Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Reichsspiegel selbstmörderischen Internationalismus, der sich dem Augenschein nach in Presse und Kehren wir nun zu der eingangs gemachten Feststellung zurück, so ergibt sich, Reichsspiegel selbstmörderischen Internationalismus, der sich dem Augenschein nach in Presse und Kehren wir nun zu der eingangs gemachten Feststellung zurück, so ergibt sich, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0148" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327614"/> <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_630" prev="#ID_629"> selbstmörderischen Internationalismus, der sich dem Augenschein nach in Presse und<lb/> Parlament so außerordentlich breit gemacht hat Das kraftvolle Auftreten eines<lb/> seiner Verantwortung voll bewußten Mannes, wie es Oberst von Reuter ist,<lb/> hat genügt, um ein millionenfaches Echo zu wecken: „Gott sei Dank, es gibt<lb/> also doch noch Männer in verantwortlichen Stellungen!" Wenn bisher dem<lb/> Obersten von Reuter gegen sechzigtausend zustimmende Zuschriften geworden find,<lb/> so kommt das einer Kundgebung gleich, aus der wir schließen können, daß die<lb/> überwältigende Mehrheit des Volkes ganz instinktiv auf die Seite des Obersten<lb/> getreten ist, der doch formell die bürgerlichen Freiheiten antastete. Ans dem<lb/> gesunden Empfinden heraus, daß hier ein Mann steht, auf den man sich in jeder<lb/> schwierigen Situation wird verlassen können, ist diese Stellungnahme möglich I<lb/> Und nicht nur deshalb: sondern in dem erhebenden Bewußtsein, daß neben dem<lb/> Wirken des Intellekts, der nur zu leicht ein dem gesunde» Menschenverstande<lb/> unverständliches Recht konstruiert, in der Armee, in diesem Extrakt der Volkskraft,<lb/> noch Überzeugungstreue und Mannesmut frisch gesunden und sich entwickeln können.<lb/> Für unsere in Paragraphen geschnürte Zeit eine Entdeckung, die politisch nicht<lb/> hoch genug veranschlagt werden kann. Es gibt also doch noch eine Fülle mora¬<lb/> lischer Kräfte, die die Monarchie, der Staat, die Regierung nur zu nutzen<lb/> brauchen, um selbst nach innen und außen stark dazustehen. Wir haben wie<lb/> durch ein Plebiszit einen Maßstab für unsere Kraft gewonnen, besser und sicherer,<lb/> als wie er in der Bewilligung des Wehrbeitrages durch den Reichstag ge¬<lb/> geben war.</p><lb/> <p xml:id="ID_631" next="#ID_632"> Kehren wir nun zu der eingangs gemachten Feststellung zurück, so ergibt sich,<lb/> daß es nur der Appell an die gesunden Instinkte der Nation sein kann und sein muß,<lb/> der die Regierung auch in Zukunft befähigen könnte, ihren Apparat wieder auf die<lb/> Höhe zu bringen, die der Tüchtigkeit des Volks entspräche. Gerade die Fest¬<lb/> stellungen und das Auftreten der Konservativen im preußischen Landtage sprechen<lb/> für meine Auffassung, daß die Regierung, also auch die Monarchie, nur dadurch<lb/> Kräftigung erfahren kann, daß sie sich immer erneut aus den Reichtümern und<lb/> Kräften des Volkes ergänzt und Kräfte faugt. Gewiß: die Geschichte Preußens<lb/> weist den König in erster Linie auf seine Beamtenschaft und nicht auf die Par-<lb/> lamente hin. Steht aber daneben nicht die Geschichte der Befreiungskriege und der<lb/> Reichsgründung? Gewiß: eine gesunde Beamtenpolitik—das ist eine solche, die<lb/> nur den Tüchtigen befähigt, auf den führenden Platz zu gelangen —, wird den<lb/> Einfluß egoistischer, schädlicher Personen in Presse und Parlament in diejenigen<lb/> Schranken zurückdrängen, die notwendig sind, um einen sicheren Gang des Re-<lb/> gierungsapparates zu gewährleisten und die Bevölkerung mit Vertrauen in die<lb/> Unabhängigkeit der Regierung zu erfüllen. Wie aber, wenn in der Personal¬<lb/> politik des führenden Bundesstaates die guten Traditionen der Beamtenschaft<lb/> schon ganz erheblich erschüttert erscheinen, wenn sich dieser Domäne königlicher<lb/> Macht, wie Borussicus meint, Parteien»flusse zu bemächtigen beginnen!? Wie,<lb/> wenn sich die Beamienschule nicht mehr sähig erweist, Staatsmänner heranzu</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0148]
Reichsspiegel
selbstmörderischen Internationalismus, der sich dem Augenschein nach in Presse und
Parlament so außerordentlich breit gemacht hat Das kraftvolle Auftreten eines
seiner Verantwortung voll bewußten Mannes, wie es Oberst von Reuter ist,
hat genügt, um ein millionenfaches Echo zu wecken: „Gott sei Dank, es gibt
also doch noch Männer in verantwortlichen Stellungen!" Wenn bisher dem
Obersten von Reuter gegen sechzigtausend zustimmende Zuschriften geworden find,
so kommt das einer Kundgebung gleich, aus der wir schließen können, daß die
überwältigende Mehrheit des Volkes ganz instinktiv auf die Seite des Obersten
getreten ist, der doch formell die bürgerlichen Freiheiten antastete. Ans dem
gesunden Empfinden heraus, daß hier ein Mann steht, auf den man sich in jeder
schwierigen Situation wird verlassen können, ist diese Stellungnahme möglich I
Und nicht nur deshalb: sondern in dem erhebenden Bewußtsein, daß neben dem
Wirken des Intellekts, der nur zu leicht ein dem gesunde» Menschenverstande
unverständliches Recht konstruiert, in der Armee, in diesem Extrakt der Volkskraft,
noch Überzeugungstreue und Mannesmut frisch gesunden und sich entwickeln können.
Für unsere in Paragraphen geschnürte Zeit eine Entdeckung, die politisch nicht
hoch genug veranschlagt werden kann. Es gibt also doch noch eine Fülle mora¬
lischer Kräfte, die die Monarchie, der Staat, die Regierung nur zu nutzen
brauchen, um selbst nach innen und außen stark dazustehen. Wir haben wie
durch ein Plebiszit einen Maßstab für unsere Kraft gewonnen, besser und sicherer,
als wie er in der Bewilligung des Wehrbeitrages durch den Reichstag ge¬
geben war.
Kehren wir nun zu der eingangs gemachten Feststellung zurück, so ergibt sich,
daß es nur der Appell an die gesunden Instinkte der Nation sein kann und sein muß,
der die Regierung auch in Zukunft befähigen könnte, ihren Apparat wieder auf die
Höhe zu bringen, die der Tüchtigkeit des Volks entspräche. Gerade die Fest¬
stellungen und das Auftreten der Konservativen im preußischen Landtage sprechen
für meine Auffassung, daß die Regierung, also auch die Monarchie, nur dadurch
Kräftigung erfahren kann, daß sie sich immer erneut aus den Reichtümern und
Kräften des Volkes ergänzt und Kräfte faugt. Gewiß: die Geschichte Preußens
weist den König in erster Linie auf seine Beamtenschaft und nicht auf die Par-
lamente hin. Steht aber daneben nicht die Geschichte der Befreiungskriege und der
Reichsgründung? Gewiß: eine gesunde Beamtenpolitik—das ist eine solche, die
nur den Tüchtigen befähigt, auf den führenden Platz zu gelangen —, wird den
Einfluß egoistischer, schädlicher Personen in Presse und Parlament in diejenigen
Schranken zurückdrängen, die notwendig sind, um einen sicheren Gang des Re-
gierungsapparates zu gewährleisten und die Bevölkerung mit Vertrauen in die
Unabhängigkeit der Regierung zu erfüllen. Wie aber, wenn in der Personal¬
politik des führenden Bundesstaates die guten Traditionen der Beamtenschaft
schon ganz erheblich erschüttert erscheinen, wenn sich dieser Domäne königlicher
Macht, wie Borussicus meint, Parteien»flusse zu bemächtigen beginnen!? Wie,
wenn sich die Beamienschule nicht mehr sähig erweist, Staatsmänner heranzu
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