Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Die Hexe von Mayn" Kätha wunderte sich, aber zugleich empfand sie Wohlwollen. Und daher "sowas hat die Frau Bürgermeister nit!" murmelte sie und fühlte nach "Du wirst mir das Leinen waschen, damit ich es wieder tragen kann, und Kätha machte ein ehrfürchtiges Zeichen der Bejahung und verbiß sich dann Beide Delinquentinnen waren alt gewesen und hatten Triefaugen; die Kühe "Du bist taub;" rief die klingende Stimme der Gefangenen, und die An¬ "Wärst du meine Magd, ich würde dich strafen, weil du mir keine Ant¬ "Das Kloster zu Laach?" Kätha wunderte sich, daß sie Mund und Nase "Was will die Jungfer mit dem heiligen Kloster und den heiligen Mönchen?" "Kennst du es und weißt du, wo es liegt?" "El gewiß! Nit weit von hier! Aber --" "Nicht weit von hier!" Heilwig atmete tief auf. "Ich will dem Abt eine Die Hexe von Mayn» Kätha wunderte sich, aber zugleich empfand sie Wohlwollen. Und daher „sowas hat die Frau Bürgermeister nit!" murmelte sie und fühlte nach „Du wirst mir das Leinen waschen, damit ich es wieder tragen kann, und Kätha machte ein ehrfürchtiges Zeichen der Bejahung und verbiß sich dann Beide Delinquentinnen waren alt gewesen und hatten Triefaugen; die Kühe „Du bist taub;" rief die klingende Stimme der Gefangenen, und die An¬ „Wärst du meine Magd, ich würde dich strafen, weil du mir keine Ant¬ „Das Kloster zu Laach?" Kätha wunderte sich, daß sie Mund und Nase „Was will die Jungfer mit dem heiligen Kloster und den heiligen Mönchen?" „Kennst du es und weißt du, wo es liegt?" „El gewiß! Nit weit von hier! Aber —" „Nicht weit von hier!" Heilwig atmete tief auf. „Ich will dem Abt eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0134" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327600"/> <fw type="header" place="top"> Die Hexe von Mayn»</fw><lb/> <p xml:id="ID_532"> Kätha wunderte sich, aber zugleich empfand sie Wohlwollen. Und daher<lb/> brachte sie nicht allein Kleider, sondern auch die Milch, die Heilwig in durstigen<lb/> Zügen trank. Denn die magere Suppe am Morgen war nicht stärkend gewesen.<lb/> Dann warf das Edelfräulein die Kleider ab und steckte sich in das rauhe Hemd,<lb/> das blaue Leinenkleid Käthas, während diese das feine Linnen des Unterkleides,<lb/> die Spitzen des Hemdes mit großen Augen betrachtete.</p><lb/> <p xml:id="ID_533"> „sowas hat die Frau Bürgermeister nit!" murmelte sie und fühlte nach<lb/> dem Gewebe des Tuchkleides. Sie hatte schon Respekt gehabt, nun vergrößerte<lb/> er sich. Heilwig aber strählte sich ihr langes blondes Haar und reckte sich wohlig<lb/> in den groben Kleidern.</p><lb/> <p xml:id="ID_534"> „Du wirst mir das Leinen waschen, damit ich es wieder tragen kann, und<lb/> das Kleid will ich selbst bessern und bürsten. Drei Tage im Schmutz zu laufen<lb/> tut keinem Kleide wohl!"</p><lb/> <p xml:id="ID_535"> Kätha machte ein ehrfürchtiges Zeichen der Bejahung und verbiß sich dann<lb/> doch das Weinen. Ach, ihr lieben Heiligen, wer ein so feines Hemd trug,<lb/> konnte doch in die Stricke des Bösen fallen! Sie hatte schon zwei Hexen<lb/> brennen sehen. Eine in Kochen an der Mosel, wo sie gerade ihre Base besuchte<lb/> und nun das Schauspiel erleben mußte, zu dem Tausende aus der Umgegend<lb/> kamen, und einmal in Niedermendig.</p><lb/> <p xml:id="ID_536"> Beide Delinquentinnen waren alt gewesen und hatten Triefaugen; die Kühe<lb/> behexten sie und branden Tränke, die die Menschen wütend machten; ihr<lb/> Feuertod war Gott und den Heiligen wohlgefällig. Nachdem der<lb/> Scheiterhaufen verbrannt war, gab es Kirmeskuchen und ein Tanzvergnügen<lb/> für die Jungen. Was erst würde sein, wenn diese Junge, Stolze auf<lb/> dem Holzstoß stand? Kätha schauerte ein wenig zusammen, dann aber<lb/> sah sie schon vor ihrem inneren Auge das große Fest und hörte sich berichten,<lb/> daß sie die Hexe gekannt habe, und daß sie schier fremdartig und über¬<lb/> natürlich gewesen wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_537"> „Du bist taub;" rief die klingende Stimme der Gefangenen, und die An¬<lb/> geredete fuhr aus ihren Gedanken auf. Heilwig faßte sie am Arm und drehte<lb/> sie scherzend um sich selbst.</p><lb/> <p xml:id="ID_538"> „Wärst du meine Magd, ich würde dich strafen, weil du mir keine Ant¬<lb/> wort gibst! Weißt du, wo das Kloster Laach liegt? Ich fragte dich schon<lb/> zweimal!"</p><lb/> <p xml:id="ID_539"> „Das Kloster zu Laach?" Kätha wunderte sich, daß sie Mund und Nase<lb/> aufsperrte.</p><lb/> <p xml:id="ID_540"> „Was will die Jungfer mit dem heiligen Kloster und den heiligen Mönchen?"</p><lb/> <p xml:id="ID_541"> „Kennst du es und weißt du, wo es liegt?"</p><lb/> <p xml:id="ID_542"> „El gewiß! Nit weit von hier! Aber —"</p><lb/> <p xml:id="ID_543"> „Nicht weit von hier!" Heilwig atmete tief auf. „Ich will dem Abt eine<lb/> Botschaft senden!"</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0134]
Die Hexe von Mayn»
Kätha wunderte sich, aber zugleich empfand sie Wohlwollen. Und daher
brachte sie nicht allein Kleider, sondern auch die Milch, die Heilwig in durstigen
Zügen trank. Denn die magere Suppe am Morgen war nicht stärkend gewesen.
Dann warf das Edelfräulein die Kleider ab und steckte sich in das rauhe Hemd,
das blaue Leinenkleid Käthas, während diese das feine Linnen des Unterkleides,
die Spitzen des Hemdes mit großen Augen betrachtete.
„sowas hat die Frau Bürgermeister nit!" murmelte sie und fühlte nach
dem Gewebe des Tuchkleides. Sie hatte schon Respekt gehabt, nun vergrößerte
er sich. Heilwig aber strählte sich ihr langes blondes Haar und reckte sich wohlig
in den groben Kleidern.
„Du wirst mir das Leinen waschen, damit ich es wieder tragen kann, und
das Kleid will ich selbst bessern und bürsten. Drei Tage im Schmutz zu laufen
tut keinem Kleide wohl!"
Kätha machte ein ehrfürchtiges Zeichen der Bejahung und verbiß sich dann
doch das Weinen. Ach, ihr lieben Heiligen, wer ein so feines Hemd trug,
konnte doch in die Stricke des Bösen fallen! Sie hatte schon zwei Hexen
brennen sehen. Eine in Kochen an der Mosel, wo sie gerade ihre Base besuchte
und nun das Schauspiel erleben mußte, zu dem Tausende aus der Umgegend
kamen, und einmal in Niedermendig.
Beide Delinquentinnen waren alt gewesen und hatten Triefaugen; die Kühe
behexten sie und branden Tränke, die die Menschen wütend machten; ihr
Feuertod war Gott und den Heiligen wohlgefällig. Nachdem der
Scheiterhaufen verbrannt war, gab es Kirmeskuchen und ein Tanzvergnügen
für die Jungen. Was erst würde sein, wenn diese Junge, Stolze auf
dem Holzstoß stand? Kätha schauerte ein wenig zusammen, dann aber
sah sie schon vor ihrem inneren Auge das große Fest und hörte sich berichten,
daß sie die Hexe gekannt habe, und daß sie schier fremdartig und über¬
natürlich gewesen wäre.
„Du bist taub;" rief die klingende Stimme der Gefangenen, und die An¬
geredete fuhr aus ihren Gedanken auf. Heilwig faßte sie am Arm und drehte
sie scherzend um sich selbst.
„Wärst du meine Magd, ich würde dich strafen, weil du mir keine Ant¬
wort gibst! Weißt du, wo das Kloster Laach liegt? Ich fragte dich schon
zweimal!"
„Das Kloster zu Laach?" Kätha wunderte sich, daß sie Mund und Nase
aufsperrte.
„Was will die Jungfer mit dem heiligen Kloster und den heiligen Mönchen?"
„Kennst du es und weißt du, wo es liegt?"
„El gewiß! Nit weit von hier! Aber —"
„Nicht weit von hier!" Heilwig atmete tief auf. „Ich will dem Abt eine
Botschaft senden!"
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