Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Die Hexe von Mayen Er stand noch in der Tür der kleinen Wohnung, als eine energische Hand "Gebt Raum, Junker I Andere Leute wollen auch einmal Platz haben!" Eine Frau in mittleren Jahren und in der schwarzen Tracht der Witwen "Wo ist dein Vater? Er hat meinen Kater eingesperrt zum Gericht I Ich Kätha strich sich die Schürze glatt. "Edle Frau, der Kater ist beschuldigt, den Sittich der Frau Apothekers¬ "Aber ich bin seine Herrin, ich, die Frau Ursula von Bremer aus Nieder- Die Edelfrau rief es mit Heller Stimme, und irgendwoher kam ein jämmer¬ "Edle Frau, der Vater ist nit daheim und der Herr Stadtschreiber hat Aber Frau von Bremer schob sie zur Seite, ging durch den halbdunklen "Ärgere mich nicht, Mädchen! Gib mir mein Tier, und du magst einmal Kätha stand unschlüssig. Mit den Edelleuten mochte sie es nicht verderben, "Gestattet, edle Frau, daß auch ich ein Wörtchen sage. Ist es nicht "Seid Ihr ein Jurist?" fragte Frau von Bremer kurz. Sebastian wollte antworten, als Kätha dazwischen fuhr. "Der Junker Wiltberg will ein Domherr werden!" sagte sie eifrig. "Er Die Hexe von Mayen Er stand noch in der Tür der kleinen Wohnung, als eine energische Hand „Gebt Raum, Junker I Andere Leute wollen auch einmal Platz haben!" Eine Frau in mittleren Jahren und in der schwarzen Tracht der Witwen „Wo ist dein Vater? Er hat meinen Kater eingesperrt zum Gericht I Ich Kätha strich sich die Schürze glatt. „Edle Frau, der Kater ist beschuldigt, den Sittich der Frau Apothekers¬ „Aber ich bin seine Herrin, ich, die Frau Ursula von Bremer aus Nieder- Die Edelfrau rief es mit Heller Stimme, und irgendwoher kam ein jämmer¬ „Edle Frau, der Vater ist nit daheim und der Herr Stadtschreiber hat Aber Frau von Bremer schob sie zur Seite, ging durch den halbdunklen „Ärgere mich nicht, Mädchen! Gib mir mein Tier, und du magst einmal Kätha stand unschlüssig. Mit den Edelleuten mochte sie es nicht verderben, „Gestattet, edle Frau, daß auch ich ein Wörtchen sage. Ist es nicht „Seid Ihr ein Jurist?" fragte Frau von Bremer kurz. Sebastian wollte antworten, als Kätha dazwischen fuhr. „Der Junker Wiltberg will ein Domherr werden!" sagte sie eifrig. „Er <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327602"/> <fw type="header" place="top"> Die Hexe von Mayen</fw><lb/> <p xml:id="ID_559"> Er stand noch in der Tür der kleinen Wohnung, als eine energische Hand<lb/> ihn zur Seite schob.</p><lb/> <p xml:id="ID_560"> „Gebt Raum, Junker I Andere Leute wollen auch einmal Platz haben!"</p><lb/> <p xml:id="ID_561"> Eine Frau in mittleren Jahren und in der schwarzen Tracht der Witwen<lb/> trat über die Schwelle und redete Kätha an.</p><lb/> <p xml:id="ID_562"> „Wo ist dein Vater? 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Die Hexe von Mayen
Er stand noch in der Tür der kleinen Wohnung, als eine energische Hand
ihn zur Seite schob.
„Gebt Raum, Junker I Andere Leute wollen auch einmal Platz haben!"
Eine Frau in mittleren Jahren und in der schwarzen Tracht der Witwen
trat über die Schwelle und redete Kätha an.
„Wo ist dein Vater? Er hat meinen Kater eingesperrt zum Gericht I Ich
will ihn wieder haben!"
Kätha strich sich die Schürze glatt.
„Edle Frau, der Kater ist beschuldigt, den Sittich der Frau Apothekers¬
witwe ausgefressen zu haben, und da er keinen Herrn hatte, ist er von uns
in Gewahrsam genommen!"
„Aber ich bin seine Herrin, ich, die Frau Ursula von Bremer aus Nieder-
mendig! Was unterfange ihr euch in Mayen, mein Tier in Gewahrsam zu
nehmen und strafen zu wollen! Peter, mein Peter!"
Die Edelfrau rief es mit Heller Stimme, und irgendwoher kam ein jämmer¬
liches Miauen.
„Edle Frau, der Vater ist nit daheim und der Herr Stadtschreiber hat
den Arrest befohlen. Ich kann nichts machen!"
Aber Frau von Bremer schob sie zur Seite, ging durch den halbdunklen
Raum und rief noch einmal nach ihrem Kater. Wieder antwortete er, aber
als sie den Schweinekoben offenstieß, war er nicht dort. Sie trat wieder auf
Kätha zu.
„Ärgere mich nicht, Mädchen! Gib mir mein Tier, und du magst einmal
nach Niedermendig kommen und dir eine Mandel Eier holen. Oder eine Speck¬
seite, das steht in deinem Belieben! Und nun gib mir meinen Peter!"
Kätha stand unschlüssig. Mit den Edelleuten mochte sie es nicht verderben,
und die Frau von Bremer kannte sie wohl dem Namen nach. Sie hatte eine
offene Hand und kein Bettler ging unbeschenkt von ihrer Tür. Und wenn es
nun bald eine Hexe in Mayen zu brennen gab, wer würde dann an den Kater
denken, der bestraft werden sollte? Gerade griff sie zum Schlüsselbund, als
Sebastian sich in die Unterhaltung mischte.
„Gestattet, edle Frau, daß auch ich ein Wörtchen sage. Ist es nicht
besser, Ihr wartet, bis die Obrigkeit urteilt? Dieser Kater hat eine Missetat
begangen, also muß er gestraft werden. Wenigstens will dies das Gesetz. Wohl
aber kann man dagegen einwenden, daß ein unverständiges Tier die Gesetze
der Menschen nicht alle innehaben kann. Dafür ist dann seine Herrschaft ver¬
antwortlich. So wird es also besser sein."
„Seid Ihr ein Jurist?" fragte Frau von Bremer kurz.
Sebastian wollte antworten, als Kätha dazwischen fuhr.
„Der Junker Wiltberg will ein Domherr werden!" sagte sie eifrig. „Er
kriegt noch einmal viel Geld."
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