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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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An der Miega des Königreichs Rumänien

Sekretär nach Jassy abgesendet hatte, um den Kaimakam Vogorides zu bestimmen,
ohne weitere Befehle von der Pforte abzuwarten, mit den Wahlen vorzugehen;
ebenso fuhr der dortige österreichische Generalkonsul Göbel fort, auf den Kaimakam
zu wirken. Wir erhielten bereits am 28. v. Mes. die Nachricht von der voll¬
ständigen Beendigung der Wahlen sowie gleichzeitig nach übereinstimmenden
Berichten Euer Königlichen Majestät Konsuls und desjenigen von Rußland und
Frankreich die Mitteilung, daß die Jdignation in der Moldau bis dahin gestiegen
sei, daß wenn das bisherige beobachtete Stillschweigen zu diesen Vorgängen fort¬
gesetzt würde, ein Ausbruch des allgemeinen Unwillens, den jene Konsuln bis
dahin nach Möglichkeit zu unterdrücken getrachtet hätten, und Unruhen im Lande
gar nicht mehr zu vermeiden seien.

Gleichzeitig benachrichtigten uns telegraphische Depeschen aus Konstantinopel,
daß von dort bei dem entschiedenen Widerspruch Österreichs und Englands und
der Unentschlossenheit der Türkei keine Hilfe zu erwarten sei.

Lag es demgemäß schon an und für sich in dem Charakter einer Prote¬
station, demjenigen, gegen den sie gerichtet ist, mitgeteilt zu werden, wenn sie
überhaupt einen Effekt haben soll, so hätten uns zu ihrer Bekanntgebung an
den Kaimakam der Moldau, wenn hierüber noch irgendein Bedenken hätte
obwalten können, die vorstehend alleruntertänigst geschilderten Verhältnisse noch
ganz besonders bestimmen müssen.

Ganz im Einverständnis mit meinen Kollegen von Frankreich, Rußland
und Sardinien und fast wörtlich wie sie, habe ich daher dem Kaimakam der Moldau
den von Allerhöchstdero Regierung gegen seine Wahloperationen erhobenen
Protest, nachdem derselbe in der Kommission zu Protokoll gegeben worden war,
durch einen Erlaß, an den Konsul Theremin, welchen ich inzwischen bereits
Euer Königlichen Majestät Ministerpräsidenten abschriftlich eingereicht habe, er¬
öffnen lassen.

Dieser Protest hat ganz die Folgen gehabt, die man sich davon hat ver¬
sprechen können, denn die uns aus der Moldau zugehenden Nachrichten besagen,
daß der Eindruck dieser Maßregel das Vertrauen auf die vier Mächte bedeutend
gehoben und jeden Gedanken an Selbsthilfe verscheucht habe. Selbst diejenigen
Individuen, welche Vogorides für den Diwan gewonnen hatte, sind scheu ge¬
worden, denn schon bis dahin hatte, bei dem allgemeinen Unwillen, die Fort¬
setzung der Wahloperationen nur dadurch ermöglicht werden können, daß sowohl
der vorgedachte österreichische als der englische Agent die Meinung verbreitet
hatten, Frankreich, Preußen, Nußland und Sardinien würden froh sein, durch
eine vollendete Tatsache, des Widerstandes gegen den festen Willen Englands.
Österreichs und der Türkei überhoben zu sein.

Die unserseits gegen die Wahlen in der Moldau erhobene Protestation
hat nun. soweit sich dies bis jetzt manifestiert hat. die bisher ziemlich geschlossene
Koalition des österreichischen, englischen und türkischen Kommissars gesprengt,
während diese Koalition in Konstantinopel selbst noch fortbesteht.


An der Miega des Königreichs Rumänien

Sekretär nach Jassy abgesendet hatte, um den Kaimakam Vogorides zu bestimmen,
ohne weitere Befehle von der Pforte abzuwarten, mit den Wahlen vorzugehen;
ebenso fuhr der dortige österreichische Generalkonsul Göbel fort, auf den Kaimakam
zu wirken. Wir erhielten bereits am 28. v. Mes. die Nachricht von der voll¬
ständigen Beendigung der Wahlen sowie gleichzeitig nach übereinstimmenden
Berichten Euer Königlichen Majestät Konsuls und desjenigen von Rußland und
Frankreich die Mitteilung, daß die Jdignation in der Moldau bis dahin gestiegen
sei, daß wenn das bisherige beobachtete Stillschweigen zu diesen Vorgängen fort¬
gesetzt würde, ein Ausbruch des allgemeinen Unwillens, den jene Konsuln bis
dahin nach Möglichkeit zu unterdrücken getrachtet hätten, und Unruhen im Lande
gar nicht mehr zu vermeiden seien.

Gleichzeitig benachrichtigten uns telegraphische Depeschen aus Konstantinopel,
daß von dort bei dem entschiedenen Widerspruch Österreichs und Englands und
der Unentschlossenheit der Türkei keine Hilfe zu erwarten sei.

Lag es demgemäß schon an und für sich in dem Charakter einer Prote¬
station, demjenigen, gegen den sie gerichtet ist, mitgeteilt zu werden, wenn sie
überhaupt einen Effekt haben soll, so hätten uns zu ihrer Bekanntgebung an
den Kaimakam der Moldau, wenn hierüber noch irgendein Bedenken hätte
obwalten können, die vorstehend alleruntertänigst geschilderten Verhältnisse noch
ganz besonders bestimmen müssen.

Ganz im Einverständnis mit meinen Kollegen von Frankreich, Rußland
und Sardinien und fast wörtlich wie sie, habe ich daher dem Kaimakam der Moldau
den von Allerhöchstdero Regierung gegen seine Wahloperationen erhobenen
Protest, nachdem derselbe in der Kommission zu Protokoll gegeben worden war,
durch einen Erlaß, an den Konsul Theremin, welchen ich inzwischen bereits
Euer Königlichen Majestät Ministerpräsidenten abschriftlich eingereicht habe, er¬
öffnen lassen.

Dieser Protest hat ganz die Folgen gehabt, die man sich davon hat ver¬
sprechen können, denn die uns aus der Moldau zugehenden Nachrichten besagen,
daß der Eindruck dieser Maßregel das Vertrauen auf die vier Mächte bedeutend
gehoben und jeden Gedanken an Selbsthilfe verscheucht habe. Selbst diejenigen
Individuen, welche Vogorides für den Diwan gewonnen hatte, sind scheu ge¬
worden, denn schon bis dahin hatte, bei dem allgemeinen Unwillen, die Fort¬
setzung der Wahloperationen nur dadurch ermöglicht werden können, daß sowohl
der vorgedachte österreichische als der englische Agent die Meinung verbreitet
hatten, Frankreich, Preußen, Nußland und Sardinien würden froh sein, durch
eine vollendete Tatsache, des Widerstandes gegen den festen Willen Englands.
Österreichs und der Türkei überhoben zu sein.

Die unserseits gegen die Wahlen in der Moldau erhobene Protestation
hat nun. soweit sich dies bis jetzt manifestiert hat. die bisher ziemlich geschlossene
Koalition des österreichischen, englischen und türkischen Kommissars gesprengt,
während diese Koalition in Konstantinopel selbst noch fortbesteht.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/89>, abgerufen am 23.07.2024.