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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Der geplante Aanaltunnel zwischen Frankreich
und England

eit mehr als einem halben Jahrhundert hat das Projekt, das
Festland mit Großbritannien durch einen Kanaltunnel zu ver¬
binden, die Gemüter in Frankreich und England beschäftigt.
Frankreich war bei der Förderung dieses Projektes stets die
treibende Kraft, während England, stolz auf seine "8plencli6
i8<Melon" und in der Furcht, einen neuen Angriffsweg gegen sich zu schaffen,
bisher eine ablehnende Haltung einnahm.

Ein Hauptcharakterzug des englischen Volkes ist seine konservative Ge¬
sinnung, die es allen dem Volksempfinden widerstrebenden Neuerungen, selbst
wenn sie nützlich erscheinen, nur langsam zugänglich macht. Diese nationale
Eigenschaft tritt auch in England bei der Beurteilung der Notwendigkeit eines
Kanaltunnels in Erscheinung, denn ganz abgesehen davon, daß die Masse des eng¬
lischen Volkes von der Nützlichkeit eines solchen nicht überzeugt ist, sträubt es
sich aus rein sentimentalen Gründen gegen seine Herstellung, da Großbritannien
dadurch seiner rein insularen Lage verlustig gehen würde.

Wenn nun neuerdings an einer Verwirklichung des Tunnelbaues von eng¬
lischer Seite gearbeitet wird, so ist dieses als ein bedeutsamer Wendepunkt in
der Geschichte der Tunnelfrage zu bezeichnen.

Da der Bau eines Tunnels von der Genehmigung des Parlamentes
abhängt, hat sich im Herbst des vergangenen Jahres eine Abordnung von
achtzehn Mitgliedern des Unterhauses an den Premierminister Asquith mit der
Bitte gewandt, ihr seine Hilfe bei der Verwirklichung dieses großen Werkes zu
leihen. Der Antrieb zu dieser Petition, sagte sie, entspringe lediglich der Über¬
zeugung, daß die Herstellung des Tunnels von größtem Nutzen für das englische
Volk sei, und sie erwähnte, daß sie weder von einer Eisenbahngesellschaft, noch
von der ehemaligen Tunnelbaugesellschaft beeinflußt sei oder aus irgendwelchen
geschäftlichen Interessen für diese Frage einträte.

Mr. Asquith sicherte der Abordnung eine wohlwollende Prüfung der Frage
mit dem Hinweis zu. daß er natürlich nicht imstande wäre, die starke Opposition.




Der geplante Aanaltunnel zwischen Frankreich
und England

eit mehr als einem halben Jahrhundert hat das Projekt, das
Festland mit Großbritannien durch einen Kanaltunnel zu ver¬
binden, die Gemüter in Frankreich und England beschäftigt.
Frankreich war bei der Förderung dieses Projektes stets die
treibende Kraft, während England, stolz auf seine „8plencli6
i8<Melon" und in der Furcht, einen neuen Angriffsweg gegen sich zu schaffen,
bisher eine ablehnende Haltung einnahm.

Ein Hauptcharakterzug des englischen Volkes ist seine konservative Ge¬
sinnung, die es allen dem Volksempfinden widerstrebenden Neuerungen, selbst
wenn sie nützlich erscheinen, nur langsam zugänglich macht. Diese nationale
Eigenschaft tritt auch in England bei der Beurteilung der Notwendigkeit eines
Kanaltunnels in Erscheinung, denn ganz abgesehen davon, daß die Masse des eng¬
lischen Volkes von der Nützlichkeit eines solchen nicht überzeugt ist, sträubt es
sich aus rein sentimentalen Gründen gegen seine Herstellung, da Großbritannien
dadurch seiner rein insularen Lage verlustig gehen würde.

Wenn nun neuerdings an einer Verwirklichung des Tunnelbaues von eng¬
lischer Seite gearbeitet wird, so ist dieses als ein bedeutsamer Wendepunkt in
der Geschichte der Tunnelfrage zu bezeichnen.

Da der Bau eines Tunnels von der Genehmigung des Parlamentes
abhängt, hat sich im Herbst des vergangenen Jahres eine Abordnung von
achtzehn Mitgliedern des Unterhauses an den Premierminister Asquith mit der
Bitte gewandt, ihr seine Hilfe bei der Verwirklichung dieses großen Werkes zu
leihen. Der Antrieb zu dieser Petition, sagte sie, entspringe lediglich der Über¬
zeugung, daß die Herstellung des Tunnels von größtem Nutzen für das englische
Volk sei, und sie erwähnte, daß sie weder von einer Eisenbahngesellschaft, noch
von der ehemaligen Tunnelbaugesellschaft beeinflußt sei oder aus irgendwelchen
geschäftlichen Interessen für diese Frage einträte.

Mr. Asquith sicherte der Abordnung eine wohlwollende Prüfung der Frage
mit dem Hinweis zu. daß er natürlich nicht imstande wäre, die starke Opposition.


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[0124] [Abbildung] Der geplante Aanaltunnel zwischen Frankreich und England eit mehr als einem halben Jahrhundert hat das Projekt, das Festland mit Großbritannien durch einen Kanaltunnel zu ver¬ binden, die Gemüter in Frankreich und England beschäftigt. Frankreich war bei der Förderung dieses Projektes stets die treibende Kraft, während England, stolz auf seine „8plencli6 i8<Melon" und in der Furcht, einen neuen Angriffsweg gegen sich zu schaffen, bisher eine ablehnende Haltung einnahm. Ein Hauptcharakterzug des englischen Volkes ist seine konservative Ge¬ sinnung, die es allen dem Volksempfinden widerstrebenden Neuerungen, selbst wenn sie nützlich erscheinen, nur langsam zugänglich macht. Diese nationale Eigenschaft tritt auch in England bei der Beurteilung der Notwendigkeit eines Kanaltunnels in Erscheinung, denn ganz abgesehen davon, daß die Masse des eng¬ lischen Volkes von der Nützlichkeit eines solchen nicht überzeugt ist, sträubt es sich aus rein sentimentalen Gründen gegen seine Herstellung, da Großbritannien dadurch seiner rein insularen Lage verlustig gehen würde. Wenn nun neuerdings an einer Verwirklichung des Tunnelbaues von eng¬ lischer Seite gearbeitet wird, so ist dieses als ein bedeutsamer Wendepunkt in der Geschichte der Tunnelfrage zu bezeichnen. Da der Bau eines Tunnels von der Genehmigung des Parlamentes abhängt, hat sich im Herbst des vergangenen Jahres eine Abordnung von achtzehn Mitgliedern des Unterhauses an den Premierminister Asquith mit der Bitte gewandt, ihr seine Hilfe bei der Verwirklichung dieses großen Werkes zu leihen. Der Antrieb zu dieser Petition, sagte sie, entspringe lediglich der Über¬ zeugung, daß die Herstellung des Tunnels von größtem Nutzen für das englische Volk sei, und sie erwähnte, daß sie weder von einer Eisenbahngesellschaft, noch von der ehemaligen Tunnelbaugesellschaft beeinflußt sei oder aus irgendwelchen geschäftlichen Interessen für diese Frage einträte. Mr. Asquith sicherte der Abordnung eine wohlwollende Prüfung der Frage mit dem Hinweis zu. daß er natürlich nicht imstande wäre, die starke Opposition.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/124>, abgerufen am 29.12.2024.