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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Llchjagd

braven Zugführer und bestiegen die vorher bestellten zweirädrigen Karren, die
uns nach unserem Jagdquartier, dem Gutshöfe sorti, bringen sollten; das
bessere der beiden Vehikel nahmen Vinquist und ich in Anspruch, während der
Jäger mit den beiden Hunden es sich, so gut es ging, in dem anderen
Rumpelkasten bequem machte. Anderthalb Stunden später langten wir am
Sorkisee an, wie gerädert von der rasenden Fahrt durch das neblige Revier
und bis zum Scheitel mit Lehm bespritzt, aber in fröhlichster Stimmung und
brennend vor Jagdbegier. Der unheimlich still und tiefschwarz daliegende See
wurde im flachen Ruderboot überquert, und alsbald sahen von einem grünen
Hügel, hinter riesigen grauen Findlingsblöcken verschanzt, das breitgieblige
Wohnhaus und die dunkelrot gestrichenen Wirtschaftsgebäude des Gutes auf
uns herunter. Ein Bildchen aus Homer empfing uns: Pächter und Gesinde
erwarteten uns bereits neugierig an dem aus rohen Balken plump gefügten
Hoftor.

Eine recht stattliche Siedelung in der weiten Öde war es, die uns nun
aufnahm. Gegen fünfzehn Bauten erhoben sich aus dem Grün der sanft ge¬
wellten Wiesen, freundlich anzusehen in ihrer hölzernen Einfachheit und der
roten und weißen Bemalung. Die ganze Szenerie war derart, daß man sich
auf eine hochgelegene Schweizeralm versetzt glauben konnte. Am Nordufer des
schwarzen Sees zog sich ein breiter Streifen Rodland hin, dahinter begann der
Wald, dessen dunkle Konturen sich scharf und kühn vom grauen Himmel ab¬
zeichneten, ein echt nordischer Urwald in seiner ganzen herben Unberührtheit
und Größe.

In der besten Stube des Pächterhauses, einem schmalen Gelaß mit sand¬
bestreuten Dielen, dessen bemerkenswertestes Inventarstück eine zweistöckige Festung
von Bettgestell war. legten wir die Jagdkleider an. vor allem lange, weit über
Kniehöhe hinaufreichende Wasserstiefel. Dann eine reichliche Mahlzeit im Saal:
nahrhafte steife Grütze. Rauchfleisch und ein Pilzgericht. dazu ein gehöriges
Quantum frischer Milch -- unappetitlich dick und fett war sie und wurde durch
einen guten Schuß Kognak erträglicher gemacht. Während wir aßen, traten
die drei erwarteten Jagdgehilfen mit ungeschickten Bücklingen an unseren Tisch
heran und erstatteten Vinquist. der sie mit der Grandezza eines Paschas empfing,
Bericht über die Erfolge anderer Elchjäger in der Umgegend. Sie trugen alle
die Nationalwaffe, das dolchähnliche Pukkomesser, in einer bunten Lederscheide
an der Hüfte, einer außerdem ein blankes Beil zur Erleichterung des Durch¬
kommens im Dickicht. "Der kleine mit dem alten Waldhorn," sagte mir
Vinquist auf schwedisch, "hat vor vier Tagen an einer erfolgreichen Jagd im
Nyland-Lehen teilgenommen; der andere mit dem roten Bart und der aus¬
geworfenen breiten Nase -- er stammt von der Lappengrenze -- sah gestern
abend Spuren; sie rechnen alle auf ein gutes Resultat."

Um die Leute, die mich, den "Saxa", wie ein merkwürdiges Tier scheu
von der Seite betrachteten, etwas zutraulicher zu machen, zeigte ich ihnen meine


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braven Zugführer und bestiegen die vorher bestellten zweirädrigen Karren, die
uns nach unserem Jagdquartier, dem Gutshöfe sorti, bringen sollten; das
bessere der beiden Vehikel nahmen Vinquist und ich in Anspruch, während der
Jäger mit den beiden Hunden es sich, so gut es ging, in dem anderen
Rumpelkasten bequem machte. Anderthalb Stunden später langten wir am
Sorkisee an, wie gerädert von der rasenden Fahrt durch das neblige Revier
und bis zum Scheitel mit Lehm bespritzt, aber in fröhlichster Stimmung und
brennend vor Jagdbegier. Der unheimlich still und tiefschwarz daliegende See
wurde im flachen Ruderboot überquert, und alsbald sahen von einem grünen
Hügel, hinter riesigen grauen Findlingsblöcken verschanzt, das breitgieblige
Wohnhaus und die dunkelrot gestrichenen Wirtschaftsgebäude des Gutes auf
uns herunter. Ein Bildchen aus Homer empfing uns: Pächter und Gesinde
erwarteten uns bereits neugierig an dem aus rohen Balken plump gefügten
Hoftor.

Eine recht stattliche Siedelung in der weiten Öde war es, die uns nun
aufnahm. Gegen fünfzehn Bauten erhoben sich aus dem Grün der sanft ge¬
wellten Wiesen, freundlich anzusehen in ihrer hölzernen Einfachheit und der
roten und weißen Bemalung. Die ganze Szenerie war derart, daß man sich
auf eine hochgelegene Schweizeralm versetzt glauben konnte. Am Nordufer des
schwarzen Sees zog sich ein breiter Streifen Rodland hin, dahinter begann der
Wald, dessen dunkle Konturen sich scharf und kühn vom grauen Himmel ab¬
zeichneten, ein echt nordischer Urwald in seiner ganzen herben Unberührtheit
und Größe.

In der besten Stube des Pächterhauses, einem schmalen Gelaß mit sand¬
bestreuten Dielen, dessen bemerkenswertestes Inventarstück eine zweistöckige Festung
von Bettgestell war. legten wir die Jagdkleider an. vor allem lange, weit über
Kniehöhe hinaufreichende Wasserstiefel. Dann eine reichliche Mahlzeit im Saal:
nahrhafte steife Grütze. Rauchfleisch und ein Pilzgericht. dazu ein gehöriges
Quantum frischer Milch — unappetitlich dick und fett war sie und wurde durch
einen guten Schuß Kognak erträglicher gemacht. Während wir aßen, traten
die drei erwarteten Jagdgehilfen mit ungeschickten Bücklingen an unseren Tisch
heran und erstatteten Vinquist. der sie mit der Grandezza eines Paschas empfing,
Bericht über die Erfolge anderer Elchjäger in der Umgegend. Sie trugen alle
die Nationalwaffe, das dolchähnliche Pukkomesser, in einer bunten Lederscheide
an der Hüfte, einer außerdem ein blankes Beil zur Erleichterung des Durch¬
kommens im Dickicht. „Der kleine mit dem alten Waldhorn," sagte mir
Vinquist auf schwedisch, „hat vor vier Tagen an einer erfolgreichen Jagd im
Nyland-Lehen teilgenommen; der andere mit dem roten Bart und der aus¬
geworfenen breiten Nase — er stammt von der Lappengrenze — sah gestern
abend Spuren; sie rechnen alle auf ein gutes Resultat."

Um die Leute, die mich, den „Saxa", wie ein merkwürdiges Tier scheu
von der Seite betrachteten, etwas zutraulicher zu machen, zeigte ich ihnen meine


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[0475] Llchjagd braven Zugführer und bestiegen die vorher bestellten zweirädrigen Karren, die uns nach unserem Jagdquartier, dem Gutshöfe sorti, bringen sollten; das bessere der beiden Vehikel nahmen Vinquist und ich in Anspruch, während der Jäger mit den beiden Hunden es sich, so gut es ging, in dem anderen Rumpelkasten bequem machte. Anderthalb Stunden später langten wir am Sorkisee an, wie gerädert von der rasenden Fahrt durch das neblige Revier und bis zum Scheitel mit Lehm bespritzt, aber in fröhlichster Stimmung und brennend vor Jagdbegier. Der unheimlich still und tiefschwarz daliegende See wurde im flachen Ruderboot überquert, und alsbald sahen von einem grünen Hügel, hinter riesigen grauen Findlingsblöcken verschanzt, das breitgieblige Wohnhaus und die dunkelrot gestrichenen Wirtschaftsgebäude des Gutes auf uns herunter. Ein Bildchen aus Homer empfing uns: Pächter und Gesinde erwarteten uns bereits neugierig an dem aus rohen Balken plump gefügten Hoftor. Eine recht stattliche Siedelung in der weiten Öde war es, die uns nun aufnahm. Gegen fünfzehn Bauten erhoben sich aus dem Grün der sanft ge¬ wellten Wiesen, freundlich anzusehen in ihrer hölzernen Einfachheit und der roten und weißen Bemalung. Die ganze Szenerie war derart, daß man sich auf eine hochgelegene Schweizeralm versetzt glauben konnte. Am Nordufer des schwarzen Sees zog sich ein breiter Streifen Rodland hin, dahinter begann der Wald, dessen dunkle Konturen sich scharf und kühn vom grauen Himmel ab¬ zeichneten, ein echt nordischer Urwald in seiner ganzen herben Unberührtheit und Größe. In der besten Stube des Pächterhauses, einem schmalen Gelaß mit sand¬ bestreuten Dielen, dessen bemerkenswertestes Inventarstück eine zweistöckige Festung von Bettgestell war. legten wir die Jagdkleider an. vor allem lange, weit über Kniehöhe hinaufreichende Wasserstiefel. Dann eine reichliche Mahlzeit im Saal: nahrhafte steife Grütze. Rauchfleisch und ein Pilzgericht. dazu ein gehöriges Quantum frischer Milch — unappetitlich dick und fett war sie und wurde durch einen guten Schuß Kognak erträglicher gemacht. Während wir aßen, traten die drei erwarteten Jagdgehilfen mit ungeschickten Bücklingen an unseren Tisch heran und erstatteten Vinquist. der sie mit der Grandezza eines Paschas empfing, Bericht über die Erfolge anderer Elchjäger in der Umgegend. Sie trugen alle die Nationalwaffe, das dolchähnliche Pukkomesser, in einer bunten Lederscheide an der Hüfte, einer außerdem ein blankes Beil zur Erleichterung des Durch¬ kommens im Dickicht. „Der kleine mit dem alten Waldhorn," sagte mir Vinquist auf schwedisch, „hat vor vier Tagen an einer erfolgreichen Jagd im Nyland-Lehen teilgenommen; der andere mit dem roten Bart und der aus¬ geworfenen breiten Nase — er stammt von der Lappengrenze — sah gestern abend Spuren; sie rechnen alle auf ein gutes Resultat." Um die Leute, die mich, den „Saxa", wie ein merkwürdiges Tier scheu von der Seite betrachteten, etwas zutraulicher zu machen, zeigte ich ihnen meine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/475>, abgerufen am 29.06.2024.