Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Die Hexe von Mayen "Das tut nicht nötig!" Der Stadtschreiber spielte mit seiner Feder. "Weißt du. wo Schloß Eltz liegt?" Sie machte eine bejahende Bewegung. "Ich habe gehört, da wären Franzosen --" "Mag sein!" Er sprach gleichgültig. "Bring diesen Brief an einen Wendemut sprach langsam und die Frau überkam ein Zittern. An der "Du wirst noch heut Abend gehen!" Lambert Wendemut sprach gleichgültig. "Den Brief lieferst du ab und der Herr Herzog wird dir eine Empfangs¬ Grill erwiderte kein Wort. Sie wunderte sich kaum. Die Mächtigen der Lies, ihre Älteste, sah sie fragend an. "Mutter, war da nit was im Korb für uns? Wir haben heute noch nix Grill zeigte mit dem Finger auf ein Wandbrett. Dort lag, gut eingepackt, Die Hexe von Mayen „Das tut nicht nötig!" Der Stadtschreiber spielte mit seiner Feder. „Weißt du. wo Schloß Eltz liegt?" Sie machte eine bejahende Bewegung. „Ich habe gehört, da wären Franzosen —" „Mag sein!" Er sprach gleichgültig. „Bring diesen Brief an einen Wendemut sprach langsam und die Frau überkam ein Zittern. An der „Du wirst noch heut Abend gehen!" Lambert Wendemut sprach gleichgültig. „Den Brief lieferst du ab und der Herr Herzog wird dir eine Empfangs¬ Grill erwiderte kein Wort. Sie wunderte sich kaum. Die Mächtigen der Lies, ihre Älteste, sah sie fragend an. „Mutter, war da nit was im Korb für uns? Wir haben heute noch nix Grill zeigte mit dem Finger auf ein Wandbrett. Dort lag, gut eingepackt, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327647"/> <fw type="header" place="top"> Die Hexe von Mayen</fw><lb/> <p xml:id="ID_782"> „Das tut nicht nötig!" Der Stadtschreiber spielte mit seiner Feder.</p><lb/> <p xml:id="ID_783"> „Weißt du. wo Schloß Eltz liegt?"</p><lb/> <p xml:id="ID_784"> Sie machte eine bejahende Bewegung.</p><lb/> <p xml:id="ID_785"> „Ich habe gehört, da wären Franzosen —"</p><lb/> <p xml:id="ID_786"> „Mag sein!" Er sprach gleichgültig. „Bring diesen Brief an einen<lb/> Kavalier, dessen Namen ich dir nenne. An keinen andern; wen du siehst, dem<lb/> mußt du sagen, daß du nur den Herzog von Tremouille sprechen willst. Ihm<lb/> gib den Brief! Er wird Dich belohnen!"</p><lb/> <p xml:id="ID_787"> Wendemut sprach langsam und die Frau überkam ein Zittern. An der<lb/> Mosel hausten die Franzosen wie die Wilden. Ganz Koblenz war voll gewesen<lb/> von ihren Schändlichkeiten. Der Kurfürst, der in Ehrenbreitstein wohnte, sollte<lb/> bitterlich geweint haben, wie er hörte, daß die Weinberge verbrannt wurden<lb/> und die Menschen gehängt und zu Tode gepeinigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_788"> „Du wirst noch heut Abend gehen!" Lambert Wendemut sprach gleichgültig.</p><lb/> <p xml:id="ID_789"> „Den Brief lieferst du ab und der Herr Herzog wird dir eine Empfangs¬<lb/> bestätigung geben. Zeigst du mir diese nicht vor, brauchst du nicht wieder<lb/> hierherzukommen. Deine Würmer werden dann aus der Stadt gejagt!"</p><lb/> <p xml:id="ID_790"> Grill erwiderte kein Wort. Sie wunderte sich kaum. Die Mächtigen der<lb/> Erde waren einmal so — wer ihnen nicht gehorchte, der mußte sterben oder<lb/> ins Gefängnis. Sie nahm den Brief, steckte ihn unter ihr Brusttuch und<lb/> horchte auf einige Weisungen, die ihr der Stadtschreiber noch erteilte. Ganz<lb/> spät, diesen Abend, sollte sie die Stadt verlassen. Mit einem Schein, daß sie<lb/> es durfte. Auch dies Papier hielt sie bald in der Hand, ging aus dem spitz-<lb/> giebligen Rathaus auf die Straße und merkte es kaum, daß es regnete und<lb/> daß der Wind scharf von der Eifel her wehte. Eilig schlüpfte sie in ein Neben-<lb/> gäßchen, wo ihre Wohnung lag, und sagte ihren Kindern kaum Guten Abend.<lb/> Die saßen um ein sparsames Feuer, das auf dem Herde brannte und kochten<lb/> eine magere Wassersuppe. Das älteste Mädchen war zwölf Jahre alt, die be¬<lb/> sorgte den elenden Hausstand, wusch und flickte für die anderen. Die Kinder<lb/> lachten vergnügt, als die Mutter eintrat. Wenn sie in Koblenz gewesen war,<lb/> gab es meistens nachher etwas Gutes zu essen. Ein Stück alten Platz vom<lb/> Bäcker, oder einige Knochen vom Fleischer, aus denen man Suppe kochen konnte.<lb/> Gestern hatte die Mutter auch etwas zu essen mitgebracht, aber sie war dann<lb/> gleich wieder weggelaufen, weil sie etwas verloren hatte, und das schien auch<lb/> heute noch nicht wieder da zu sein. Den ganzen Tag war Frau Grill um¬<lb/> hergelaufen, nun setzte sie sich auf einen Schemel und stützte den Kopf in<lb/> die Hand.</p><lb/> <p xml:id="ID_791"> Lies, ihre Älteste, sah sie fragend an.</p><lb/> <p xml:id="ID_792"> „Mutter, war da nit was im Korb für uns? Wir haben heute noch nix<lb/> zu essen gehabt!"</p><lb/> <p xml:id="ID_793"> Grill zeigte mit dem Finger auf ein Wandbrett. Dort lag, gut eingepackt,<lb/> ein Brot und ein kleines Stück Fleisch.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0181]
Die Hexe von Mayen
„Das tut nicht nötig!" Der Stadtschreiber spielte mit seiner Feder.
„Weißt du. wo Schloß Eltz liegt?"
Sie machte eine bejahende Bewegung.
„Ich habe gehört, da wären Franzosen —"
„Mag sein!" Er sprach gleichgültig. „Bring diesen Brief an einen
Kavalier, dessen Namen ich dir nenne. An keinen andern; wen du siehst, dem
mußt du sagen, daß du nur den Herzog von Tremouille sprechen willst. Ihm
gib den Brief! Er wird Dich belohnen!"
Wendemut sprach langsam und die Frau überkam ein Zittern. An der
Mosel hausten die Franzosen wie die Wilden. Ganz Koblenz war voll gewesen
von ihren Schändlichkeiten. Der Kurfürst, der in Ehrenbreitstein wohnte, sollte
bitterlich geweint haben, wie er hörte, daß die Weinberge verbrannt wurden
und die Menschen gehängt und zu Tode gepeinigt.
„Du wirst noch heut Abend gehen!" Lambert Wendemut sprach gleichgültig.
„Den Brief lieferst du ab und der Herr Herzog wird dir eine Empfangs¬
bestätigung geben. Zeigst du mir diese nicht vor, brauchst du nicht wieder
hierherzukommen. Deine Würmer werden dann aus der Stadt gejagt!"
Grill erwiderte kein Wort. Sie wunderte sich kaum. Die Mächtigen der
Erde waren einmal so — wer ihnen nicht gehorchte, der mußte sterben oder
ins Gefängnis. Sie nahm den Brief, steckte ihn unter ihr Brusttuch und
horchte auf einige Weisungen, die ihr der Stadtschreiber noch erteilte. Ganz
spät, diesen Abend, sollte sie die Stadt verlassen. Mit einem Schein, daß sie
es durfte. Auch dies Papier hielt sie bald in der Hand, ging aus dem spitz-
giebligen Rathaus auf die Straße und merkte es kaum, daß es regnete und
daß der Wind scharf von der Eifel her wehte. Eilig schlüpfte sie in ein Neben-
gäßchen, wo ihre Wohnung lag, und sagte ihren Kindern kaum Guten Abend.
Die saßen um ein sparsames Feuer, das auf dem Herde brannte und kochten
eine magere Wassersuppe. Das älteste Mädchen war zwölf Jahre alt, die be¬
sorgte den elenden Hausstand, wusch und flickte für die anderen. Die Kinder
lachten vergnügt, als die Mutter eintrat. Wenn sie in Koblenz gewesen war,
gab es meistens nachher etwas Gutes zu essen. Ein Stück alten Platz vom
Bäcker, oder einige Knochen vom Fleischer, aus denen man Suppe kochen konnte.
Gestern hatte die Mutter auch etwas zu essen mitgebracht, aber sie war dann
gleich wieder weggelaufen, weil sie etwas verloren hatte, und das schien auch
heute noch nicht wieder da zu sein. Den ganzen Tag war Frau Grill um¬
hergelaufen, nun setzte sie sich auf einen Schemel und stützte den Kopf in
die Hand.
Lies, ihre Älteste, sah sie fragend an.
„Mutter, war da nit was im Korb für uns? Wir haben heute noch nix
zu essen gehabt!"
Grill zeigte mit dem Finger auf ein Wandbrett. Dort lag, gut eingepackt,
ein Brot und ein kleines Stück Fleisch.
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