorgte? Aber er nahm sich zusammen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327700"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Hexe von Mciyen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1050"> Sebastian redete gewandt und freute sich selbst darüber. Der Pfarrer<lb/>
war eines kleinen Bauern Sohn, mit grobem Gesicht und groben Händen. Der<lb/>
hatte nichts gelernt, als sein bischen Brevier; da mußte Sebastian doch zeigen,<lb/>
wie er in Köln studiert und das Gelehrte behalten hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1051"> Herr Kohlbaum hörte kaum auf die zierlichen Worte des Junkers; der<lb/>
Hund war zu ihm gekommen, und er streichelte seinen struppigen Kopf. &#x201E;Gut,<lb/>
daß ihr einen Freund habt, Junker I Heutzutage sind die Hunde oft besser,<lb/>
als die Menschen. Vorhin ist mein Brudersohn aus Andernach gekommen<lb/>
und hat viele arge Geschichten berichtet. Da liegen die Braunschweiger unter<lb/>
dem Lothringer und sollen uns von den Welschen befreien. Aber bei ihnen<lb/>
ist ein Herzog, der das Zaubern versteht, und von dem ganz arge Geschichten<lb/>
berichtet werden. Er soll Mäuse machen können, und nachher Katzen, die sie<lb/>
auffressen. Gerade wie der Luxemburg, der welsche General, der sich auch mit<lb/>
Zauberkunst brüstet, und der doch bei seinem König hoch in Gnaden steht.<lb/>
Ich bin nur bange, daß die arme Grill, die die Botengänge nach Koblenz<lb/>
besorgt, und die vor etlichen Tagen wieder weggegangen ist, daß diese arme<lb/>
Frau den Zauberern wenn nicht Marodeuren in die Hände gefallen ist. Ihre<lb/>
Kinder sind zu mir gekommen und haben laut gejammert. Vier hat sie, und<lb/>
keins kann sich allein helfen I"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1052"> Der Pfarrer hielt mit Sprechen inne und sah Sebastian an, als erwarte<lb/>
er von ihm eine tröstliche Antwort. Denn er war in den Jahren, in denen<lb/>
man gern sein Herz ausschüttet, um dann von einer jungen Stimme Trost zu<lb/>
empfangen. Aber Sebastian hatte nichts von der Grill gehört. Er dachte an den<lb/>
Herzog, der zaubern konnte, und wieder an die Hexe, die hier im Turm saß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1053"> &#x201E;Herr Pfarrer, sollte das Weib hier vielleicht im Solde dieses Herzogs<lb/>
stehen und versuchen, unsere Seelen zu verderben?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1054"> &#x201E;Der Herzog ist unser Freund I" entgegnete Kohlbaum, aber auch er wurde<lb/>
nachdenklich. &#x201E;Wenigstens will er unser Freund sein, aber ich meine vernommen<lb/>
zu haben, daß er zu den Lutherischen gehört, die da oben, wo es kalt ist und<lb/>
kein Wein wächst, ihren Wohnsitz haben I"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1055"> &#x201E;Und dieses Weib soll auch anders reden, als die Leute hier!" fiel<lb/>
Sebastian ein, worauf der Pfarrer leise seufzte. Ach. er hatte keine Freude<lb/>
an Hexen mehr; einmal in seinem Leben sah er eine brennen, und seit dem<lb/>
Tage &#x2014; er stand schwerfällig auf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1056"> &#x201E;Junker, ich wollt euch von der armen Grill berichten und euch fragen,<lb/>
ob Ihr den Jungen nicht gebrauchen könntet! Er ist acht Jahre alt und ganz<lb/>
anstellig. Jupps Kätha, die Euch sonst die Stiefel bürstete und das Haus rein<lb/>
hielt, hat doch jetzt wenig Zeit!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1057"> Sebastian bekam einen roten Kopf. Was ging es den Pfarrer an, von<lb/>
wem er sich die Stiefel bürsten ließ, und was sollte er mit einem achtjährigen<lb/>
Knaben? Hatte die Geistlichkeit etwas dagegen, wenn eine ehrsame Jungfrau<lb/>
für ihn sorgte?  Aber er nahm sich zusammen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0234] Die Hexe von Mciyen Sebastian redete gewandt und freute sich selbst darüber. Der Pfarrer war eines kleinen Bauern Sohn, mit grobem Gesicht und groben Händen. Der hatte nichts gelernt, als sein bischen Brevier; da mußte Sebastian doch zeigen, wie er in Köln studiert und das Gelehrte behalten hatte. Herr Kohlbaum hörte kaum auf die zierlichen Worte des Junkers; der Hund war zu ihm gekommen, und er streichelte seinen struppigen Kopf. „Gut, daß ihr einen Freund habt, Junker I Heutzutage sind die Hunde oft besser, als die Menschen. Vorhin ist mein Brudersohn aus Andernach gekommen und hat viele arge Geschichten berichtet. Da liegen die Braunschweiger unter dem Lothringer und sollen uns von den Welschen befreien. Aber bei ihnen ist ein Herzog, der das Zaubern versteht, und von dem ganz arge Geschichten berichtet werden. Er soll Mäuse machen können, und nachher Katzen, die sie auffressen. Gerade wie der Luxemburg, der welsche General, der sich auch mit Zauberkunst brüstet, und der doch bei seinem König hoch in Gnaden steht. Ich bin nur bange, daß die arme Grill, die die Botengänge nach Koblenz besorgt, und die vor etlichen Tagen wieder weggegangen ist, daß diese arme Frau den Zauberern wenn nicht Marodeuren in die Hände gefallen ist. Ihre Kinder sind zu mir gekommen und haben laut gejammert. Vier hat sie, und keins kann sich allein helfen I" Der Pfarrer hielt mit Sprechen inne und sah Sebastian an, als erwarte er von ihm eine tröstliche Antwort. Denn er war in den Jahren, in denen man gern sein Herz ausschüttet, um dann von einer jungen Stimme Trost zu empfangen. Aber Sebastian hatte nichts von der Grill gehört. Er dachte an den Herzog, der zaubern konnte, und wieder an die Hexe, die hier im Turm saß. „Herr Pfarrer, sollte das Weib hier vielleicht im Solde dieses Herzogs stehen und versuchen, unsere Seelen zu verderben?" „Der Herzog ist unser Freund I" entgegnete Kohlbaum, aber auch er wurde nachdenklich. „Wenigstens will er unser Freund sein, aber ich meine vernommen zu haben, daß er zu den Lutherischen gehört, die da oben, wo es kalt ist und kein Wein wächst, ihren Wohnsitz haben I" „Und dieses Weib soll auch anders reden, als die Leute hier!" fiel Sebastian ein, worauf der Pfarrer leise seufzte. Ach. er hatte keine Freude an Hexen mehr; einmal in seinem Leben sah er eine brennen, und seit dem Tage — er stand schwerfällig auf. „Junker, ich wollt euch von der armen Grill berichten und euch fragen, ob Ihr den Jungen nicht gebrauchen könntet! Er ist acht Jahre alt und ganz anstellig. Jupps Kätha, die Euch sonst die Stiefel bürstete und das Haus rein hielt, hat doch jetzt wenig Zeit!" Sebastian bekam einen roten Kopf. Was ging es den Pfarrer an, von wem er sich die Stiefel bürsten ließ, und was sollte er mit einem achtjährigen Knaben? Hatte die Geistlichkeit etwas dagegen, wenn eine ehrsame Jungfrau für ihn sorgte? Aber er nahm sich zusammen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/234
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/234>, abgerufen am 01.01.2025.