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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Steuerfreiheit der deutsche!! Bundesfürsten

sind, die aber doch die konstitutionelle Rechtsordnung Preußens nicht zu einer
völlig andersartigen gegenüber der vorkonstitutionellen machen können, erscheinen
in der Hauptsache lediglich einerseits die Bindung des königlichen Gesetzgebers
durch ein wahres, bei der Feststellung des Gesetzesinhalts sich äußerndes Zu¬
stimmungsrecht einer sich gleichmäßig über der regierten Masse erhebenden all¬
gemeinen Volksvertretung, anderseits die Einführung der Ministerverantwort¬
lichkeit als grundsätzlicher Bedingung der Rechtsgültigkeit der königlichen Re¬
gierungsakte.

Allerdings folgt aus der Natur der Sache, daß im allgemeinen
eine Steuerfreiheit der deutschen Bundesfürsten gegenüber indirekten Reichs¬
steuern nicht in Frage kommen kann, anders steht es indessen mit direkten
Reichssteuern! Auf die Rechtfertigung, mit welcher jetzt die behauptete Freiheit
der deutschen Fürsten auch von direkten Reichssteuern offiziös ausgestattet
wurde, ist augenscheinlich die Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungs¬
gerichts nicht ohne Einfluß gewesen, welche auch für die konstitutionelle Zeit
die preußischen Monarchen grundsätzlich der Pflicht enthoben hat, gleich den
Untertanen persönlich zu den Lasten des Staats, wie der Kommunen beizu¬
tragen und sich in dieser "auf dem Wesen der Monarchie" beruhenden Auf¬
fassung ausdrücklich auch noch auf die positiven Bestimmungen im Titel 13
und 14 II des Allgemeinen Landrechts gestützt hat. Namentlich in Band 33
der "Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts" wird ausgeführt (Urteil des
II. Senats vom 16. Februar 1898): "Der Titel 13 enthält -- wie Suarez in
der Kevisio monitorum bemerkt -- nicht sowohl Gesetze für den Landesherrn,
als vielmehr eine Herleitung seiner Rechte aus seinen Pflichten. Nach i
dieses Titels vereinigen sich alle Rechte und Pflichten des Staats gegen seine
Bürger und Schutzverwandten in dem Oberhaupt desselben; ihm gebühren alle
Vorzüge und Rechte, welche zur Erreichung der Endzwecke des Staats er¬
forderlich sind 4). Diese Vorzüge und Rechte sind die Majestätsrechte, die
in den folgenden Paragraphen näher behandelt werden. Nach 14, 15
kommt dem Oberhaupt des Staats das Majestätsrecht zu, zur Bestreitung der
Staatsbedürfnisse das Privatvermögen, die Personen, ihre Gewerbe, Produkte
oder Konsumtion mit Abgaben zu belegen. Folgerecht bestimmt Z 2 des
Titels 14, der von den Staatseinkünften und fiskalischen Rechten handelt, daß
dem Besteuerungsrechte, als einem Hoheitsrechte des Staats, alle diejenigen
unterworfen sind, die für ihre Personen, Vermögen oder Gewerbe den Schutz
des Staats genießen; und es ist weiter in den Ztz 3, 4 nur von den "Klassen
von Landeseinwohnern", Korporationen oder Gemeinden als von solchen die
Rede, denen eine Befreiung von diesem Hoheitsrechte zukommen könne. Aus
der so umschriebenen Stellung des Staatsoberhauptes als des Inhabers sämt¬
licher Staatshoheits- oder Majestätsrechte folgt somit, daß dasselbe für seine
Person nicht wiederum eben diesem Majestätsrechte der Besteuerung weiter "unter¬
worfen" sein könne, als es selbst bestimmt und angeordnet hat. Darin hat


Die Steuerfreiheit der deutsche!! Bundesfürsten

sind, die aber doch die konstitutionelle Rechtsordnung Preußens nicht zu einer
völlig andersartigen gegenüber der vorkonstitutionellen machen können, erscheinen
in der Hauptsache lediglich einerseits die Bindung des königlichen Gesetzgebers
durch ein wahres, bei der Feststellung des Gesetzesinhalts sich äußerndes Zu¬
stimmungsrecht einer sich gleichmäßig über der regierten Masse erhebenden all¬
gemeinen Volksvertretung, anderseits die Einführung der Ministerverantwort¬
lichkeit als grundsätzlicher Bedingung der Rechtsgültigkeit der königlichen Re¬
gierungsakte.

Allerdings folgt aus der Natur der Sache, daß im allgemeinen
eine Steuerfreiheit der deutschen Bundesfürsten gegenüber indirekten Reichs¬
steuern nicht in Frage kommen kann, anders steht es indessen mit direkten
Reichssteuern! Auf die Rechtfertigung, mit welcher jetzt die behauptete Freiheit
der deutschen Fürsten auch von direkten Reichssteuern offiziös ausgestattet
wurde, ist augenscheinlich die Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungs¬
gerichts nicht ohne Einfluß gewesen, welche auch für die konstitutionelle Zeit
die preußischen Monarchen grundsätzlich der Pflicht enthoben hat, gleich den
Untertanen persönlich zu den Lasten des Staats, wie der Kommunen beizu¬
tragen und sich in dieser „auf dem Wesen der Monarchie" beruhenden Auf¬
fassung ausdrücklich auch noch auf die positiven Bestimmungen im Titel 13
und 14 II des Allgemeinen Landrechts gestützt hat. Namentlich in Band 33
der „Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts" wird ausgeführt (Urteil des
II. Senats vom 16. Februar 1898): „Der Titel 13 enthält — wie Suarez in
der Kevisio monitorum bemerkt — nicht sowohl Gesetze für den Landesherrn,
als vielmehr eine Herleitung seiner Rechte aus seinen Pflichten. Nach i
dieses Titels vereinigen sich alle Rechte und Pflichten des Staats gegen seine
Bürger und Schutzverwandten in dem Oberhaupt desselben; ihm gebühren alle
Vorzüge und Rechte, welche zur Erreichung der Endzwecke des Staats er¬
forderlich sind 4). Diese Vorzüge und Rechte sind die Majestätsrechte, die
in den folgenden Paragraphen näher behandelt werden. Nach 14, 15
kommt dem Oberhaupt des Staats das Majestätsrecht zu, zur Bestreitung der
Staatsbedürfnisse das Privatvermögen, die Personen, ihre Gewerbe, Produkte
oder Konsumtion mit Abgaben zu belegen. Folgerecht bestimmt Z 2 des
Titels 14, der von den Staatseinkünften und fiskalischen Rechten handelt, daß
dem Besteuerungsrechte, als einem Hoheitsrechte des Staats, alle diejenigen
unterworfen sind, die für ihre Personen, Vermögen oder Gewerbe den Schutz
des Staats genießen; und es ist weiter in den Ztz 3, 4 nur von den „Klassen
von Landeseinwohnern", Korporationen oder Gemeinden als von solchen die
Rede, denen eine Befreiung von diesem Hoheitsrechte zukommen könne. Aus
der so umschriebenen Stellung des Staatsoberhauptes als des Inhabers sämt¬
licher Staatshoheits- oder Majestätsrechte folgt somit, daß dasselbe für seine
Person nicht wiederum eben diesem Majestätsrechte der Besteuerung weiter „unter¬
worfen" sein könne, als es selbst bestimmt und angeordnet hat. Darin hat


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/120>, abgerufen am 23.07.2024.