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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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An der Miega des Rönigreichs Rnniänien

Wie immer, so ist auch hier der österreichische Kommissär mit der größten
Violenz vorgegangen. Bereits mittelst einer telegraphischen Depesche vom
3. d. Mes. habe ich Euer Königlichen Majestät Ministerpräsidenten den Inhalt
einer von Herrn von Liebmann abgegebenen Konterprotestation mitgeteilt, und
tags darauf mittels Beritts unter Nummer 29 den authentischen Text seiner
Erklärung eingereicht.

Diese Erklärung, auf welche ich hierdurch ehrfurchtsvoll Bezug nehme, ist
sehr leicht zu widerlegen.

Es ist zuvörderst allerdings richtig, daß die Kommission nur einen konsul¬
tativen Charakter hat, aber es ist ebenso unzweifelhaft, daß die Ratschläge, die
sie demnächst an den Kongreß zu Paris zu richten hat, nach dem Wortlaut
und nach dem Sinne des Pariser Friedens und ihrer Instruktion sich auf die
Wunsche des Volkes stützen, und daß diese letzteren diejenigen aller Klassen der
Gesellschaft wirklich repräsentieren sollen. Die Kommission ist sonach an ein
Organ gewiesen, für welches Bedingungen vorgeschrieben sind, die man durch
einen Betrug wegeskamotieren wollte. In dem Augenblicke, als sie diese Absicht
bemerkte, hatte sie die Pflicht dagegen aufzutreten, um ihr Urteil nicht auf einer
falschen Basis zu bilden. Dies ist, wie die Protokolle ergeben, mit der äußersten
Moderation geschehen; gerade um den konsultativen Charakter der Kommission
in seiner vollkommensten Reinheit zu erhalten, sind alle die Präpositionen gemacht
worden, welche sich auf eine Zensur des Verfahrens des Kaimakams beziehen
und sämtlich an dem Widerstande des österreichischen Kommissars gescheitert
sind. Die Theorie, die dieser im Auftrage seiner Negierung geltend zu machen
sucht, würde lediglich dahin führen, wie in dem Protokoll Ur. 10 ausführlich
bemerkt ist, daß der Diwan ebensogut von Vogorides und der Türkei hätte
ernannt werden können. Ein solches Possenspiel ist zu Paris nicht verabredet
worden. Damit fällt die Argumentation der österreichischen Regierung gegen
den diesseitigen Protest zusammen.

Ebensowenig trifft die österreichische Argumentation gegen die Mitteilung
des Protestes an den Kaimakam zu, denn ohne dieselbe wurden die Wahlen
zu einem kalt ÄLcompli erhoben, und die Kommissäre zu schweigenden Kom¬
plizen an einem offenkundiger Betrüge, oder, wie wir es in dem Protokoll
Ur. 10 genannt haben, zu Statisten in der beabsichtigten Komödie gemacht
worden sein.

Die Violenz, mit der Herr von Liebmann seine Meinung ausdrückt, und
die sich nicht auf unser, seiner Kollegen. Verfahren, sondern auf die Anordnungen
unserer Regierungen bezieht, die er des ungesetzlichen Verfahren? und Vertrags¬
bruchs beschuldigt, hat meine Kollegen von Frankreich, Rußland und Sardinien
sowie mich veranlassen müssen, die in der Anlage abschriftlich allerunterlänigst
beigefügte Erklärung abzugeben.




An der Miega des Rönigreichs Rnniänien

Wie immer, so ist auch hier der österreichische Kommissär mit der größten
Violenz vorgegangen. Bereits mittelst einer telegraphischen Depesche vom
3. d. Mes. habe ich Euer Königlichen Majestät Ministerpräsidenten den Inhalt
einer von Herrn von Liebmann abgegebenen Konterprotestation mitgeteilt, und
tags darauf mittels Beritts unter Nummer 29 den authentischen Text seiner
Erklärung eingereicht.

Diese Erklärung, auf welche ich hierdurch ehrfurchtsvoll Bezug nehme, ist
sehr leicht zu widerlegen.

Es ist zuvörderst allerdings richtig, daß die Kommission nur einen konsul¬
tativen Charakter hat, aber es ist ebenso unzweifelhaft, daß die Ratschläge, die
sie demnächst an den Kongreß zu Paris zu richten hat, nach dem Wortlaut
und nach dem Sinne des Pariser Friedens und ihrer Instruktion sich auf die
Wunsche des Volkes stützen, und daß diese letzteren diejenigen aller Klassen der
Gesellschaft wirklich repräsentieren sollen. Die Kommission ist sonach an ein
Organ gewiesen, für welches Bedingungen vorgeschrieben sind, die man durch
einen Betrug wegeskamotieren wollte. In dem Augenblicke, als sie diese Absicht
bemerkte, hatte sie die Pflicht dagegen aufzutreten, um ihr Urteil nicht auf einer
falschen Basis zu bilden. Dies ist, wie die Protokolle ergeben, mit der äußersten
Moderation geschehen; gerade um den konsultativen Charakter der Kommission
in seiner vollkommensten Reinheit zu erhalten, sind alle die Präpositionen gemacht
worden, welche sich auf eine Zensur des Verfahrens des Kaimakams beziehen
und sämtlich an dem Widerstande des österreichischen Kommissars gescheitert
sind. Die Theorie, die dieser im Auftrage seiner Negierung geltend zu machen
sucht, würde lediglich dahin führen, wie in dem Protokoll Ur. 10 ausführlich
bemerkt ist, daß der Diwan ebensogut von Vogorides und der Türkei hätte
ernannt werden können. Ein solches Possenspiel ist zu Paris nicht verabredet
worden. Damit fällt die Argumentation der österreichischen Regierung gegen
den diesseitigen Protest zusammen.

Ebensowenig trifft die österreichische Argumentation gegen die Mitteilung
des Protestes an den Kaimakam zu, denn ohne dieselbe wurden die Wahlen
zu einem kalt ÄLcompli erhoben, und die Kommissäre zu schweigenden Kom¬
plizen an einem offenkundiger Betrüge, oder, wie wir es in dem Protokoll
Ur. 10 genannt haben, zu Statisten in der beabsichtigten Komödie gemacht
worden sein.

Die Violenz, mit der Herr von Liebmann seine Meinung ausdrückt, und
die sich nicht auf unser, seiner Kollegen. Verfahren, sondern auf die Anordnungen
unserer Regierungen bezieht, die er des ungesetzlichen Verfahren? und Vertrags¬
bruchs beschuldigt, hat meine Kollegen von Frankreich, Rußland und Sardinien
sowie mich veranlassen müssen, die in der Anlage abschriftlich allerunterlänigst
beigefügte Erklärung abzugeben.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/90>, abgerufen am 23.07.2024.