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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Reform der inneren Verwaltung

einst die Abstimmung, also das kollegiale System bei der Geschäftserledigung
Bedeutung gewinnt.

Die damit verbundenen Vorteile bei gleichzeitiger Berücksichtigung der
Grundsätze der neuen Geschäftsanweisung sind unseres Erachtens recht wesentliche.

Wir denken hierbei nicht an regelmäßig abzuhaltende, langatmige Sitzungen,
wie sie einst üblich waren. Vielmehr soll die Abstimmung nur als ein Recht
des Präsidenten und des Dezernenten vorhanden sein, von welchem nach Belieben
Gebrauch gemacht werden kann, bei nicht zu beseitigender Meinungsverschieden¬
heit aber Gebrauch gemacht werden muß, sei es nun, daß das ganze Kollegium
oder einzelne Teile desselben zur Mitwirkung berufen werden.

Der Geschäftsgang wird sich dann im wesentlichen so abspielen können,
daß zunächst alle diejenigen Sachen -- es wird dies bei weitem die Mehrzahl
sein --, welche dem Dezernenten zur selbständigen Bearbeitung überwiesen
werden, von ihm wie bisher allein abgemacht werden, und zwar auch ganz
unter seiner Verantwortung. Grundsätzlich darf es gegen derartige Entscheidungen
nur die Beschwerde an die vorgesetzte Behörde, nicht an den Regierungs¬
präsidenten geben. Diejenigen Sachen dagegen, bei welchen letzterer seine Mit¬
wirkung vorbehalten hat, müssen als rechtlich zustande gekommen gelten, sobald
Präsident und Dezernent einig sind. Erst wenn solche Einigung nicht zu er¬
zielen sein sollte, wird es zur Abstimmung kommen. Falls der Präsident mit
den Entscheidungen des Kollegiums nicht einverstanden sein kann, muß es sowohl
sein Recht wie seine Pflicht sein, die Entscheidung des Ministers herbeizuführen.
In dringenden Fällen wird er, wie es schon jetzt möglich ist, an Stelle des
Kollegiums handeln dürfen.

Im großen und ganzen wird hiernach der Gang der Geschäfte sich ziemlich
ebenso abwickeln wie bisher. Die wesentliche Neuerung, die äußerlich nicht
einmal sehr hervorzutreten braucht, wird nur darin bestehen, daß die Herbei¬
führung der Abstimmung in allen Fällen als ein "Recht" zur Verfügung steht.
Dieses "Recht" hat aber darin seine Bedeutung, daß einerseits der Dezernent
infolgedessen eine Meinung haben und sie unter seiner Verantwortung vertreten
darf, was die oben erwähnten Nachteile seiner jetzigen Stellung beseitigt, während
anderseits der Leiter der Behörde von seiner in der Theorie bestehenden
übergroßen Verantwortung, für die er in Wirklichkeit doch uicht einstehen kann,
in angemessener Weise frei wird.

Zugleich tritt als allgemein verantwortlicher Faktor das Regierungskollegium
auf, wie es ja für gewisse Dinge auch nach der bisherigen Organisation
noch der Fall war. Dies würde- aber für alle Beteiligten -- Präsident und
Dezernenten -- zunächst eine wesentliche Stärkung der eigenen Stellung bedeuten
und sie frei machen von dem leicht wirkenden Einfluß von außen, dem jeder
mehr oder weniger unterliegt, wenn er ohne weiteres ja oder nein sagen kann,
der aber notgedrungen eine gewisse Unsicherheit in die Verwaltung bringen
muß. da er leicht zu schwankenden und zufälligen Entscheidungen führt. Abgesehen


Reform der inneren Verwaltung

einst die Abstimmung, also das kollegiale System bei der Geschäftserledigung
Bedeutung gewinnt.

Die damit verbundenen Vorteile bei gleichzeitiger Berücksichtigung der
Grundsätze der neuen Geschäftsanweisung sind unseres Erachtens recht wesentliche.

Wir denken hierbei nicht an regelmäßig abzuhaltende, langatmige Sitzungen,
wie sie einst üblich waren. Vielmehr soll die Abstimmung nur als ein Recht
des Präsidenten und des Dezernenten vorhanden sein, von welchem nach Belieben
Gebrauch gemacht werden kann, bei nicht zu beseitigender Meinungsverschieden¬
heit aber Gebrauch gemacht werden muß, sei es nun, daß das ganze Kollegium
oder einzelne Teile desselben zur Mitwirkung berufen werden.

Der Geschäftsgang wird sich dann im wesentlichen so abspielen können,
daß zunächst alle diejenigen Sachen — es wird dies bei weitem die Mehrzahl
sein —, welche dem Dezernenten zur selbständigen Bearbeitung überwiesen
werden, von ihm wie bisher allein abgemacht werden, und zwar auch ganz
unter seiner Verantwortung. Grundsätzlich darf es gegen derartige Entscheidungen
nur die Beschwerde an die vorgesetzte Behörde, nicht an den Regierungs¬
präsidenten geben. Diejenigen Sachen dagegen, bei welchen letzterer seine Mit¬
wirkung vorbehalten hat, müssen als rechtlich zustande gekommen gelten, sobald
Präsident und Dezernent einig sind. Erst wenn solche Einigung nicht zu er¬
zielen sein sollte, wird es zur Abstimmung kommen. Falls der Präsident mit
den Entscheidungen des Kollegiums nicht einverstanden sein kann, muß es sowohl
sein Recht wie seine Pflicht sein, die Entscheidung des Ministers herbeizuführen.
In dringenden Fällen wird er, wie es schon jetzt möglich ist, an Stelle des
Kollegiums handeln dürfen.

Im großen und ganzen wird hiernach der Gang der Geschäfte sich ziemlich
ebenso abwickeln wie bisher. Die wesentliche Neuerung, die äußerlich nicht
einmal sehr hervorzutreten braucht, wird nur darin bestehen, daß die Herbei¬
führung der Abstimmung in allen Fällen als ein „Recht" zur Verfügung steht.
Dieses „Recht" hat aber darin seine Bedeutung, daß einerseits der Dezernent
infolgedessen eine Meinung haben und sie unter seiner Verantwortung vertreten
darf, was die oben erwähnten Nachteile seiner jetzigen Stellung beseitigt, während
anderseits der Leiter der Behörde von seiner in der Theorie bestehenden
übergroßen Verantwortung, für die er in Wirklichkeit doch uicht einstehen kann,
in angemessener Weise frei wird.

Zugleich tritt als allgemein verantwortlicher Faktor das Regierungskollegium
auf, wie es ja für gewisse Dinge auch nach der bisherigen Organisation
noch der Fall war. Dies würde- aber für alle Beteiligten — Präsident und
Dezernenten — zunächst eine wesentliche Stärkung der eigenen Stellung bedeuten
und sie frei machen von dem leicht wirkenden Einfluß von außen, dem jeder
mehr oder weniger unterliegt, wenn er ohne weiteres ja oder nein sagen kann,
der aber notgedrungen eine gewisse Unsicherheit in die Verwaltung bringen
muß. da er leicht zu schwankenden und zufälligen Entscheidungen führt. Abgesehen


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[0421] Reform der inneren Verwaltung einst die Abstimmung, also das kollegiale System bei der Geschäftserledigung Bedeutung gewinnt. Die damit verbundenen Vorteile bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Grundsätze der neuen Geschäftsanweisung sind unseres Erachtens recht wesentliche. Wir denken hierbei nicht an regelmäßig abzuhaltende, langatmige Sitzungen, wie sie einst üblich waren. Vielmehr soll die Abstimmung nur als ein Recht des Präsidenten und des Dezernenten vorhanden sein, von welchem nach Belieben Gebrauch gemacht werden kann, bei nicht zu beseitigender Meinungsverschieden¬ heit aber Gebrauch gemacht werden muß, sei es nun, daß das ganze Kollegium oder einzelne Teile desselben zur Mitwirkung berufen werden. Der Geschäftsgang wird sich dann im wesentlichen so abspielen können, daß zunächst alle diejenigen Sachen — es wird dies bei weitem die Mehrzahl sein —, welche dem Dezernenten zur selbständigen Bearbeitung überwiesen werden, von ihm wie bisher allein abgemacht werden, und zwar auch ganz unter seiner Verantwortung. Grundsätzlich darf es gegen derartige Entscheidungen nur die Beschwerde an die vorgesetzte Behörde, nicht an den Regierungs¬ präsidenten geben. Diejenigen Sachen dagegen, bei welchen letzterer seine Mit¬ wirkung vorbehalten hat, müssen als rechtlich zustande gekommen gelten, sobald Präsident und Dezernent einig sind. Erst wenn solche Einigung nicht zu er¬ zielen sein sollte, wird es zur Abstimmung kommen. Falls der Präsident mit den Entscheidungen des Kollegiums nicht einverstanden sein kann, muß es sowohl sein Recht wie seine Pflicht sein, die Entscheidung des Ministers herbeizuführen. In dringenden Fällen wird er, wie es schon jetzt möglich ist, an Stelle des Kollegiums handeln dürfen. Im großen und ganzen wird hiernach der Gang der Geschäfte sich ziemlich ebenso abwickeln wie bisher. Die wesentliche Neuerung, die äußerlich nicht einmal sehr hervorzutreten braucht, wird nur darin bestehen, daß die Herbei¬ führung der Abstimmung in allen Fällen als ein „Recht" zur Verfügung steht. Dieses „Recht" hat aber darin seine Bedeutung, daß einerseits der Dezernent infolgedessen eine Meinung haben und sie unter seiner Verantwortung vertreten darf, was die oben erwähnten Nachteile seiner jetzigen Stellung beseitigt, während anderseits der Leiter der Behörde von seiner in der Theorie bestehenden übergroßen Verantwortung, für die er in Wirklichkeit doch uicht einstehen kann, in angemessener Weise frei wird. Zugleich tritt als allgemein verantwortlicher Faktor das Regierungskollegium auf, wie es ja für gewisse Dinge auch nach der bisherigen Organisation noch der Fall war. Dies würde- aber für alle Beteiligten — Präsident und Dezernenten — zunächst eine wesentliche Stärkung der eigenen Stellung bedeuten und sie frei machen von dem leicht wirkenden Einfluß von außen, dem jeder mehr oder weniger unterliegt, wenn er ohne weiteres ja oder nein sagen kann, der aber notgedrungen eine gewisse Unsicherheit in die Verwaltung bringen muß. da er leicht zu schwankenden und zufälligen Entscheidungen führt. Abgesehen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/421>, abgerufen am 24.08.2024.