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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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[Beginn Spaltensatz]

Diesen Dichter, dessen Sprache mit ihrer
markigen Kraft, ihrer überraschenden Kühn¬
heit, ihrer oft beabsichtigten Dunkelheit "keinen
leichten Genuß gewährt" (Leo), dem gebildeten
Publikum durch eine Übersetzung nahe zu
bringen, hat Lewinsohn im vorliegenden
Werke versucht. Anders als Stowasser, der
in seiner "Römerlyrik" moderne VerSmasze
auch bei seinen Properz <-Übersetzungen an¬
wendet, bildet Lewinsohn in sinngemäßer,
formgewandter Übersetzung die Distichen des
Properz nach, und er befindet sich dabei in
guter Gesellschaft: ist doch auch Goethe, den
Properz zu den "Römischen Elegien" be¬
geistert hat, in der Form dem Römer gefolgt.

Als Probe der Kunst des Dichters wie
des Übersetzers mag hier folgendes, auch in
unserer Zeit Wohl zu beherzigendes Gedicht
stehen:


[Spaltenumbruch]

Weit aus der Ferne geholt, stellst du dich
schnöde zur Schau?

ö Warum mit fremdem Gepränge natür¬
liche Reize verderben

Und nicht zeigen, was dein, Glieder voll
blühender Pracht?

Glaube mir, deiner Gestalt sind ver¬
schönerte Mittel entbehrlich;

Amor ist nackt und verschmäht künstlich
geschaffne Gestaltl

Sieh, mit farbigem Schimmer die Erde
sich prangend umkleidet,

1V Und aus eigener Kraft besser der Efeu
gedeiht;

Schöner der Erdveecbaum in verlassenen
Höhlen sich breitet,

Gern nach eigener Wahl schlängelt der
Quell sich dahin;

Farbig der Strand sich bedeckt mit
Steinchen dem Boden entwachsen,

Und nicht füfzer macht Kunst klingen der
Vögel Gesang.

!5 Phöbe ward nicht von Kastor, noch ward
Hilärn. die Scuwester,

[Ende Spaltensatz]
Heis; von Pollur geciedt, nur weil prächtig
ihr Schmuck.
"An Cynthia (I, 2)
Liebste, was gehst du einher mit den
künstlich geordneten Locken,
Zeigst durchs zarte Gewand wogend die
reizende Brust?
tz,st,



>I!.,Mbliches n»d Unmasjciebliches

[Beginn Spaltensatz]

Diesen Dichter, dessen Sprache mit ihrer
markigen Kraft, ihrer überraschenden Kühn¬
heit, ihrer oft beabsichtigten Dunkelheit „keinen
leichten Genuß gewährt" (Leo), dem gebildeten
Publikum durch eine Übersetzung nahe zu
bringen, hat Lewinsohn im vorliegenden
Werke versucht. Anders als Stowasser, der
in seiner „Römerlyrik" moderne VerSmasze
auch bei seinen Properz <-Übersetzungen an¬
wendet, bildet Lewinsohn in sinngemäßer,
formgewandter Übersetzung die Distichen des
Properz nach, und er befindet sich dabei in
guter Gesellschaft: ist doch auch Goethe, den
Properz zu den „Römischen Elegien" be¬
geistert hat, in der Form dem Römer gefolgt.

Als Probe der Kunst des Dichters wie
des Übersetzers mag hier folgendes, auch in
unserer Zeit Wohl zu beherzigendes Gedicht
stehen:


[Spaltenumbruch]

Weit aus der Ferne geholt, stellst du dich
schnöde zur Schau?

ö Warum mit fremdem Gepränge natür¬
liche Reize verderben

Und nicht zeigen, was dein, Glieder voll
blühender Pracht?

Glaube mir, deiner Gestalt sind ver¬
schönerte Mittel entbehrlich;

Amor ist nackt und verschmäht künstlich
geschaffne Gestaltl

Sieh, mit farbigem Schimmer die Erde
sich prangend umkleidet,

1V Und aus eigener Kraft besser der Efeu
gedeiht;

Schöner der Erdveecbaum in verlassenen
Höhlen sich breitet,

Gern nach eigener Wahl schlängelt der
Quell sich dahin;

Farbig der Strand sich bedeckt mit
Steinchen dem Boden entwachsen,

Und nicht füfzer macht Kunst klingen der
Vögel Gesang.

!5 Phöbe ward nicht von Kastor, noch ward
Hilärn. die Scuwester,

[Ende Spaltensatz]
Heis; von Pollur geciedt, nur weil prächtig
ihr Schmuck.
„An Cynthia (I, 2)
Liebste, was gehst du einher mit den
künstlich geordneten Locken,
Zeigst durchs zarte Gewand wogend die
reizende Brust?
tz,st,



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[0347] >I!.,Mbliches n»d Unmasjciebliches Diesen Dichter, dessen Sprache mit ihrer markigen Kraft, ihrer überraschenden Kühn¬ heit, ihrer oft beabsichtigten Dunkelheit „keinen leichten Genuß gewährt" (Leo), dem gebildeten Publikum durch eine Übersetzung nahe zu bringen, hat Lewinsohn im vorliegenden Werke versucht. Anders als Stowasser, der in seiner „Römerlyrik" moderne VerSmasze auch bei seinen Properz <-Übersetzungen an¬ wendet, bildet Lewinsohn in sinngemäßer, formgewandter Übersetzung die Distichen des Properz nach, und er befindet sich dabei in guter Gesellschaft: ist doch auch Goethe, den Properz zu den „Römischen Elegien" be¬ geistert hat, in der Form dem Römer gefolgt. Als Probe der Kunst des Dichters wie des Übersetzers mag hier folgendes, auch in unserer Zeit Wohl zu beherzigendes Gedicht stehen: Weit aus der Ferne geholt, stellst du dich schnöde zur Schau? ö Warum mit fremdem Gepränge natür¬ liche Reize verderben Und nicht zeigen, was dein, Glieder voll blühender Pracht? Glaube mir, deiner Gestalt sind ver¬ schönerte Mittel entbehrlich; Amor ist nackt und verschmäht künstlich geschaffne Gestaltl Sieh, mit farbigem Schimmer die Erde sich prangend umkleidet, 1V Und aus eigener Kraft besser der Efeu gedeiht; Schöner der Erdveecbaum in verlassenen Höhlen sich breitet, Gern nach eigener Wahl schlängelt der Quell sich dahin; Farbig der Strand sich bedeckt mit Steinchen dem Boden entwachsen, Und nicht füfzer macht Kunst klingen der Vögel Gesang. !5 Phöbe ward nicht von Kastor, noch ward Hilärn. die Scuwester, Heis; von Pollur geciedt, nur weil prächtig ihr Schmuck. „An Cynthia (I, 2) Liebste, was gehst du einher mit den künstlich geordneten Locken, Zeigst durchs zarte Gewand wogend die reizende Brust? tz,st,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/347>, abgerufen am 24.08.2024.