Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Die Hexe von Mayen "Gottes Todt Dieser verwünschte Sturm!" "Laßt das Fluchen, JosiasI" meinte der andere. "Wir geben den Leuten "Gnädigster Herr, es ist doch übel, sich so verrieten zu haben! Eure "Ich glaube es nicht, Josias! Die letzten Nachrichten lauteten von der Der Herr wandte sich mit dieser unerwarteten Frage an Grill, und diese "Gnädige Herren," ihre Stimme klang weinerlich. "Ich bin eine arme "schwatz nicht lang! Hast du eine Botschaft?" Das war wieder der Begleiter, der so rauh redete; aber beim Kerzenlicht Sie griff in das Brusttuch und zog ihren Brief hervor. "Der Herr Stadtschreiber wollte, daß ein Franzosenherzog ihn kriegte. Sie brachte die Worte halb schluchzend hervor und der vornehme Herr "Laß sie mit uns kommen, Josias, vielleicht kann sie uns den Weg zum Ja, das konnte die Grill. Im Regen und Sturm lief sie neben den Einmal hielten sie ihre Pferde an und der, der Josias genannt wurde, Die Hexe von Mayen „Gottes Todt Dieser verwünschte Sturm!" „Laßt das Fluchen, JosiasI" meinte der andere. „Wir geben den Leuten „Gnädigster Herr, es ist doch übel, sich so verrieten zu haben! Eure „Ich glaube es nicht, Josias! Die letzten Nachrichten lauteten von der Der Herr wandte sich mit dieser unerwarteten Frage an Grill, und diese „Gnädige Herren," ihre Stimme klang weinerlich. „Ich bin eine arme „schwatz nicht lang! Hast du eine Botschaft?" Das war wieder der Begleiter, der so rauh redete; aber beim Kerzenlicht Sie griff in das Brusttuch und zog ihren Brief hervor. „Der Herr Stadtschreiber wollte, daß ein Franzosenherzog ihn kriegte. Sie brachte die Worte halb schluchzend hervor und der vornehme Herr „Laß sie mit uns kommen, Josias, vielleicht kann sie uns den Weg zum Ja, das konnte die Grill. Im Regen und Sturm lief sie neben den Einmal hielten sie ihre Pferde an und der, der Josias genannt wurde, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0184" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327650"/> <fw type="header" place="top"> Die Hexe von Mayen</fw><lb/> <p xml:id="ID_812"> „Gottes Todt Dieser verwünschte Sturm!"</p><lb/> <p xml:id="ID_813"> „Laßt das Fluchen, JosiasI" meinte der andere. „Wir geben den Leuten<lb/> hier ein schlechtes Beispiel. Sollten uns besser betragen als sie!"</p><lb/> <p xml:id="ID_814"> „Gnädigster Herr, es ist doch übel, sich so verrieten zu haben! Eure<lb/> Gnaden wollte nur ein wenig jenseits des Rheines reiten und nun sind wir<lb/> mitten in der Wildnis und wissen nicht, ob die Franzosen vielleicht in der<lb/> Nähe sind!"</p><lb/> <p xml:id="ID_815"> „Ich glaube es nicht, Josias! Die letzten Nachrichten lauteten von der<lb/> Mosel und ich meine, daß wir noch ein ganzes Stück bis dahin haben! 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Die Hexe von Mayen
„Gottes Todt Dieser verwünschte Sturm!"
„Laßt das Fluchen, JosiasI" meinte der andere. „Wir geben den Leuten
hier ein schlechtes Beispiel. Sollten uns besser betragen als sie!"
„Gnädigster Herr, es ist doch übel, sich so verrieten zu haben! Eure
Gnaden wollte nur ein wenig jenseits des Rheines reiten und nun sind wir
mitten in der Wildnis und wissen nicht, ob die Franzosen vielleicht in der
Nähe sind!"
„Ich glaube es nicht, Josias! Die letzten Nachrichten lauteten von der
Mosel und ich meine, daß wir noch ein ganzes Stück bis dahin haben! Wo
sind wir, gute Frau?"
Der Herr wandte sich mit dieser unerwarteten Frage an Grill, und diese
fuhr zusammen. Denn sie verstand nicht alles, was diese Herren redeten —
das scharfe Hochdeutsch war ihr eben so fremd wie anderen der weiche rheinische
Dialekt, aber soviel hörte sie doch, daß diese Reiter keine Franzosen und viel¬
leicht vornehme Leute waren. Umsonst aber wanderte sie nicht seit vielen
Jahren nach Koblenz, begegnete vornehmen Herren, und hatte doch auch einmal
den Kurfürsten gesehen.
„Gnädige Herren," ihre Stimme klang weinerlich. „Ich bin eine arme
Frau und muß tun, was mir die Obrigkeit gebeut. Und wenn diese will, daß
ich gen Eltz soll, wo die Franzosen brennen und morden, so —"
„schwatz nicht lang! Hast du eine Botschaft?"
Das war wieder der Begleiter, der so rauh redete; aber beim Kerzenlicht
hatte Grill doch gesehen, daß er weder alt war noch häßlich. Und wenn er
rauh redete, so wußte Grill, daß alle Männer so sprachen.
Sie griff in das Brusttuch und zog ihren Brief hervor.
„Der Herr Stadtschreiber wollte, daß ein Franzosenherzog ihn kriegte.
Aber wenn diese Herren deutsch reden und vielleicht nit so arg bös sind, so
kann ich ihn auch hier abgeben. Ich bin eine arme Witfrau und meine Kinder
hungern, wie wir alle in Mayen es tun!"
Sie brachte die Worte halb schluchzend hervor und der vornehme Herr
nahm ihr das Schreiben aus der Hand.
„Laß sie mit uns kommen, Josias, vielleicht kann sie uns den Weg zum
Rhein weisen!"
Ja, das konnte die Grill. Im Regen und Sturm lief sie neben den
beiden Reitern her, die ihre Tiere langsam gehen lassen mußten. Denn der
Weg war schlecht, voller Löcher und großer Steine. Die Herren hatten sich
verrieten. Landeinwärts wollten sie reiten von Andernach aus, und da waren
sie an die Berge gekommen, die sie nicht kannten und von denen sie nicht
wußten, ob nicht die Franzosen darin säßen.
Einmal hielten sie ihre Pferde an und der, der Josias genannt wurde,
holte aus seinem Mantelsack eine Lederflasche und einen goldenen Becher. Er
füllte ihn und der andere trank einige Schluck, um dann zu sagen, daß die
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