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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliche und Unmaßgebliches

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lesen mag und kann, "die schönsten Stellen
aus der altklassischer Primaleltüre, damit
er sie immer alle bei der Hand halte und
rasch nachschlagen könnte, wenn das Ge¬
dächtnis versagt/' Man kann dabei be¬
dauern, daß die vom Herausgeber selbst an¬
gegebenen Gründe für ihn zwingend waren,
nicht auch aus der "Odyssee"' und aus
Vergil mit seiner ernsten, oft eigenartigen
Lebensanschauung Verse aufzunehmen; viel¬
leicht holt das die zweite Auflage, die ich dem
trefflichen Büchlein herzlich wünsche, nach.

In anderer Weise weckt oder nährt da"
Interesse für die Antike ein beachtenswerter
Versuch des Hallischen Archäologen Carl Robert,
der das kürzlich in Ägypten gefundene Satyr¬
spiel des Sophokles, "Die Spürhunde" für
die Aufführung des Lauchstedter Theater¬
vereins im Juni 1913 frei übersetzt und er¬
gänzt hat. lBerlin, Weidmann, 1912, M. 0,ö0.)

Zu den Übersetzungen von Werken des
Altertums treten weiter hinzu die "Elegien deö
Propertiu"". Deutsch von Paul Lewinsohn,
(Leipzig 1913, Dr. W. Klinkhardt, XIV und
204 Seiten). (Antike Kultur, Meisterwerke des

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Altertums in deutscherSprache. Herausgegeben
von den Brüdern Horneffer, XXXIV.)

Sextus Propertius (etwa 50--15 vor Chr.
Geb.) gehört zu den hervorragendsten Elegikern
der augusteischen Zeit: er ist vor allem ein
Sänger der Liebe, voll frischesten Lebens und
heißer Glut der Leidenschaft, dabei nach Arts einer
Stilmuster, der Alexandriner, gern mytholo¬
gische Gelehrsamkeit zeigend. Die schöne
"Cynthia" ist die Heldin seiner Lieder, heitere
und ernste Töne singt er ihr; sinnlichste Glut
und äußere Kälte stehen ihm zu Gebote;
neben dem Liebesgetändel dichtet er die schönste
Grabelegie. An die Seite der Liebeslieder
treten Gedichte epischen Inhalts, die, etwa in
der Art des ovidischen Festkalenders gehalten,
Properz als patriotischen Römer zeigen,
der mit Stolz von der Geschichte seines Volkes
singt und auch des Augustus Taten aufrichtig
preist, eine Tatsache, die den Tadel Ferreros,
Properz habe zusammen mit seinem Alters¬
genossen Tibull die .antimilitaristische Propa¬
ganda eröffnet" ("Die Dichter Roms", Ver¬
lag von Hoffmann, Stuttgart), nicht berechtigt
erscheinen läßt.

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Maßgebliche und Unmaßgebliches

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lesen mag und kann, „die schönsten Stellen
aus der altklassischer Primaleltüre, damit
er sie immer alle bei der Hand halte und
rasch nachschlagen könnte, wenn das Ge¬
dächtnis versagt/' Man kann dabei be¬
dauern, daß die vom Herausgeber selbst an¬
gegebenen Gründe für ihn zwingend waren,
nicht auch aus der „Odyssee"' und aus
Vergil mit seiner ernsten, oft eigenartigen
Lebensanschauung Verse aufzunehmen; viel¬
leicht holt das die zweite Auflage, die ich dem
trefflichen Büchlein herzlich wünsche, nach.

In anderer Weise weckt oder nährt da»
Interesse für die Antike ein beachtenswerter
Versuch des Hallischen Archäologen Carl Robert,
der das kürzlich in Ägypten gefundene Satyr¬
spiel des Sophokles, „Die Spürhunde" für
die Aufführung des Lauchstedter Theater¬
vereins im Juni 1913 frei übersetzt und er¬
gänzt hat. lBerlin, Weidmann, 1912, M. 0,ö0.)

Zu den Übersetzungen von Werken des
Altertums treten weiter hinzu die „Elegien deö
Propertiu«". Deutsch von Paul Lewinsohn,
(Leipzig 1913, Dr. W. Klinkhardt, XIV und
204 Seiten). (Antike Kultur, Meisterwerke des

[Spaltenumbruch]

Altertums in deutscherSprache. Herausgegeben
von den Brüdern Horneffer, XXXIV.)

Sextus Propertius (etwa 50—15 vor Chr.
Geb.) gehört zu den hervorragendsten Elegikern
der augusteischen Zeit: er ist vor allem ein
Sänger der Liebe, voll frischesten Lebens und
heißer Glut der Leidenschaft, dabei nach Arts einer
Stilmuster, der Alexandriner, gern mytholo¬
gische Gelehrsamkeit zeigend. Die schöne
„Cynthia" ist die Heldin seiner Lieder, heitere
und ernste Töne singt er ihr; sinnlichste Glut
und äußere Kälte stehen ihm zu Gebote;
neben dem Liebesgetändel dichtet er die schönste
Grabelegie. An die Seite der Liebeslieder
treten Gedichte epischen Inhalts, die, etwa in
der Art des ovidischen Festkalenders gehalten,
Properz als patriotischen Römer zeigen,
der mit Stolz von der Geschichte seines Volkes
singt und auch des Augustus Taten aufrichtig
preist, eine Tatsache, die den Tadel Ferreros,
Properz habe zusammen mit seinem Alters¬
genossen Tibull die .antimilitaristische Propa¬
ganda eröffnet" („Die Dichter Roms", Ver¬
lag von Hoffmann, Stuttgart), nicht berechtigt
erscheinen läßt.

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[0346] Maßgebliche und Unmaßgebliches lesen mag und kann, „die schönsten Stellen aus der altklassischer Primaleltüre, damit er sie immer alle bei der Hand halte und rasch nachschlagen könnte, wenn das Ge¬ dächtnis versagt/' Man kann dabei be¬ dauern, daß die vom Herausgeber selbst an¬ gegebenen Gründe für ihn zwingend waren, nicht auch aus der „Odyssee"' und aus Vergil mit seiner ernsten, oft eigenartigen Lebensanschauung Verse aufzunehmen; viel¬ leicht holt das die zweite Auflage, die ich dem trefflichen Büchlein herzlich wünsche, nach. In anderer Weise weckt oder nährt da» Interesse für die Antike ein beachtenswerter Versuch des Hallischen Archäologen Carl Robert, der das kürzlich in Ägypten gefundene Satyr¬ spiel des Sophokles, „Die Spürhunde" für die Aufführung des Lauchstedter Theater¬ vereins im Juni 1913 frei übersetzt und er¬ gänzt hat. lBerlin, Weidmann, 1912, M. 0,ö0.) Zu den Übersetzungen von Werken des Altertums treten weiter hinzu die „Elegien deö Propertiu«". Deutsch von Paul Lewinsohn, (Leipzig 1913, Dr. W. Klinkhardt, XIV und 204 Seiten). (Antike Kultur, Meisterwerke des Altertums in deutscherSprache. Herausgegeben von den Brüdern Horneffer, XXXIV.) Sextus Propertius (etwa 50—15 vor Chr. Geb.) gehört zu den hervorragendsten Elegikern der augusteischen Zeit: er ist vor allem ein Sänger der Liebe, voll frischesten Lebens und heißer Glut der Leidenschaft, dabei nach Arts einer Stilmuster, der Alexandriner, gern mytholo¬ gische Gelehrsamkeit zeigend. Die schöne „Cynthia" ist die Heldin seiner Lieder, heitere und ernste Töne singt er ihr; sinnlichste Glut und äußere Kälte stehen ihm zu Gebote; neben dem Liebesgetändel dichtet er die schönste Grabelegie. An die Seite der Liebeslieder treten Gedichte epischen Inhalts, die, etwa in der Art des ovidischen Festkalenders gehalten, Properz als patriotischen Römer zeigen, der mit Stolz von der Geschichte seines Volkes singt und auch des Augustus Taten aufrichtig preist, eine Tatsache, die den Tadel Ferreros, Properz habe zusammen mit seinem Alters¬ genossen Tibull die .antimilitaristische Propa¬ ganda eröffnet" („Die Dichter Roms", Ver¬ lag von Hoffmann, Stuttgart), nicht berechtigt erscheinen läßt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/346>, abgerufen am 22.01.2025.