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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Zur Landarboiterfrage

Arbeiterschaft aus dem besitzlosen Proletariat in den Stand der Grundbesitzer,
die Verbesserung ihrer Wohnungsverhältnisse durch den Bau von Eigenheimen
und die Erhöhung ihres Einkommens durch die Erträge aus einer Land¬
wirtschaft, die, da sie Eigentum und kein kündbares Pachtland ist, zum
höchsten Reinertrag gebracht werden kann. Anwärter auf eine solche Stelle
kommen zwar ebenfalls häufig aus den Reihen der Deputatarbeiter,
es mehren sich aber zusehends die Fälle, wo auch städtische und Industrie¬
arbeiter, angeregt durch die Vorzüge des ländlichen Eigentums, sich an¬
siedeln lassen. Auch kommt von den Deputatarbeitern nicht jeder Arbeiter dafür
in Betracht, denn der Erwerb einer Eigentumsstelle erfordert die Leistung einer
Anzahlung von 500 bis 1000 Mark. Die Güter können also durch die Klein¬
siedlung nur solche Leute verlieren, die den Dienst ohnehin bald verlassen hätten,
um ihre Ersparnisse nutzbar zu machen, während die Schaffung von Miet¬
wohnungen mit Pachtgelegenheit in den Dörfern auch in die besitzlose Guts¬
arbeiterschaft Unruhe tragen muß. Berücksichtigt man ferner, daß die Ver¬
wandlung eines Deputatarbeiters in einen freien, zur Miete wohnenden Land¬
arbeiter gar nicht einmal im Interesse des Arbeiters liegt -- auch die mecklen¬
burgischen Etnlieger bildeten eine sehr unzufriedene Bevölkerungsschicht --. so
wird man sich in den östlichen Landesteilen besser darauf beschränken, die länd¬
lichen Arbeiterverhältnisse durch die bereits erörterten Maßnahmen zu verbessern,
die sich kurz dahin zusammenfassen lassen: Aufteilung größerer Güter in Bauern¬
stellen, um den Arbeiterbedarf der Landwirtschaft zu verringern, Bekämpfung
der Abwanderungslust der einheimischen Arbeiter durch Verbesserung der
Wohnungs- und Lohnverhältnisse auf den Gütern, und Heranziehung weiterer
einheimischer Arbeiter durch Schaffung von Halbbauern- und Arbeitereigentums¬
stellen. Daneben sind selbstverständlich alle Wohlfahrtsbestrebungen eifrig zu
fördern, die sich zum Ziele gesetzt haben, das Leben auf dem Lande angenehmer
zu gestalten und die Anhänglichkeit der Bevölkerung an die eigene Scholle zu
pflegen.




Zur Landarboiterfrage

Arbeiterschaft aus dem besitzlosen Proletariat in den Stand der Grundbesitzer,
die Verbesserung ihrer Wohnungsverhältnisse durch den Bau von Eigenheimen
und die Erhöhung ihres Einkommens durch die Erträge aus einer Land¬
wirtschaft, die, da sie Eigentum und kein kündbares Pachtland ist, zum
höchsten Reinertrag gebracht werden kann. Anwärter auf eine solche Stelle
kommen zwar ebenfalls häufig aus den Reihen der Deputatarbeiter,
es mehren sich aber zusehends die Fälle, wo auch städtische und Industrie¬
arbeiter, angeregt durch die Vorzüge des ländlichen Eigentums, sich an¬
siedeln lassen. Auch kommt von den Deputatarbeitern nicht jeder Arbeiter dafür
in Betracht, denn der Erwerb einer Eigentumsstelle erfordert die Leistung einer
Anzahlung von 500 bis 1000 Mark. Die Güter können also durch die Klein¬
siedlung nur solche Leute verlieren, die den Dienst ohnehin bald verlassen hätten,
um ihre Ersparnisse nutzbar zu machen, während die Schaffung von Miet¬
wohnungen mit Pachtgelegenheit in den Dörfern auch in die besitzlose Guts¬
arbeiterschaft Unruhe tragen muß. Berücksichtigt man ferner, daß die Ver¬
wandlung eines Deputatarbeiters in einen freien, zur Miete wohnenden Land¬
arbeiter gar nicht einmal im Interesse des Arbeiters liegt — auch die mecklen¬
burgischen Etnlieger bildeten eine sehr unzufriedene Bevölkerungsschicht —. so
wird man sich in den östlichen Landesteilen besser darauf beschränken, die länd¬
lichen Arbeiterverhältnisse durch die bereits erörterten Maßnahmen zu verbessern,
die sich kurz dahin zusammenfassen lassen: Aufteilung größerer Güter in Bauern¬
stellen, um den Arbeiterbedarf der Landwirtschaft zu verringern, Bekämpfung
der Abwanderungslust der einheimischen Arbeiter durch Verbesserung der
Wohnungs- und Lohnverhältnisse auf den Gütern, und Heranziehung weiterer
einheimischer Arbeiter durch Schaffung von Halbbauern- und Arbeitereigentums¬
stellen. Daneben sind selbstverständlich alle Wohlfahrtsbestrebungen eifrig zu
fördern, die sich zum Ziele gesetzt haben, das Leben auf dem Lande angenehmer
zu gestalten und die Anhänglichkeit der Bevölkerung an die eigene Scholle zu
pflegen.




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[0178] Zur Landarboiterfrage Arbeiterschaft aus dem besitzlosen Proletariat in den Stand der Grundbesitzer, die Verbesserung ihrer Wohnungsverhältnisse durch den Bau von Eigenheimen und die Erhöhung ihres Einkommens durch die Erträge aus einer Land¬ wirtschaft, die, da sie Eigentum und kein kündbares Pachtland ist, zum höchsten Reinertrag gebracht werden kann. Anwärter auf eine solche Stelle kommen zwar ebenfalls häufig aus den Reihen der Deputatarbeiter, es mehren sich aber zusehends die Fälle, wo auch städtische und Industrie¬ arbeiter, angeregt durch die Vorzüge des ländlichen Eigentums, sich an¬ siedeln lassen. Auch kommt von den Deputatarbeitern nicht jeder Arbeiter dafür in Betracht, denn der Erwerb einer Eigentumsstelle erfordert die Leistung einer Anzahlung von 500 bis 1000 Mark. Die Güter können also durch die Klein¬ siedlung nur solche Leute verlieren, die den Dienst ohnehin bald verlassen hätten, um ihre Ersparnisse nutzbar zu machen, während die Schaffung von Miet¬ wohnungen mit Pachtgelegenheit in den Dörfern auch in die besitzlose Guts¬ arbeiterschaft Unruhe tragen muß. Berücksichtigt man ferner, daß die Ver¬ wandlung eines Deputatarbeiters in einen freien, zur Miete wohnenden Land¬ arbeiter gar nicht einmal im Interesse des Arbeiters liegt — auch die mecklen¬ burgischen Etnlieger bildeten eine sehr unzufriedene Bevölkerungsschicht —. so wird man sich in den östlichen Landesteilen besser darauf beschränken, die länd¬ lichen Arbeiterverhältnisse durch die bereits erörterten Maßnahmen zu verbessern, die sich kurz dahin zusammenfassen lassen: Aufteilung größerer Güter in Bauern¬ stellen, um den Arbeiterbedarf der Landwirtschaft zu verringern, Bekämpfung der Abwanderungslust der einheimischen Arbeiter durch Verbesserung der Wohnungs- und Lohnverhältnisse auf den Gütern, und Heranziehung weiterer einheimischer Arbeiter durch Schaffung von Halbbauern- und Arbeitereigentums¬ stellen. Daneben sind selbstverständlich alle Wohlfahrtsbestrebungen eifrig zu fördern, die sich zum Ziele gesetzt haben, das Leben auf dem Lande angenehmer zu gestalten und die Anhänglichkeit der Bevölkerung an die eigene Scholle zu pflegen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/178>, abgerufen am 29.12.2024.