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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Die Hexe von Mayen

"Oder auch nichts!" entgegnete die Edelfrau mit Achselzucken. "Heut¬
zutage nehmen die Franzosen die Pfründen und berauben die Klöster und
Burgen I"

"Gott wird Besserung geben!" Sebastian sprach salbungsvoll, wie er es
sich angewöhnt hatte und Frau von Bremer betrachtete ihn kühl.

"Ihr wißt mehr von der Welt als andere Leute! Uns andere will be-
dünken, daß der Feind immer näher kommt und daß der Jammer noch ärger
werden wird! Wäre ich ein Junker, ich ginge ins Reichsheer und suchte den
Feind zu verjagen! Das ist besser als hier zu sitzen und zu warten!"

Sie wandte sich wieder an Kätha.

"Gebt mir mein Tier! Ich gebe der Stadt einen Gulden, ist das nicht
mehr als genug sür des Katers Sünden?"

Sie warf einen Gulden aus den Tisch und Käthas Augen wurden groß.
Sie schlüpfte in den Schweinestall, und gleich darauf fegte ein roter Kater
durch den Raum und sprang der Edelfrau auf die Schulter. Dabei maunzte
er kläglich und drückte seinen dicken Kopf an ihre Schulter, als wollte er ihr
von der Unbill berichten, die ihm widerfahren. Die Herrin sprach begütigend
auf ihn ein.

"Ja, so ist es, wenn man in die Fremde geht und Dummheiten treibt!
Freu dich, daß ich von deinen Sünden erfuhr! Ein andermal wird es dir
nicht so gut!"

Sie wollte sich mit kurzem Gruß vom Junker verabschieden, als ihr dieser
in den Weg trat.

"Gestattet eine Frage, edle Frau! Ist Euer Kater vielleicht hierher¬
gekommen, weil er die Hexe im Turm spürte? Ihr wißt doch, daß der
Böse --"

"Eine Hexe ist hier im Turm?" Die Frau von Bremer schlug ein Kreuz,
aber dann schüttelte sie den Kopf.

"Heutzutage sollte man in Maven an anderes denken als an gottlose
Frauenspersonen!"

"Ich meine auch, daß sie vielleicht mehr eine Ketzerin ist als eine Hexe!"
schob Kätha ein. "Obgleich darin wohl wenig Unterschied ist!"

Der Kater miaute, als wollte er der Unterhaltung ein Ende machen,
aber Frau von Bremer blieb stehen. Kätha mußte berichten, wie ihr Vater
zu der Hexe gekommen war. In Kottenheim, dicht bei einem Steinbruch hatte
sie gesessen und über die heilige Anna gelacht, deren Bild dicht am Wege stand
und vor dem die Weiber von Kottenheim knieten, wenn sie etwas Besonderes
wünschten. Und eine Frau, die ihr einen Rosenkranz zwischen die Finger
drücken wollte, stieß sie zur Seite. Da war es doch gewiß, daß sie eine
Verruchte war und es war gut, daß Käthas Vater gerade vorüberkam, sonst
hätten die Kottenheimer sie ins Loch gesetzt und wohl gleich verbrannt. Nun


Die Hexe von Mayen

„Oder auch nichts!" entgegnete die Edelfrau mit Achselzucken. „Heut¬
zutage nehmen die Franzosen die Pfründen und berauben die Klöster und
Burgen I"

„Gott wird Besserung geben!" Sebastian sprach salbungsvoll, wie er es
sich angewöhnt hatte und Frau von Bremer betrachtete ihn kühl.

„Ihr wißt mehr von der Welt als andere Leute! Uns andere will be-
dünken, daß der Feind immer näher kommt und daß der Jammer noch ärger
werden wird! Wäre ich ein Junker, ich ginge ins Reichsheer und suchte den
Feind zu verjagen! Das ist besser als hier zu sitzen und zu warten!"

Sie wandte sich wieder an Kätha.

„Gebt mir mein Tier! Ich gebe der Stadt einen Gulden, ist das nicht
mehr als genug sür des Katers Sünden?"

Sie warf einen Gulden aus den Tisch und Käthas Augen wurden groß.
Sie schlüpfte in den Schweinestall, und gleich darauf fegte ein roter Kater
durch den Raum und sprang der Edelfrau auf die Schulter. Dabei maunzte
er kläglich und drückte seinen dicken Kopf an ihre Schulter, als wollte er ihr
von der Unbill berichten, die ihm widerfahren. Die Herrin sprach begütigend
auf ihn ein.

„Ja, so ist es, wenn man in die Fremde geht und Dummheiten treibt!
Freu dich, daß ich von deinen Sünden erfuhr! Ein andermal wird es dir
nicht so gut!"

Sie wollte sich mit kurzem Gruß vom Junker verabschieden, als ihr dieser
in den Weg trat.

„Gestattet eine Frage, edle Frau! Ist Euer Kater vielleicht hierher¬
gekommen, weil er die Hexe im Turm spürte? Ihr wißt doch, daß der
Böse --"

„Eine Hexe ist hier im Turm?" Die Frau von Bremer schlug ein Kreuz,
aber dann schüttelte sie den Kopf.

„Heutzutage sollte man in Maven an anderes denken als an gottlose
Frauenspersonen!"

„Ich meine auch, daß sie vielleicht mehr eine Ketzerin ist als eine Hexe!"
schob Kätha ein. „Obgleich darin wohl wenig Unterschied ist!"

Der Kater miaute, als wollte er der Unterhaltung ein Ende machen,
aber Frau von Bremer blieb stehen. Kätha mußte berichten, wie ihr Vater
zu der Hexe gekommen war. In Kottenheim, dicht bei einem Steinbruch hatte
sie gesessen und über die heilige Anna gelacht, deren Bild dicht am Wege stand
und vor dem die Weiber von Kottenheim knieten, wenn sie etwas Besonderes
wünschten. Und eine Frau, die ihr einen Rosenkranz zwischen die Finger
drücken wollte, stieß sie zur Seite. Da war es doch gewiß, daß sie eine
Verruchte war und es war gut, daß Käthas Vater gerade vorüberkam, sonst
hätten die Kottenheimer sie ins Loch gesetzt und wohl gleich verbrannt. Nun


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[0137] Die Hexe von Mayen „Oder auch nichts!" entgegnete die Edelfrau mit Achselzucken. „Heut¬ zutage nehmen die Franzosen die Pfründen und berauben die Klöster und Burgen I" „Gott wird Besserung geben!" Sebastian sprach salbungsvoll, wie er es sich angewöhnt hatte und Frau von Bremer betrachtete ihn kühl. „Ihr wißt mehr von der Welt als andere Leute! Uns andere will be- dünken, daß der Feind immer näher kommt und daß der Jammer noch ärger werden wird! Wäre ich ein Junker, ich ginge ins Reichsheer und suchte den Feind zu verjagen! Das ist besser als hier zu sitzen und zu warten!" Sie wandte sich wieder an Kätha. „Gebt mir mein Tier! Ich gebe der Stadt einen Gulden, ist das nicht mehr als genug sür des Katers Sünden?" Sie warf einen Gulden aus den Tisch und Käthas Augen wurden groß. Sie schlüpfte in den Schweinestall, und gleich darauf fegte ein roter Kater durch den Raum und sprang der Edelfrau auf die Schulter. Dabei maunzte er kläglich und drückte seinen dicken Kopf an ihre Schulter, als wollte er ihr von der Unbill berichten, die ihm widerfahren. Die Herrin sprach begütigend auf ihn ein. „Ja, so ist es, wenn man in die Fremde geht und Dummheiten treibt! Freu dich, daß ich von deinen Sünden erfuhr! Ein andermal wird es dir nicht so gut!" Sie wollte sich mit kurzem Gruß vom Junker verabschieden, als ihr dieser in den Weg trat. „Gestattet eine Frage, edle Frau! Ist Euer Kater vielleicht hierher¬ gekommen, weil er die Hexe im Turm spürte? Ihr wißt doch, daß der Böse --" „Eine Hexe ist hier im Turm?" Die Frau von Bremer schlug ein Kreuz, aber dann schüttelte sie den Kopf. „Heutzutage sollte man in Maven an anderes denken als an gottlose Frauenspersonen!" „Ich meine auch, daß sie vielleicht mehr eine Ketzerin ist als eine Hexe!" schob Kätha ein. „Obgleich darin wohl wenig Unterschied ist!" Der Kater miaute, als wollte er der Unterhaltung ein Ende machen, aber Frau von Bremer blieb stehen. Kätha mußte berichten, wie ihr Vater zu der Hexe gekommen war. In Kottenheim, dicht bei einem Steinbruch hatte sie gesessen und über die heilige Anna gelacht, deren Bild dicht am Wege stand und vor dem die Weiber von Kottenheim knieten, wenn sie etwas Besonderes wünschten. Und eine Frau, die ihr einen Rosenkranz zwischen die Finger drücken wollte, stieß sie zur Seite. Da war es doch gewiß, daß sie eine Verruchte war und es war gut, daß Käthas Vater gerade vorüberkam, sonst hätten die Kottenheimer sie ins Loch gesetzt und wohl gleich verbrannt. Nun

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/137>, abgerufen am 01.01.2025.