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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Arbeiterfrage in Lidschi

Im Hinblick auf die brennende Arbeiterfrage in unserer deutschen Kolonie
Samoa wird es zweckmäßig sein, über die Anwerbung und Beschäftigung des
Kukis in der Nachbarkolonie Fidschi, sowie dessen Behandlung nach Ableistung
seiner Kontraktarbeit näheres mitzuteilen.

Abgesehen von meinen eigenen Erfahrungen in Fidschi gibt das angezogene
Gesetz von 1891 für die Beurteilung der Inderfrage einigen Anhalt; weiter
finden sich Angaben in privaten und offiziellen Handbüchern der Fidschi¬
regierung. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß im Jahre 1910 eine vom Earl
of Crewe (Kolonialminister der großbritannischen Regierung 1909) ernannte
Kommission über die Auswanderung von Indien in die verschiedenen Übersee-
kolonien Englands berichtete und naturgemäß die Verhältnisse in Fidschi beleuchtete.
Der sehr lesenswerte Bericht ist im Juni 1910 dem britischen Parlamente vor¬
gelegt worden*).

Die Regierung der Fidschikolonie hat einen Fonds geschaffen, den "Indian
Jmmigrants Introduction Fund", aus dem alle Kosten bis zur Verteilung der
Arbeiter auf die Plantagen bezahlt werden. Dazu gehören u. a. alle Ausgaben
in Indien seitens der Anwerber, ärztliche Behandlung, Reise nach Fidschi, erste
ärztliche Untersuchung und Behandlung dort, Rücksendung der Untauglich-Be¬
fundenen, Instandhaltung der Auswandererdepots. Die Art und Weise, in der
ein Pflanzer Arbeiter erhält, ist folgende. Er muß dem Einwanderungskom¬
missar, einem höheren Regierungsbeamten, vor dem 1. Oktober jeden Jahres
die Zahl der im nächsten Jahre benötigten Arbeiter anmelden. Gleichzeitig
zahlt er in den oben genannten Fonds eine "Applikationsgebühr", die jedes Jahr
von der gesetzgebenden Versammlung in Fidschi festgesetzt wird und für dieses
Jahr 6 Pfund Sterling pro Kopf der angemeldeten Arbeiter beträgt. Diese
Summe wird jedoch nicht sogleich voll gebraucht. Die Regierung hinterlegt
vielmehr die Anmeloungsgelder bei einer in Fidschi ansässigen Bank. Die
dafür eingenommenen Zinsen werden dem einzelnen Pflanzer ausbezahlt.

Dann werden die in Indien sich aufhaltenden Anwerber, Beamte der
Fidschiregierung, angewiesen, die benötigte Anzahl Kukis zu lekrutieren. Jährlich
zweimal, meistens im Februar und im Juni, werden die Kukis in von der Ne¬
gierung gecharterten Dampfern nach Fidschi befördert. Nach der Ankunft werden
die einzelnen Kukis auf die Pflanzer verteilt. Sowie in dem Fidschi-Amtsblatt
dazu aufgefordert wird, muß die sogenannte "Alloiment", d. h. die Zuweisungs¬
gebühr bezahlt werden, die letzthin und in den vergangenen Jahren etwa
10 Pfund Sterling per angemeldeten Arbeiter beträgt. Dieser Betrag soll die
tatsächlichen Kosten der Einführung decken. Stellt sich am Ende des Jahres ein
Defizit in den Anwerbungstransaktionen heraus, so muß der Pflanzer pro rata,
seiner erhaltenen Arbeitskräfte nachzählen, ist aber ein Überschuß nach Zahlung



"i Kepvi't elle Lommittee in, tlo I^miAration kron Inciis to elle Lrovn LoloiiiöS
auel p,"wLtor-etes, London 1910.
Die Arbeiterfrage in Lidschi

Im Hinblick auf die brennende Arbeiterfrage in unserer deutschen Kolonie
Samoa wird es zweckmäßig sein, über die Anwerbung und Beschäftigung des
Kukis in der Nachbarkolonie Fidschi, sowie dessen Behandlung nach Ableistung
seiner Kontraktarbeit näheres mitzuteilen.

Abgesehen von meinen eigenen Erfahrungen in Fidschi gibt das angezogene
Gesetz von 1891 für die Beurteilung der Inderfrage einigen Anhalt; weiter
finden sich Angaben in privaten und offiziellen Handbüchern der Fidschi¬
regierung. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß im Jahre 1910 eine vom Earl
of Crewe (Kolonialminister der großbritannischen Regierung 1909) ernannte
Kommission über die Auswanderung von Indien in die verschiedenen Übersee-
kolonien Englands berichtete und naturgemäß die Verhältnisse in Fidschi beleuchtete.
Der sehr lesenswerte Bericht ist im Juni 1910 dem britischen Parlamente vor¬
gelegt worden*).

Die Regierung der Fidschikolonie hat einen Fonds geschaffen, den „Indian
Jmmigrants Introduction Fund", aus dem alle Kosten bis zur Verteilung der
Arbeiter auf die Plantagen bezahlt werden. Dazu gehören u. a. alle Ausgaben
in Indien seitens der Anwerber, ärztliche Behandlung, Reise nach Fidschi, erste
ärztliche Untersuchung und Behandlung dort, Rücksendung der Untauglich-Be¬
fundenen, Instandhaltung der Auswandererdepots. Die Art und Weise, in der
ein Pflanzer Arbeiter erhält, ist folgende. Er muß dem Einwanderungskom¬
missar, einem höheren Regierungsbeamten, vor dem 1. Oktober jeden Jahres
die Zahl der im nächsten Jahre benötigten Arbeiter anmelden. Gleichzeitig
zahlt er in den oben genannten Fonds eine „Applikationsgebühr", die jedes Jahr
von der gesetzgebenden Versammlung in Fidschi festgesetzt wird und für dieses
Jahr 6 Pfund Sterling pro Kopf der angemeldeten Arbeiter beträgt. Diese
Summe wird jedoch nicht sogleich voll gebraucht. Die Regierung hinterlegt
vielmehr die Anmeloungsgelder bei einer in Fidschi ansässigen Bank. Die
dafür eingenommenen Zinsen werden dem einzelnen Pflanzer ausbezahlt.

Dann werden die in Indien sich aufhaltenden Anwerber, Beamte der
Fidschiregierung, angewiesen, die benötigte Anzahl Kukis zu lekrutieren. Jährlich
zweimal, meistens im Februar und im Juni, werden die Kukis in von der Ne¬
gierung gecharterten Dampfern nach Fidschi befördert. Nach der Ankunft werden
die einzelnen Kukis auf die Pflanzer verteilt. Sowie in dem Fidschi-Amtsblatt
dazu aufgefordert wird, muß die sogenannte „Alloiment", d. h. die Zuweisungs¬
gebühr bezahlt werden, die letzthin und in den vergangenen Jahren etwa
10 Pfund Sterling per angemeldeten Arbeiter beträgt. Dieser Betrag soll die
tatsächlichen Kosten der Einführung decken. Stellt sich am Ende des Jahres ein
Defizit in den Anwerbungstransaktionen heraus, so muß der Pflanzer pro rata,
seiner erhaltenen Arbeitskräfte nachzählen, ist aber ein Überschuß nach Zahlung



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[0464] Die Arbeiterfrage in Lidschi Im Hinblick auf die brennende Arbeiterfrage in unserer deutschen Kolonie Samoa wird es zweckmäßig sein, über die Anwerbung und Beschäftigung des Kukis in der Nachbarkolonie Fidschi, sowie dessen Behandlung nach Ableistung seiner Kontraktarbeit näheres mitzuteilen. Abgesehen von meinen eigenen Erfahrungen in Fidschi gibt das angezogene Gesetz von 1891 für die Beurteilung der Inderfrage einigen Anhalt; weiter finden sich Angaben in privaten und offiziellen Handbüchern der Fidschi¬ regierung. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß im Jahre 1910 eine vom Earl of Crewe (Kolonialminister der großbritannischen Regierung 1909) ernannte Kommission über die Auswanderung von Indien in die verschiedenen Übersee- kolonien Englands berichtete und naturgemäß die Verhältnisse in Fidschi beleuchtete. Der sehr lesenswerte Bericht ist im Juni 1910 dem britischen Parlamente vor¬ gelegt worden*). Die Regierung der Fidschikolonie hat einen Fonds geschaffen, den „Indian Jmmigrants Introduction Fund", aus dem alle Kosten bis zur Verteilung der Arbeiter auf die Plantagen bezahlt werden. Dazu gehören u. a. alle Ausgaben in Indien seitens der Anwerber, ärztliche Behandlung, Reise nach Fidschi, erste ärztliche Untersuchung und Behandlung dort, Rücksendung der Untauglich-Be¬ fundenen, Instandhaltung der Auswandererdepots. Die Art und Weise, in der ein Pflanzer Arbeiter erhält, ist folgende. Er muß dem Einwanderungskom¬ missar, einem höheren Regierungsbeamten, vor dem 1. Oktober jeden Jahres die Zahl der im nächsten Jahre benötigten Arbeiter anmelden. Gleichzeitig zahlt er in den oben genannten Fonds eine „Applikationsgebühr", die jedes Jahr von der gesetzgebenden Versammlung in Fidschi festgesetzt wird und für dieses Jahr 6 Pfund Sterling pro Kopf der angemeldeten Arbeiter beträgt. Diese Summe wird jedoch nicht sogleich voll gebraucht. Die Regierung hinterlegt vielmehr die Anmeloungsgelder bei einer in Fidschi ansässigen Bank. Die dafür eingenommenen Zinsen werden dem einzelnen Pflanzer ausbezahlt. Dann werden die in Indien sich aufhaltenden Anwerber, Beamte der Fidschiregierung, angewiesen, die benötigte Anzahl Kukis zu lekrutieren. Jährlich zweimal, meistens im Februar und im Juni, werden die Kukis in von der Ne¬ gierung gecharterten Dampfern nach Fidschi befördert. Nach der Ankunft werden die einzelnen Kukis auf die Pflanzer verteilt. Sowie in dem Fidschi-Amtsblatt dazu aufgefordert wird, muß die sogenannte „Alloiment", d. h. die Zuweisungs¬ gebühr bezahlt werden, die letzthin und in den vergangenen Jahren etwa 10 Pfund Sterling per angemeldeten Arbeiter beträgt. Dieser Betrag soll die tatsächlichen Kosten der Einführung decken. Stellt sich am Ende des Jahres ein Defizit in den Anwerbungstransaktionen heraus, so muß der Pflanzer pro rata, seiner erhaltenen Arbeitskräfte nachzählen, ist aber ein Überschuß nach Zahlung "i Kepvi't elle Lommittee in, tlo I^miAration kron Inciis to elle Lrovn LoloiiiöS auel p,»wLtor-etes, London 1910.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/464>, abgerufen am 30.06.2024.