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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Die Hexe von Mayer

war sie hier, trug Kleider wie ein Edelfräulein und wollte den hochheiligen
Abt von Laach sehen!

Kätha sprach sich atemlos und Sebastian fühlte, wie es ihm mit Schaudern
über den Leib lief. So eine Verworfene hatte er noch nie gesehen und es
drängte ihn, ihre Seele zu retten!

Aber Frau von Bremer, die aufmerksam zugehört hatte, schüttelte
den Kopf.

"Mir will scheinen, daß dies keine Hexe ist, und nur eine, die vielleicht
zu dem deutschen Heer gehört, das hart am Rhein steht. Bei ihm sind manche,
die sich lutherisch nennen und von unserem Glauben nichts wissen wollen. Aber
sie wollen uns helfen, den Feind zu vertreiben, und daher dürfen wir nicht
unbarmherzig gegen Fremdlinge sein! Dem hochwürdigen Abt werde ich Be¬
scheid zukommen lassen, daß er von dem Mägdlein hört, die nach ihm verlangt.
Oder wenn sie wirklich schreiben kann, könnte ich auch ein Brieflein besorgen!"

Kätha machte eine entsetzte Gebärde. Ihr war der Kater unheimlich, der
noch immer auf Frau von Bremers Arm saß und sie mit grünen Augen an¬
starrte. War das nicht vielleicht der Böse, der jetzt auch aus der Edelfrau sprach?
Wäre der blanke Gulden nicht gewesen, sie würde unwirsch geworden sein; jetzt
murmelte sie nur einige unverständliche Worte, und da auch Jupp wieder
erschien, ein wenig schwankend auf den Füßen, aber fest im Glauben an die
Hexe, so ging Frau von Bremer davon. Sie wußte, daß es unverständig war,
fremde Menschen zu verteidigen. Jedes Dorf, jede kleine Stadt hatte damals
sein Hexengericht: dagegen half sogar nicht einmal der Krieg und der Feind,
der vielleicht bald vor den Toren stehen würde.

(Fortsetzung folgt).




Die Hexe von Mayer

war sie hier, trug Kleider wie ein Edelfräulein und wollte den hochheiligen
Abt von Laach sehen!

Kätha sprach sich atemlos und Sebastian fühlte, wie es ihm mit Schaudern
über den Leib lief. So eine Verworfene hatte er noch nie gesehen und es
drängte ihn, ihre Seele zu retten!

Aber Frau von Bremer, die aufmerksam zugehört hatte, schüttelte
den Kopf.

„Mir will scheinen, daß dies keine Hexe ist, und nur eine, die vielleicht
zu dem deutschen Heer gehört, das hart am Rhein steht. Bei ihm sind manche,
die sich lutherisch nennen und von unserem Glauben nichts wissen wollen. Aber
sie wollen uns helfen, den Feind zu vertreiben, und daher dürfen wir nicht
unbarmherzig gegen Fremdlinge sein! Dem hochwürdigen Abt werde ich Be¬
scheid zukommen lassen, daß er von dem Mägdlein hört, die nach ihm verlangt.
Oder wenn sie wirklich schreiben kann, könnte ich auch ein Brieflein besorgen!"

Kätha machte eine entsetzte Gebärde. Ihr war der Kater unheimlich, der
noch immer auf Frau von Bremers Arm saß und sie mit grünen Augen an¬
starrte. War das nicht vielleicht der Böse, der jetzt auch aus der Edelfrau sprach?
Wäre der blanke Gulden nicht gewesen, sie würde unwirsch geworden sein; jetzt
murmelte sie nur einige unverständliche Worte, und da auch Jupp wieder
erschien, ein wenig schwankend auf den Füßen, aber fest im Glauben an die
Hexe, so ging Frau von Bremer davon. Sie wußte, daß es unverständig war,
fremde Menschen zu verteidigen. Jedes Dorf, jede kleine Stadt hatte damals
sein Hexengericht: dagegen half sogar nicht einmal der Krieg und der Feind,
der vielleicht bald vor den Toren stehen würde.

(Fortsetzung folgt).




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[0138] Die Hexe von Mayer war sie hier, trug Kleider wie ein Edelfräulein und wollte den hochheiligen Abt von Laach sehen! Kätha sprach sich atemlos und Sebastian fühlte, wie es ihm mit Schaudern über den Leib lief. So eine Verworfene hatte er noch nie gesehen und es drängte ihn, ihre Seele zu retten! Aber Frau von Bremer, die aufmerksam zugehört hatte, schüttelte den Kopf. „Mir will scheinen, daß dies keine Hexe ist, und nur eine, die vielleicht zu dem deutschen Heer gehört, das hart am Rhein steht. Bei ihm sind manche, die sich lutherisch nennen und von unserem Glauben nichts wissen wollen. Aber sie wollen uns helfen, den Feind zu vertreiben, und daher dürfen wir nicht unbarmherzig gegen Fremdlinge sein! Dem hochwürdigen Abt werde ich Be¬ scheid zukommen lassen, daß er von dem Mägdlein hört, die nach ihm verlangt. Oder wenn sie wirklich schreiben kann, könnte ich auch ein Brieflein besorgen!" Kätha machte eine entsetzte Gebärde. Ihr war der Kater unheimlich, der noch immer auf Frau von Bremers Arm saß und sie mit grünen Augen an¬ starrte. War das nicht vielleicht der Böse, der jetzt auch aus der Edelfrau sprach? Wäre der blanke Gulden nicht gewesen, sie würde unwirsch geworden sein; jetzt murmelte sie nur einige unverständliche Worte, und da auch Jupp wieder erschien, ein wenig schwankend auf den Füßen, aber fest im Glauben an die Hexe, so ging Frau von Bremer davon. Sie wußte, daß es unverständig war, fremde Menschen zu verteidigen. Jedes Dorf, jede kleine Stadt hatte damals sein Hexengericht: dagegen half sogar nicht einmal der Krieg und der Feind, der vielleicht bald vor den Toren stehen würde. (Fortsetzung folgt).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/138>, abgerufen am 29.12.2024.