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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Wilhelm Heinrich wackenroder

ernsthaft um die Angelegenheiten des Theaters bemüht ist, eigentlich nur noch
ein mitleidiges Lächeln übrig hat.

Wir wären damit am Ende unserer Betrachtung. Die bloßen Unter¬
haltungstheater, die Berlin jahraus, jahrein mit Scharen amüsementshungriger
Gäste füllt, sowie die mehr nach pädagogischen Zielen strebenden Volksbühnen
interessieren in diesem Zusammenhange nicht. Es bleibt somit nur die Frage
nach dem Resultat dieser Untersuchung, nach ihrer Bilanz sozusagen, offen. Nun,
soweit eine derartige Bilanz auf Grund eines knapp über vier Theatermonate
verteilten Matertals überhaupt möglich ist, darf wohl gesagt werden, daß der
vollkommene Mangel an neu durchgesetzten dichterischen Werten zweifellos das
Verblüffendste an diesem Übersichtsbilde ist. Wir sind gewiß im Augenblick
nicht reich an dramatischen Vollnaturen. Aber so armselig wie diesmal ist
die dichterische Ausbeute wohl noch nie gewesen. Da ist auch nichts, was über
den allerdürftigsten Durchschnitt hinausragt, nichts, was auch nur nach so etwas
wie einem Versprechen aussieht. Wenn der bisherige Theaterwinter trotz alle-
dem, als Ganzes betrachtet, eine ungewöhnliche Farbigkeit und Beweglichkeit im
guten und sogar im allerbesten Sinne aufweist, so liegt das ausschließlich an
dem durch die neue Konjunktur mächtig gehobenen Wettbewerb aller praktischen
Theatermänner, ausschließlich an den auf das edle Handwerk der Bühne be¬
schränkt gebliebenen Leistungen wertvoller Regisseure. Darum: seien wir naive
Optimisten und erwarten wir von der zweiten Hälfte des Winters alles, was
uns die erste schuldig blieb. Glück auf den Weg!




Wilhelm Heinrich Wackenroder
Ernst Ludwig Schellenberg von

el aller Stetigkeit seines Eifers und seiner eisernen Begier, irgend
etwas Vortreffliches hervorzubringen, besaß er zugleich eine gewisse
Blödigkeit und Eingeschränktheit des Geistes, bei welcher die Pflanze
der Kunst immer einen unterdrückten und gebrechlichen Wuchs
behält, und nie frei und gesund zum Himmel emporschießen kann:
eine unglückliche Konstellation der Gemütskräfte, welche schon manche Halb¬
künstler auf die Welt gesetzt hat." Ein junger Maler, der sich zu Raffael sehnt,
wird so in seines Wesens tiefsten Zügen erläutert; man kann sagen, daß jene
Worte auch Wackenroders Persönlichkeit umzeichnen. Es war in ihm eine heiße,
sehnsüchtige Liebe zur Kunst, welche sein Leben bestimmte und ihm Glanz


Wilhelm Heinrich wackenroder

ernsthaft um die Angelegenheiten des Theaters bemüht ist, eigentlich nur noch
ein mitleidiges Lächeln übrig hat.

Wir wären damit am Ende unserer Betrachtung. Die bloßen Unter¬
haltungstheater, die Berlin jahraus, jahrein mit Scharen amüsementshungriger
Gäste füllt, sowie die mehr nach pädagogischen Zielen strebenden Volksbühnen
interessieren in diesem Zusammenhange nicht. Es bleibt somit nur die Frage
nach dem Resultat dieser Untersuchung, nach ihrer Bilanz sozusagen, offen. Nun,
soweit eine derartige Bilanz auf Grund eines knapp über vier Theatermonate
verteilten Matertals überhaupt möglich ist, darf wohl gesagt werden, daß der
vollkommene Mangel an neu durchgesetzten dichterischen Werten zweifellos das
Verblüffendste an diesem Übersichtsbilde ist. Wir sind gewiß im Augenblick
nicht reich an dramatischen Vollnaturen. Aber so armselig wie diesmal ist
die dichterische Ausbeute wohl noch nie gewesen. Da ist auch nichts, was über
den allerdürftigsten Durchschnitt hinausragt, nichts, was auch nur nach so etwas
wie einem Versprechen aussieht. Wenn der bisherige Theaterwinter trotz alle-
dem, als Ganzes betrachtet, eine ungewöhnliche Farbigkeit und Beweglichkeit im
guten und sogar im allerbesten Sinne aufweist, so liegt das ausschließlich an
dem durch die neue Konjunktur mächtig gehobenen Wettbewerb aller praktischen
Theatermänner, ausschließlich an den auf das edle Handwerk der Bühne be¬
schränkt gebliebenen Leistungen wertvoller Regisseure. Darum: seien wir naive
Optimisten und erwarten wir von der zweiten Hälfte des Winters alles, was
uns die erste schuldig blieb. Glück auf den Weg!




Wilhelm Heinrich Wackenroder
Ernst Ludwig Schellenberg von

el aller Stetigkeit seines Eifers und seiner eisernen Begier, irgend
etwas Vortreffliches hervorzubringen, besaß er zugleich eine gewisse
Blödigkeit und Eingeschränktheit des Geistes, bei welcher die Pflanze
der Kunst immer einen unterdrückten und gebrechlichen Wuchs
behält, und nie frei und gesund zum Himmel emporschießen kann:
eine unglückliche Konstellation der Gemütskräfte, welche schon manche Halb¬
künstler auf die Welt gesetzt hat." Ein junger Maler, der sich zu Raffael sehnt,
wird so in seines Wesens tiefsten Zügen erläutert; man kann sagen, daß jene
Worte auch Wackenroders Persönlichkeit umzeichnen. Es war in ihm eine heiße,
sehnsüchtige Liebe zur Kunst, welche sein Leben bestimmte und ihm Glanz


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[0194] Wilhelm Heinrich wackenroder ernsthaft um die Angelegenheiten des Theaters bemüht ist, eigentlich nur noch ein mitleidiges Lächeln übrig hat. Wir wären damit am Ende unserer Betrachtung. Die bloßen Unter¬ haltungstheater, die Berlin jahraus, jahrein mit Scharen amüsementshungriger Gäste füllt, sowie die mehr nach pädagogischen Zielen strebenden Volksbühnen interessieren in diesem Zusammenhange nicht. Es bleibt somit nur die Frage nach dem Resultat dieser Untersuchung, nach ihrer Bilanz sozusagen, offen. Nun, soweit eine derartige Bilanz auf Grund eines knapp über vier Theatermonate verteilten Matertals überhaupt möglich ist, darf wohl gesagt werden, daß der vollkommene Mangel an neu durchgesetzten dichterischen Werten zweifellos das Verblüffendste an diesem Übersichtsbilde ist. Wir sind gewiß im Augenblick nicht reich an dramatischen Vollnaturen. Aber so armselig wie diesmal ist die dichterische Ausbeute wohl noch nie gewesen. Da ist auch nichts, was über den allerdürftigsten Durchschnitt hinausragt, nichts, was auch nur nach so etwas wie einem Versprechen aussieht. Wenn der bisherige Theaterwinter trotz alle- dem, als Ganzes betrachtet, eine ungewöhnliche Farbigkeit und Beweglichkeit im guten und sogar im allerbesten Sinne aufweist, so liegt das ausschließlich an dem durch die neue Konjunktur mächtig gehobenen Wettbewerb aller praktischen Theatermänner, ausschließlich an den auf das edle Handwerk der Bühne be¬ schränkt gebliebenen Leistungen wertvoller Regisseure. Darum: seien wir naive Optimisten und erwarten wir von der zweiten Hälfte des Winters alles, was uns die erste schuldig blieb. Glück auf den Weg! Wilhelm Heinrich Wackenroder Ernst Ludwig Schellenberg von el aller Stetigkeit seines Eifers und seiner eisernen Begier, irgend etwas Vortreffliches hervorzubringen, besaß er zugleich eine gewisse Blödigkeit und Eingeschränktheit des Geistes, bei welcher die Pflanze der Kunst immer einen unterdrückten und gebrechlichen Wuchs behält, und nie frei und gesund zum Himmel emporschießen kann: eine unglückliche Konstellation der Gemütskräfte, welche schon manche Halb¬ künstler auf die Welt gesetzt hat." Ein junger Maler, der sich zu Raffael sehnt, wird so in seines Wesens tiefsten Zügen erläutert; man kann sagen, daß jene Worte auch Wackenroders Persönlichkeit umzeichnen. Es war in ihm eine heiße, sehnsüchtige Liebe zur Kunst, welche sein Leben bestimmte und ihm Glanz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/194>, abgerufen am 29.12.2024.