Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Reform der inneren Verwaltung

hiervon werden die Kollegien ein wichtiger Sammelpunkt von Erfahrungen und
Überlieferungen werden, so daß die Erhaltung erprobter Anschauungen von dem
jeweiligen Wechsel der Beamten möglichst unabhängig bleibt. Alles in allem werden
die Kollegien im Sinne einer wohltätigen Konsequenz und Stetigkeit wirken, welche
im Interesse einer Vertrauen erweckenden Verwaltung unbedingt erforderlich ist.

Bei unserer Erörterung haben wir nicht der Oberregierungsräte, d. h. der
Abteilungsdirigenten, gedacht. Daß man sie übergehen kann, ohne daß die
Darstellung eigentlich falsch wird, ist bezeichnend genug und weist bereits deutlich
auf ihre eigentümliche Stellung zwischen Präsident und Dezernent hin. Im
übrigen ist diese Stellung verschieden. In den Abteilungen zwei und drei haben
die Dirigenten eigentlich nur gewisse Leitungsbefugnisse, während sie in den
bureaukratisch eingerichteten ersten Abteilungen das Entscheidungsrecht haben,
wenn der Präsident nicht entscheiden will. Daneben hat ein Abteilungsdirigent
-- gewöhnlich derjenige der ersten Abteilung -- noch die Vertretung des Präsi¬
denten, insofern er an der Spitze der ganzen Regierung steht. Abgesehen von
diesen Verschiedenheiten zeigen alle Abteilungsdirigenten das Gemeinsame, daß
sie gerade die ungünstigen Momente, welche wir bei Präsident und Dezernenten
hervorgehoben haben, in sich vereinigen. Mit dem ersteren haben sie die man¬
gelnde Information, mit den letzteren die fehlende Entscheidungsbefugnis gemein,
da ihre Entschließungen der Beeinflussung durch das Kollegium oder den Präsi¬
denten unterliegen. Da nun die neue Geschäftsanweisung für die Regierungen
einen Teil der Entscheidungsbefugnisse der Abteilungsdirigenten ohnehin an die
Dezernenten übertragen hat, frägt es sich, ob es sich nicht empfiehlt, die ihnen
verbleibende Tätigkeit ganz zu nehmen, um sie anderen Stellen, insbesondere
den Dezernenten, zu übertragen, zumal auf diese Weise eine der nach unserer
Ansicht allzu vielen Instanzen innerhalb der Regierungen beseitigt würde.

Wir möchten diese Frage bejahen.

Zur Begründung unseres Standpunktes sei zunächst darauf hingewiesen,
daß es kaum eine Tätigkeit des Abteilungsdirigenten gibt, sür welche seine Bei¬
behaltung wesentlich erscheint. Die eingehenden Sachen können grundsätzlich
bereits im Präsidialbureau auf alle Dezernenten verteilt werden. Die formelle
Leitung etwaiger Verhandlungen, von Abstimmungen usw. kann gewiß dem
jeweilig ältesten der anwesenden Dezernenten übertragen werden. Und auch die
Einheit hinsichtlich der sachlichen Geschäftserledigung wird vollauf gewahrt werden
können, wenn der Präsident hierüber wacht, grundsätzliche Beschlüsse der Kollegien
das Nähere anordnen, oder die Mitzeichnung von geeigneten, namentlich des
die generellen Sachen bearbeitenden Dezernenten vorgesehen wird. Personal¬
angelegenheiten sollten aber grundsätzlich Sache des Präsidenten sein, wobei,
wie bereits an anderer Stelle hervorgehoben worden ist, unseres Erachtens der
Oberpräsident als wesentlich mitwirkender Faktor einzutreten hätte.

Was nun schließlich das Entscheidungsrecht des Abteilungsdirigenten in den
sogenannten wichtigeren Sachen, welche ihnen die neue Geschäftsanweisung noch


Reform der inneren Verwaltung

hiervon werden die Kollegien ein wichtiger Sammelpunkt von Erfahrungen und
Überlieferungen werden, so daß die Erhaltung erprobter Anschauungen von dem
jeweiligen Wechsel der Beamten möglichst unabhängig bleibt. Alles in allem werden
die Kollegien im Sinne einer wohltätigen Konsequenz und Stetigkeit wirken, welche
im Interesse einer Vertrauen erweckenden Verwaltung unbedingt erforderlich ist.

Bei unserer Erörterung haben wir nicht der Oberregierungsräte, d. h. der
Abteilungsdirigenten, gedacht. Daß man sie übergehen kann, ohne daß die
Darstellung eigentlich falsch wird, ist bezeichnend genug und weist bereits deutlich
auf ihre eigentümliche Stellung zwischen Präsident und Dezernent hin. Im
übrigen ist diese Stellung verschieden. In den Abteilungen zwei und drei haben
die Dirigenten eigentlich nur gewisse Leitungsbefugnisse, während sie in den
bureaukratisch eingerichteten ersten Abteilungen das Entscheidungsrecht haben,
wenn der Präsident nicht entscheiden will. Daneben hat ein Abteilungsdirigent
— gewöhnlich derjenige der ersten Abteilung — noch die Vertretung des Präsi¬
denten, insofern er an der Spitze der ganzen Regierung steht. Abgesehen von
diesen Verschiedenheiten zeigen alle Abteilungsdirigenten das Gemeinsame, daß
sie gerade die ungünstigen Momente, welche wir bei Präsident und Dezernenten
hervorgehoben haben, in sich vereinigen. Mit dem ersteren haben sie die man¬
gelnde Information, mit den letzteren die fehlende Entscheidungsbefugnis gemein,
da ihre Entschließungen der Beeinflussung durch das Kollegium oder den Präsi¬
denten unterliegen. Da nun die neue Geschäftsanweisung für die Regierungen
einen Teil der Entscheidungsbefugnisse der Abteilungsdirigenten ohnehin an die
Dezernenten übertragen hat, frägt es sich, ob es sich nicht empfiehlt, die ihnen
verbleibende Tätigkeit ganz zu nehmen, um sie anderen Stellen, insbesondere
den Dezernenten, zu übertragen, zumal auf diese Weise eine der nach unserer
Ansicht allzu vielen Instanzen innerhalb der Regierungen beseitigt würde.

Wir möchten diese Frage bejahen.

Zur Begründung unseres Standpunktes sei zunächst darauf hingewiesen,
daß es kaum eine Tätigkeit des Abteilungsdirigenten gibt, sür welche seine Bei¬
behaltung wesentlich erscheint. Die eingehenden Sachen können grundsätzlich
bereits im Präsidialbureau auf alle Dezernenten verteilt werden. Die formelle
Leitung etwaiger Verhandlungen, von Abstimmungen usw. kann gewiß dem
jeweilig ältesten der anwesenden Dezernenten übertragen werden. Und auch die
Einheit hinsichtlich der sachlichen Geschäftserledigung wird vollauf gewahrt werden
können, wenn der Präsident hierüber wacht, grundsätzliche Beschlüsse der Kollegien
das Nähere anordnen, oder die Mitzeichnung von geeigneten, namentlich des
die generellen Sachen bearbeitenden Dezernenten vorgesehen wird. Personal¬
angelegenheiten sollten aber grundsätzlich Sache des Präsidenten sein, wobei,
wie bereits an anderer Stelle hervorgehoben worden ist, unseres Erachtens der
Oberpräsident als wesentlich mitwirkender Faktor einzutreten hätte.

Was nun schließlich das Entscheidungsrecht des Abteilungsdirigenten in den
sogenannten wichtigeren Sachen, welche ihnen die neue Geschäftsanweisung noch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0422" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327234"/>
          <fw type="header" place="top"> Reform der inneren Verwaltung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1661" prev="#ID_1660"> hiervon werden die Kollegien ein wichtiger Sammelpunkt von Erfahrungen und<lb/>
Überlieferungen werden, so daß die Erhaltung erprobter Anschauungen von dem<lb/>
jeweiligen Wechsel der Beamten möglichst unabhängig bleibt. Alles in allem werden<lb/>
die Kollegien im Sinne einer wohltätigen Konsequenz und Stetigkeit wirken, welche<lb/>
im Interesse einer Vertrauen erweckenden Verwaltung unbedingt erforderlich ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1662"> Bei unserer Erörterung haben wir nicht der Oberregierungsräte, d. h. der<lb/>
Abteilungsdirigenten, gedacht. Daß man sie übergehen kann, ohne daß die<lb/>
Darstellung eigentlich falsch wird, ist bezeichnend genug und weist bereits deutlich<lb/>
auf ihre eigentümliche Stellung zwischen Präsident und Dezernent hin. Im<lb/>
übrigen ist diese Stellung verschieden. In den Abteilungen zwei und drei haben<lb/>
die Dirigenten eigentlich nur gewisse Leitungsbefugnisse, während sie in den<lb/>
bureaukratisch eingerichteten ersten Abteilungen das Entscheidungsrecht haben,<lb/>
wenn der Präsident nicht entscheiden will. Daneben hat ein Abteilungsdirigent<lb/>
&#x2014; gewöhnlich derjenige der ersten Abteilung &#x2014; noch die Vertretung des Präsi¬<lb/>
denten, insofern er an der Spitze der ganzen Regierung steht. Abgesehen von<lb/>
diesen Verschiedenheiten zeigen alle Abteilungsdirigenten das Gemeinsame, daß<lb/>
sie gerade die ungünstigen Momente, welche wir bei Präsident und Dezernenten<lb/>
hervorgehoben haben, in sich vereinigen. Mit dem ersteren haben sie die man¬<lb/>
gelnde Information, mit den letzteren die fehlende Entscheidungsbefugnis gemein,<lb/>
da ihre Entschließungen der Beeinflussung durch das Kollegium oder den Präsi¬<lb/>
denten unterliegen. Da nun die neue Geschäftsanweisung für die Regierungen<lb/>
einen Teil der Entscheidungsbefugnisse der Abteilungsdirigenten ohnehin an die<lb/>
Dezernenten übertragen hat, frägt es sich, ob es sich nicht empfiehlt, die ihnen<lb/>
verbleibende Tätigkeit ganz zu nehmen, um sie anderen Stellen, insbesondere<lb/>
den Dezernenten, zu übertragen, zumal auf diese Weise eine der nach unserer<lb/>
Ansicht allzu vielen Instanzen innerhalb der Regierungen beseitigt würde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1663"> Wir möchten diese Frage bejahen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1664"> Zur Begründung unseres Standpunktes sei zunächst darauf hingewiesen,<lb/>
daß es kaum eine Tätigkeit des Abteilungsdirigenten gibt, sür welche seine Bei¬<lb/>
behaltung wesentlich erscheint. Die eingehenden Sachen können grundsätzlich<lb/>
bereits im Präsidialbureau auf alle Dezernenten verteilt werden. Die formelle<lb/>
Leitung etwaiger Verhandlungen, von Abstimmungen usw. kann gewiß dem<lb/>
jeweilig ältesten der anwesenden Dezernenten übertragen werden. Und auch die<lb/>
Einheit hinsichtlich der sachlichen Geschäftserledigung wird vollauf gewahrt werden<lb/>
können, wenn der Präsident hierüber wacht, grundsätzliche Beschlüsse der Kollegien<lb/>
das Nähere anordnen, oder die Mitzeichnung von geeigneten, namentlich des<lb/>
die generellen Sachen bearbeitenden Dezernenten vorgesehen wird. Personal¬<lb/>
angelegenheiten sollten aber grundsätzlich Sache des Präsidenten sein, wobei,<lb/>
wie bereits an anderer Stelle hervorgehoben worden ist, unseres Erachtens der<lb/>
Oberpräsident als wesentlich mitwirkender Faktor einzutreten hätte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1665" next="#ID_1666"> Was nun schließlich das Entscheidungsrecht des Abteilungsdirigenten in den<lb/>
sogenannten wichtigeren Sachen, welche ihnen die neue Geschäftsanweisung noch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0422] Reform der inneren Verwaltung hiervon werden die Kollegien ein wichtiger Sammelpunkt von Erfahrungen und Überlieferungen werden, so daß die Erhaltung erprobter Anschauungen von dem jeweiligen Wechsel der Beamten möglichst unabhängig bleibt. Alles in allem werden die Kollegien im Sinne einer wohltätigen Konsequenz und Stetigkeit wirken, welche im Interesse einer Vertrauen erweckenden Verwaltung unbedingt erforderlich ist. Bei unserer Erörterung haben wir nicht der Oberregierungsräte, d. h. der Abteilungsdirigenten, gedacht. Daß man sie übergehen kann, ohne daß die Darstellung eigentlich falsch wird, ist bezeichnend genug und weist bereits deutlich auf ihre eigentümliche Stellung zwischen Präsident und Dezernent hin. Im übrigen ist diese Stellung verschieden. In den Abteilungen zwei und drei haben die Dirigenten eigentlich nur gewisse Leitungsbefugnisse, während sie in den bureaukratisch eingerichteten ersten Abteilungen das Entscheidungsrecht haben, wenn der Präsident nicht entscheiden will. Daneben hat ein Abteilungsdirigent — gewöhnlich derjenige der ersten Abteilung — noch die Vertretung des Präsi¬ denten, insofern er an der Spitze der ganzen Regierung steht. Abgesehen von diesen Verschiedenheiten zeigen alle Abteilungsdirigenten das Gemeinsame, daß sie gerade die ungünstigen Momente, welche wir bei Präsident und Dezernenten hervorgehoben haben, in sich vereinigen. Mit dem ersteren haben sie die man¬ gelnde Information, mit den letzteren die fehlende Entscheidungsbefugnis gemein, da ihre Entschließungen der Beeinflussung durch das Kollegium oder den Präsi¬ denten unterliegen. Da nun die neue Geschäftsanweisung für die Regierungen einen Teil der Entscheidungsbefugnisse der Abteilungsdirigenten ohnehin an die Dezernenten übertragen hat, frägt es sich, ob es sich nicht empfiehlt, die ihnen verbleibende Tätigkeit ganz zu nehmen, um sie anderen Stellen, insbesondere den Dezernenten, zu übertragen, zumal auf diese Weise eine der nach unserer Ansicht allzu vielen Instanzen innerhalb der Regierungen beseitigt würde. Wir möchten diese Frage bejahen. Zur Begründung unseres Standpunktes sei zunächst darauf hingewiesen, daß es kaum eine Tätigkeit des Abteilungsdirigenten gibt, sür welche seine Bei¬ behaltung wesentlich erscheint. Die eingehenden Sachen können grundsätzlich bereits im Präsidialbureau auf alle Dezernenten verteilt werden. Die formelle Leitung etwaiger Verhandlungen, von Abstimmungen usw. kann gewiß dem jeweilig ältesten der anwesenden Dezernenten übertragen werden. Und auch die Einheit hinsichtlich der sachlichen Geschäftserledigung wird vollauf gewahrt werden können, wenn der Präsident hierüber wacht, grundsätzliche Beschlüsse der Kollegien das Nähere anordnen, oder die Mitzeichnung von geeigneten, namentlich des die generellen Sachen bearbeitenden Dezernenten vorgesehen wird. Personal¬ angelegenheiten sollten aber grundsätzlich Sache des Präsidenten sein, wobei, wie bereits an anderer Stelle hervorgehoben worden ist, unseres Erachtens der Oberpräsident als wesentlich mitwirkender Faktor einzutreten hätte. Was nun schließlich das Entscheidungsrecht des Abteilungsdirigenten in den sogenannten wichtigeren Sachen, welche ihnen die neue Geschäftsanweisung noch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/422
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/422>, abgerufen am 24.08.2024.