Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Z"r Landarbeiterfrage Fortschritte gemacht habe. Daher verspreche die Schaffung von Mietwohnungen Diese Ausführungen sind sehr bestechend, für Mecklenburg werden sie Zunächst: Werden Mietwohnungen mit ein wenig Pachtland in den Dörfern Die Wohnungen, die ein Kleinstellenbesitzer vermietet und zwar zu einem So werden im Osten voraussichtlich alle Beteiligten ihre Mitwirkung bei Z«r Landarbeiterfrage Fortschritte gemacht habe. Daher verspreche die Schaffung von Mietwohnungen Diese Ausführungen sind sehr bestechend, für Mecklenburg werden sie Zunächst: Werden Mietwohnungen mit ein wenig Pachtland in den Dörfern Die Wohnungen, die ein Kleinstellenbesitzer vermietet und zwar zu einem So werden im Osten voraussichtlich alle Beteiligten ihre Mitwirkung bei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0177" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327643"/> <fw type="header" place="top"> Z«r Landarbeiterfrage</fw><lb/> <p xml:id="ID_754" prev="#ID_753"> Fortschritte gemacht habe. Daher verspreche die Schaffung von Mietwohnungen<lb/> in den Dörfern mit Pachtgelegenheit mehr praktischen Erfolg, als die Prä¬<lb/> miierung von Stellen, durch die man den Landarbeiter künstlich in eine Lage<lb/> versetzen wolle, die er nicht begehre und für die er nicht passe. Als Vermieter<lb/> kämen in erster Linie die Besitzer kleiner Stellen (Häusler) in Betracht, die<lb/> durch Gewährung größerer Baudarlehen oder Überweisung von Landzulagen<lb/> zur Einrichtung von Mietwohnungen auf ihrem Gehöft angeregt werden müßten.</p><lb/> <p xml:id="ID_755"> Diese Ausführungen sind sehr bestechend, für Mecklenburg werden sie<lb/> auch zutreffend sein. Für die östlichen Landesteile drängen sich aber doch Be¬<lb/> denken auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_756"> Zunächst: Werden Mietwohnungen mit ein wenig Pachtland in den Dörfern<lb/> überhaupt begehrt sein? Ich möchte es bezweifeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_757"> Die Wohnungen, die ein Kleinstellenbesitzer vermietet und zwar zu einem<lb/> möglichst hohen Mietzins, pflegen nicht besser zu sein als die Wohnungen der<lb/> Deputatarbeiter auf den Gütern, und auch das von der Gemeinde für die<lb/> Mieter zur Verfügung zu stellende Pachtland wird den Ansprüchen der Leute,<lb/> was Bodengüte, Größe und Entfernung vom Hause betrifft, schwerlich genügen.<lb/> Die Mieter werden bald merken, daß sie in Wohnung und Landnutzung nicht<lb/> besser stehen als auf dem Gute, wo ein halber Morgen Gartenland und ein<lb/> Morgen Kartoffelacker gut bestellt und gedüngt, sowie freies Futter für eine<lb/> Kuh zu ihren Bezügen gehörten. In feinen Arbeitsverhältnissen aber steht jeder<lb/> Mieter schlechter als der auf mindestens ein Jahr verdungene Deputatarbeiter,<lb/> da er sich die Arbeit — oft in weiter Entfernung von seiner Wohnstätte —<lb/> selbst suchen muß und im Winter häufig ohne Beschäftigung ist. Auch mit Pacht¬<lb/> land werden die Mieter auf dem Lande daher stets ein unzufriedenes, dem Einfluß<lb/> der Sozialdemokratie leicht zugängliches Proletariat sein. Ich kann mir ferner nicht<lb/> denken, daß die Gemeinden die Hand dazu bieten werden, die Mieterbevölkerung<lb/> im Dorfe zu vermehren; denn abgesehen davon, daß die Bauern nur höchst<lb/> ungern Land abgeben, müssen sie befürchten, daß ihnen aus der Vermehrung<lb/> der armen Bevölkerung größere Armenlasten erwachsen. Endlich wird auch dem<lb/> Großgrundbesitzer mit einer solchen Umsetzung von Arbeitern kein Gefallen getan.<lb/> Denn woher werden die Bewerber um eine Mietwohnung mit Pachtland<lb/> kommen? Zweifellos ausschließlich aus der Deputatarbeiterschaft der Güter,<lb/> deren Zusammenschmelzen die Besitzer schon jetzt mit Sorge beobachten. Denn<lb/> daß das Vorhandensein von Mietwohnungen mit Pachtland in den Dörfern<lb/> eine Rückwanderung ehemaliger Landarbeiter aus den Städten und den In-<lb/> dustriebezirken auf das platte Land zur Folge haben wird, wird wohl niemand<lb/> glauben.</p><lb/> <p xml:id="ID_758" next="#ID_759"> So werden im Osten voraussichtlich alle Beteiligten ihre Mitwirkung bei<lb/> der Durchführung des von Oertzenschen Vorschlages versagen. Es fehlt ihm<lb/> auch meines Erachtens gerade das, was bei der Ansiedlung von Landarbeitern<lb/> auf Eigentumsstellen den Erfolg verspricht: die soziale Hebung der ländlichen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0177]
Z«r Landarbeiterfrage
Fortschritte gemacht habe. Daher verspreche die Schaffung von Mietwohnungen
in den Dörfern mit Pachtgelegenheit mehr praktischen Erfolg, als die Prä¬
miierung von Stellen, durch die man den Landarbeiter künstlich in eine Lage
versetzen wolle, die er nicht begehre und für die er nicht passe. Als Vermieter
kämen in erster Linie die Besitzer kleiner Stellen (Häusler) in Betracht, die
durch Gewährung größerer Baudarlehen oder Überweisung von Landzulagen
zur Einrichtung von Mietwohnungen auf ihrem Gehöft angeregt werden müßten.
Diese Ausführungen sind sehr bestechend, für Mecklenburg werden sie
auch zutreffend sein. Für die östlichen Landesteile drängen sich aber doch Be¬
denken auf.
Zunächst: Werden Mietwohnungen mit ein wenig Pachtland in den Dörfern
überhaupt begehrt sein? Ich möchte es bezweifeln.
Die Wohnungen, die ein Kleinstellenbesitzer vermietet und zwar zu einem
möglichst hohen Mietzins, pflegen nicht besser zu sein als die Wohnungen der
Deputatarbeiter auf den Gütern, und auch das von der Gemeinde für die
Mieter zur Verfügung zu stellende Pachtland wird den Ansprüchen der Leute,
was Bodengüte, Größe und Entfernung vom Hause betrifft, schwerlich genügen.
Die Mieter werden bald merken, daß sie in Wohnung und Landnutzung nicht
besser stehen als auf dem Gute, wo ein halber Morgen Gartenland und ein
Morgen Kartoffelacker gut bestellt und gedüngt, sowie freies Futter für eine
Kuh zu ihren Bezügen gehörten. In feinen Arbeitsverhältnissen aber steht jeder
Mieter schlechter als der auf mindestens ein Jahr verdungene Deputatarbeiter,
da er sich die Arbeit — oft in weiter Entfernung von seiner Wohnstätte —
selbst suchen muß und im Winter häufig ohne Beschäftigung ist. Auch mit Pacht¬
land werden die Mieter auf dem Lande daher stets ein unzufriedenes, dem Einfluß
der Sozialdemokratie leicht zugängliches Proletariat sein. Ich kann mir ferner nicht
denken, daß die Gemeinden die Hand dazu bieten werden, die Mieterbevölkerung
im Dorfe zu vermehren; denn abgesehen davon, daß die Bauern nur höchst
ungern Land abgeben, müssen sie befürchten, daß ihnen aus der Vermehrung
der armen Bevölkerung größere Armenlasten erwachsen. Endlich wird auch dem
Großgrundbesitzer mit einer solchen Umsetzung von Arbeitern kein Gefallen getan.
Denn woher werden die Bewerber um eine Mietwohnung mit Pachtland
kommen? Zweifellos ausschließlich aus der Deputatarbeiterschaft der Güter,
deren Zusammenschmelzen die Besitzer schon jetzt mit Sorge beobachten. Denn
daß das Vorhandensein von Mietwohnungen mit Pachtland in den Dörfern
eine Rückwanderung ehemaliger Landarbeiter aus den Städten und den In-
dustriebezirken auf das platte Land zur Folge haben wird, wird wohl niemand
glauben.
So werden im Osten voraussichtlich alle Beteiligten ihre Mitwirkung bei
der Durchführung des von Oertzenschen Vorschlages versagen. Es fehlt ihm
auch meines Erachtens gerade das, was bei der Ansiedlung von Landarbeitern
auf Eigentumsstellen den Erfolg verspricht: die soziale Hebung der ländlichen
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