Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Mahrhcit und Schönheit in der Kunst deren Material, die Töne, überhaupt unrealistisch ist, die nur Ausdruck sein Nun wird es freilich nicht an Stimmen fehlen, die behaupten wollen, von Mahrhcit und Schönheit in der Kunst deren Material, die Töne, überhaupt unrealistisch ist, die nur Ausdruck sein Nun wird es freilich nicht an Stimmen fehlen, die behaupten wollen, von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0123" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327589"/> <fw type="header" place="top"> Mahrhcit und Schönheit in der Kunst</fw><lb/> <p xml:id="ID_444" prev="#ID_443"> deren Material, die Töne, überhaupt unrealistisch ist, die nur Ausdruck sein<lb/> will und die daher ihre eigene Welt aufbaut. So muß man an Kunstwerke<lb/> dieses Typus Herangehen, gar nicht mehr daran denkend, daß sie auch etwas<lb/> darstellen könnten, nur noch Stimmungen daraus empfangend wie von einem<lb/> Musikstück. Ich möchte diese Kunstart, im Gegensatz zur oben besprochenen<lb/> materialen und der formalen Antirealistik, die „ideale" Antirealistik nennen,<lb/> wobei zu bemerken ist, daß „ideal" nur eine Charakterisierung, kein Lob ist.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_445"> Nun wird es freilich nicht an Stimmen fehlen, die behaupten wollen, von<lb/> diesen hier gekennzeichneten sechs Möglichkeiten seien einige völlig kunstfremd,<lb/> die anderen ließen sich jedoch auf ein und dasselbe Prinzip zurückführen. Ich<lb/> leugne nicht das eine und nicht das andere. Ich frage nur, was ist damit geholfen?<lb/> Gewiß lassen sich, besonders von der Höhe metaphysischer Systeme herab, andere<lb/> Standpunkte billig mit überlegenem Lächeln abtun: man wird aber nicht umhin<lb/> können, anzuerkennen, daß ganze Zeiten und ganze Völker trotzdem der Kunst<lb/> gegenüber sich anders verhalten und ihr Erleben derselben doch für richtiges<lb/> Kunsterleben genommen haben. Ebenso kann man natürlich auch einige der<lb/> hier skizzierten Standpunkte zusammenfassen und ein einziges „Prinzip" daraus<lb/> destillieren. Aber was ist damit gewonnen? Der nächste Theoretiker verfährt<lb/> anders und so wird ein ewiges Streiten um unlösbare Probleme bleiben. Uns<lb/> scheint darum das beste, von solchem Streit abzusehen und, statt die Unterschiede<lb/> zu verwischen, lieber die bestehenden Verschiedenheiten anzuerkennen und sür sich<lb/> diejenige Form des Kunsterlebens auszuwählen, die einem selbst als die<lb/> angemessenste, reichste und schönste erscheint, oder aber, und has ist vielleicht<lb/> das klügste, zu versuchen, allen Standpunkten gerecht zu werden. Dazu zu<lb/> verhelfen, das ist ein Hauptziel der psychologischen Knnstbetrachtung.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0123]
Mahrhcit und Schönheit in der Kunst
deren Material, die Töne, überhaupt unrealistisch ist, die nur Ausdruck sein
will und die daher ihre eigene Welt aufbaut. So muß man an Kunstwerke
dieses Typus Herangehen, gar nicht mehr daran denkend, daß sie auch etwas
darstellen könnten, nur noch Stimmungen daraus empfangend wie von einem
Musikstück. Ich möchte diese Kunstart, im Gegensatz zur oben besprochenen
materialen und der formalen Antirealistik, die „ideale" Antirealistik nennen,
wobei zu bemerken ist, daß „ideal" nur eine Charakterisierung, kein Lob ist.
Nun wird es freilich nicht an Stimmen fehlen, die behaupten wollen, von
diesen hier gekennzeichneten sechs Möglichkeiten seien einige völlig kunstfremd,
die anderen ließen sich jedoch auf ein und dasselbe Prinzip zurückführen. Ich
leugne nicht das eine und nicht das andere. Ich frage nur, was ist damit geholfen?
Gewiß lassen sich, besonders von der Höhe metaphysischer Systeme herab, andere
Standpunkte billig mit überlegenem Lächeln abtun: man wird aber nicht umhin
können, anzuerkennen, daß ganze Zeiten und ganze Völker trotzdem der Kunst
gegenüber sich anders verhalten und ihr Erleben derselben doch für richtiges
Kunsterleben genommen haben. Ebenso kann man natürlich auch einige der
hier skizzierten Standpunkte zusammenfassen und ein einziges „Prinzip" daraus
destillieren. Aber was ist damit gewonnen? Der nächste Theoretiker verfährt
anders und so wird ein ewiges Streiten um unlösbare Probleme bleiben. Uns
scheint darum das beste, von solchem Streit abzusehen und, statt die Unterschiede
zu verwischen, lieber die bestehenden Verschiedenheiten anzuerkennen und sür sich
diejenige Form des Kunsterlebens auszuwählen, die einem selbst als die
angemessenste, reichste und schönste erscheint, oder aber, und has ist vielleicht
das klügste, zu versuchen, allen Standpunkten gerecht zu werden. Dazu zu
verhelfen, das ist ein Hauptziel der psychologischen Knnstbetrachtung.
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