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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

alle meine Erklärungen in der Kommission angemessen gewesen. Es handelte
sich schon lange nicht mehr um die Frage, wie und in welcher Weise die wohl¬
wollenden Absichten des Pariser Kongresses für die Fürstentümer zu realisieren
seien, sondern die Angelegenheit war bis auf den Standpunkt herabgedrückt,
daß es nur noch darauf ankam, die eigene Ehre durch Ablehnung jeder Gemein¬
schaft mit dem Betrüge, der Fälschung, der Verleumdung, und überhaupt mit
den verwerflichsten Mitteln, die von der anderen Seite angewendet wurden, zu
wahren, und die Jnfraktionen in dem Pariser Vertrag zu konstatieren.

Diesem unseren mehr abwehrenden, als vorgehenden Systeme hat die Gegen¬
partei eine lebhafte und energische Aktion entgegengesetzt. An ihr scheiterten
meine Bemühungen sowie diejenigen der Kommissäre von Frankreich, Rußland
und Sardinien, die Wahloperationen in der Moldau den Intentionen des
Pariser Friedens gemäß von äußeren und inneren Einflüssen möglichst frei zu
erhalten und das Vorkommen von Mißbräuchen und Fälschungen zu verhindern.
Im vollkommenen Besitz aller Fäden, man kann nicht sagen der Intrigue -- denn
dieses Wort wäre für die Sache, welche es bezeichnen soll zu hoch gegriffen --,
sondern des gemeinen Betruges, welcher im Spiele war, unterließen wir nicht,
auf vertrauliche Weise unseren Kollegen anzudeuten, daß wir die in Anwendung
gebrachten Mittel kennen. Wir zeigten sogar, mit aller Berücksichtigung des
Interesses der Großmächte, diesen skandalösen Charakter der Sache nicht in die
Öffentlichkeit gelangen zu lassen, die in unseren Händen befindlichen. Österreich
und die Türkei besonders kompromittierenden Dokumente vor; aber alles dies
äußerte auf Österreich gar keinen, auf England und die Türkei nur einen
geringen Einfluß. Unseren Bestrebungen ist endlich die vollendete Tatsache der
Wahlen in der Moldau entgegengesetzt worden, gegen welche sich die ganze
Nation, der Klerus an der Spitze, und alle diejenigen mitinbegriffen, welche
nicht im Solde des Vogorides stehen, durch massenhafte Proteste und allgemeine
Enthaltung von den Wahlen erhoben hat.

Bei dieser Lage der Sache hatte Euer Königliche Majestät Regierung
beschlossen, diesen Wahlen, die hiernach als ungültig angesehen wurden, nicht
bloß durch einfache Konsignation im Protokoll -- denn diese hätte, wie alles,
was bisher zu Protokoll gegeben worden ist, gar keine praktische Folge gehabt --,
sondern durch einen förmlichen Protest entgegenzutreten, und somit zu hindern,
daß der Diwan, den uns Vogorides oktroyieren wollte, eine vollendete Tat¬
sache würde.

Gleiche Instruktionen hatten der französische und der russische Kommissär
auf ausdrücklichen Befehl ihrer Souveräne erhalten, während der sardinische
Kommissär angewiesen war, sich genau meinem Verfahren und dem des fran¬
zösischen Kommissars anzuschließen.

Euer Königlichen Majestät wird aus den Berichten Ur. 20 und 22, welche
ich an Allerhöchstdero Ministerpräsidenten abzustatten die Ehre gehabt habe,
bereits bekannt sein, daß während dieser Vorgänge Lord Stratford seinen ersten


An der Wiege des Königreichs Rumänien

alle meine Erklärungen in der Kommission angemessen gewesen. Es handelte
sich schon lange nicht mehr um die Frage, wie und in welcher Weise die wohl¬
wollenden Absichten des Pariser Kongresses für die Fürstentümer zu realisieren
seien, sondern die Angelegenheit war bis auf den Standpunkt herabgedrückt,
daß es nur noch darauf ankam, die eigene Ehre durch Ablehnung jeder Gemein¬
schaft mit dem Betrüge, der Fälschung, der Verleumdung, und überhaupt mit
den verwerflichsten Mitteln, die von der anderen Seite angewendet wurden, zu
wahren, und die Jnfraktionen in dem Pariser Vertrag zu konstatieren.

Diesem unseren mehr abwehrenden, als vorgehenden Systeme hat die Gegen¬
partei eine lebhafte und energische Aktion entgegengesetzt. An ihr scheiterten
meine Bemühungen sowie diejenigen der Kommissäre von Frankreich, Rußland
und Sardinien, die Wahloperationen in der Moldau den Intentionen des
Pariser Friedens gemäß von äußeren und inneren Einflüssen möglichst frei zu
erhalten und das Vorkommen von Mißbräuchen und Fälschungen zu verhindern.
Im vollkommenen Besitz aller Fäden, man kann nicht sagen der Intrigue — denn
dieses Wort wäre für die Sache, welche es bezeichnen soll zu hoch gegriffen —,
sondern des gemeinen Betruges, welcher im Spiele war, unterließen wir nicht,
auf vertrauliche Weise unseren Kollegen anzudeuten, daß wir die in Anwendung
gebrachten Mittel kennen. Wir zeigten sogar, mit aller Berücksichtigung des
Interesses der Großmächte, diesen skandalösen Charakter der Sache nicht in die
Öffentlichkeit gelangen zu lassen, die in unseren Händen befindlichen. Österreich
und die Türkei besonders kompromittierenden Dokumente vor; aber alles dies
äußerte auf Österreich gar keinen, auf England und die Türkei nur einen
geringen Einfluß. Unseren Bestrebungen ist endlich die vollendete Tatsache der
Wahlen in der Moldau entgegengesetzt worden, gegen welche sich die ganze
Nation, der Klerus an der Spitze, und alle diejenigen mitinbegriffen, welche
nicht im Solde des Vogorides stehen, durch massenhafte Proteste und allgemeine
Enthaltung von den Wahlen erhoben hat.

Bei dieser Lage der Sache hatte Euer Königliche Majestät Regierung
beschlossen, diesen Wahlen, die hiernach als ungültig angesehen wurden, nicht
bloß durch einfache Konsignation im Protokoll — denn diese hätte, wie alles,
was bisher zu Protokoll gegeben worden ist, gar keine praktische Folge gehabt —,
sondern durch einen förmlichen Protest entgegenzutreten, und somit zu hindern,
daß der Diwan, den uns Vogorides oktroyieren wollte, eine vollendete Tat¬
sache würde.

Gleiche Instruktionen hatten der französische und der russische Kommissär
auf ausdrücklichen Befehl ihrer Souveräne erhalten, während der sardinische
Kommissär angewiesen war, sich genau meinem Verfahren und dem des fran¬
zösischen Kommissars anzuschließen.

Euer Königlichen Majestät wird aus den Berichten Ur. 20 und 22, welche
ich an Allerhöchstdero Ministerpräsidenten abzustatten die Ehre gehabt habe,
bereits bekannt sein, daß während dieser Vorgänge Lord Stratford seinen ersten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/88>, abgerufen am 23.07.2024.