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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Die deutschen Studenten und der deutsch-französische Rrieg

zu einem Abschiedskommerse im großen Saale des Schießwerders. Auch der
.kleine Zug mag erwähnt sein, daß die Studenten den "Pariser Garten" zum
"Deutschen Garten" umtauften.

An der größten deutschen Universität, der Berliner, kam es freilich zu
keinen allgemeinen Kundgebungen und Versammlungen. Ein unglücklicher Zufall
wollte es nämlich, daß der Ausschuß Berliner Studierender einige Zeit vor Aus¬
bruch des Krieges vom Senat aufgelöst worden war. Das wurde um so mehr
beklagt, als der Ausschuß gerade in diesen Tagen die wirksamste Tätigkeit Hütte
entfallen können. "Man würde aber." so heißt es in einem Berichte der
Vossischen Zeitung vom 29. Juli, "der Studentenschaft schweres Unrecht zu¬
fügen, wollte man ihr Mangel an Patriotismus vorwerfen. Im Gegenteil
können wir mit voller Gewißheit konstatieren, daß sich sämtliche Studenten
sofort zum Eintritt in das Heer freiwillig gemeldet haben und teils bereits ab¬
marschiert sind, teils einexerziert werden, teils noch auf Orders sehnsüchtig warten.
Die Schwächeren, die im Heere nicht Aufnahme gefunden, sind zu einem
Sanitätskorps zusammengetreten, um wenigstens als Krankenpfleger dem Vater¬
lande zu dienen. Die Stimmung ist eine wahrhaft heroische, die Begeisterung
grenzenlos. Dies zeigte sich in der edelsten Weise bei den Schlußkommersen
der Verbindungen und Vereine, bei denen die Kommilitonen, von dem Ernst
der Lage und der Heiligkeit des gerechten Krieges tief durchdrungen, Tränen
im Auge voneinander Abschied nahmen, vielleicht auf ewigl Besonders er¬
greifend war das Abschiedsfest der Burschenschaft Brandenburgia. welche ähnlich
wie die Burschenschaft Arminia in Königsberg (von der vorher berichtet ist.
daß sie. im Begriffe, ihr zehnjähriges Stiftungsfest zu feiern, beinahe voll¬
zählig mit ihrem aus Philistern und Studenten gewählten Festkommitee an der
Spitze ins Feld zog) fast ihre sämtlichen, sehr zahlreichen Mitglieder ins Feld
gestellt hat. Wenn auch die Professoren ihre Zuhörer nicht zu Versammlungen
berufen haben, wie im Jahre 1813, wo sie die akademische Jugend durch be¬
geisterte Reden anfeuerten, für das Vaterland freudig in den Tod zu gehen,
und Fichte und Schleiermacher gewaltig die Flammen der Begeisterung an¬
fachten, so haben doch die meisten in erhebenden Schlußworten einem jeden
seine Pflicht an das Herz gelegt und ihre Kollegien geschlossen. Sehr bald
wird die Stätte des friedlichen Fleißes ganz verödet sein."

Die Chronik des Berliner Wingolfs berichtet: "Der König kehrte von
Ems nach Berlin zurück. Da verließ alles die Kneipe. Unter der jauchzenden
und singenden Menge, die ihn begrüßte, war auch der Berliner Wingolf. So
spät hatte nie ein Kneipabend begonnen. So stürmisch hatten wohl noch nie die
Wogen der Begeisterung geschlagen. Das oft gebrauchte, nie verbrauchte Wort:
Mit Gott für König und Vaterland' bewegte mächtig alle Herzen wie Glocken-
und Schwerterklang."

Ein ebenso günstiges Zeugnis stellt V. Schweinburg 1874 in der
Illustrierten Zeitung der Berliner Studentenschaft aus. kleidet es allerdings in


Die deutschen Studenten und der deutsch-französische Rrieg

zu einem Abschiedskommerse im großen Saale des Schießwerders. Auch der
.kleine Zug mag erwähnt sein, daß die Studenten den „Pariser Garten" zum
„Deutschen Garten" umtauften.

An der größten deutschen Universität, der Berliner, kam es freilich zu
keinen allgemeinen Kundgebungen und Versammlungen. Ein unglücklicher Zufall
wollte es nämlich, daß der Ausschuß Berliner Studierender einige Zeit vor Aus¬
bruch des Krieges vom Senat aufgelöst worden war. Das wurde um so mehr
beklagt, als der Ausschuß gerade in diesen Tagen die wirksamste Tätigkeit Hütte
entfallen können. „Man würde aber." so heißt es in einem Berichte der
Vossischen Zeitung vom 29. Juli, „der Studentenschaft schweres Unrecht zu¬
fügen, wollte man ihr Mangel an Patriotismus vorwerfen. Im Gegenteil
können wir mit voller Gewißheit konstatieren, daß sich sämtliche Studenten
sofort zum Eintritt in das Heer freiwillig gemeldet haben und teils bereits ab¬
marschiert sind, teils einexerziert werden, teils noch auf Orders sehnsüchtig warten.
Die Schwächeren, die im Heere nicht Aufnahme gefunden, sind zu einem
Sanitätskorps zusammengetreten, um wenigstens als Krankenpfleger dem Vater¬
lande zu dienen. Die Stimmung ist eine wahrhaft heroische, die Begeisterung
grenzenlos. Dies zeigte sich in der edelsten Weise bei den Schlußkommersen
der Verbindungen und Vereine, bei denen die Kommilitonen, von dem Ernst
der Lage und der Heiligkeit des gerechten Krieges tief durchdrungen, Tränen
im Auge voneinander Abschied nahmen, vielleicht auf ewigl Besonders er¬
greifend war das Abschiedsfest der Burschenschaft Brandenburgia. welche ähnlich
wie die Burschenschaft Arminia in Königsberg (von der vorher berichtet ist.
daß sie. im Begriffe, ihr zehnjähriges Stiftungsfest zu feiern, beinahe voll¬
zählig mit ihrem aus Philistern und Studenten gewählten Festkommitee an der
Spitze ins Feld zog) fast ihre sämtlichen, sehr zahlreichen Mitglieder ins Feld
gestellt hat. Wenn auch die Professoren ihre Zuhörer nicht zu Versammlungen
berufen haben, wie im Jahre 1813, wo sie die akademische Jugend durch be¬
geisterte Reden anfeuerten, für das Vaterland freudig in den Tod zu gehen,
und Fichte und Schleiermacher gewaltig die Flammen der Begeisterung an¬
fachten, so haben doch die meisten in erhebenden Schlußworten einem jeden
seine Pflicht an das Herz gelegt und ihre Kollegien geschlossen. Sehr bald
wird die Stätte des friedlichen Fleißes ganz verödet sein."

Die Chronik des Berliner Wingolfs berichtet: „Der König kehrte von
Ems nach Berlin zurück. Da verließ alles die Kneipe. Unter der jauchzenden
und singenden Menge, die ihn begrüßte, war auch der Berliner Wingolf. So
spät hatte nie ein Kneipabend begonnen. So stürmisch hatten wohl noch nie die
Wogen der Begeisterung geschlagen. Das oft gebrauchte, nie verbrauchte Wort:
Mit Gott für König und Vaterland' bewegte mächtig alle Herzen wie Glocken-
und Schwerterklang."

Ein ebenso günstiges Zeugnis stellt V. Schweinburg 1874 in der
Illustrierten Zeitung der Berliner Studentenschaft aus. kleidet es allerdings in


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[0512] Die deutschen Studenten und der deutsch-französische Rrieg zu einem Abschiedskommerse im großen Saale des Schießwerders. Auch der .kleine Zug mag erwähnt sein, daß die Studenten den „Pariser Garten" zum „Deutschen Garten" umtauften. An der größten deutschen Universität, der Berliner, kam es freilich zu keinen allgemeinen Kundgebungen und Versammlungen. Ein unglücklicher Zufall wollte es nämlich, daß der Ausschuß Berliner Studierender einige Zeit vor Aus¬ bruch des Krieges vom Senat aufgelöst worden war. Das wurde um so mehr beklagt, als der Ausschuß gerade in diesen Tagen die wirksamste Tätigkeit Hütte entfallen können. „Man würde aber." so heißt es in einem Berichte der Vossischen Zeitung vom 29. Juli, „der Studentenschaft schweres Unrecht zu¬ fügen, wollte man ihr Mangel an Patriotismus vorwerfen. Im Gegenteil können wir mit voller Gewißheit konstatieren, daß sich sämtliche Studenten sofort zum Eintritt in das Heer freiwillig gemeldet haben und teils bereits ab¬ marschiert sind, teils einexerziert werden, teils noch auf Orders sehnsüchtig warten. Die Schwächeren, die im Heere nicht Aufnahme gefunden, sind zu einem Sanitätskorps zusammengetreten, um wenigstens als Krankenpfleger dem Vater¬ lande zu dienen. Die Stimmung ist eine wahrhaft heroische, die Begeisterung grenzenlos. Dies zeigte sich in der edelsten Weise bei den Schlußkommersen der Verbindungen und Vereine, bei denen die Kommilitonen, von dem Ernst der Lage und der Heiligkeit des gerechten Krieges tief durchdrungen, Tränen im Auge voneinander Abschied nahmen, vielleicht auf ewigl Besonders er¬ greifend war das Abschiedsfest der Burschenschaft Brandenburgia. welche ähnlich wie die Burschenschaft Arminia in Königsberg (von der vorher berichtet ist. daß sie. im Begriffe, ihr zehnjähriges Stiftungsfest zu feiern, beinahe voll¬ zählig mit ihrem aus Philistern und Studenten gewählten Festkommitee an der Spitze ins Feld zog) fast ihre sämtlichen, sehr zahlreichen Mitglieder ins Feld gestellt hat. Wenn auch die Professoren ihre Zuhörer nicht zu Versammlungen berufen haben, wie im Jahre 1813, wo sie die akademische Jugend durch be¬ geisterte Reden anfeuerten, für das Vaterland freudig in den Tod zu gehen, und Fichte und Schleiermacher gewaltig die Flammen der Begeisterung an¬ fachten, so haben doch die meisten in erhebenden Schlußworten einem jeden seine Pflicht an das Herz gelegt und ihre Kollegien geschlossen. Sehr bald wird die Stätte des friedlichen Fleißes ganz verödet sein." Die Chronik des Berliner Wingolfs berichtet: „Der König kehrte von Ems nach Berlin zurück. Da verließ alles die Kneipe. Unter der jauchzenden und singenden Menge, die ihn begrüßte, war auch der Berliner Wingolf. So spät hatte nie ein Kneipabend begonnen. So stürmisch hatten wohl noch nie die Wogen der Begeisterung geschlagen. Das oft gebrauchte, nie verbrauchte Wort: Mit Gott für König und Vaterland' bewegte mächtig alle Herzen wie Glocken- und Schwerterklang." Ein ebenso günstiges Zeugnis stellt V. Schweinburg 1874 in der Illustrierten Zeitung der Berliner Studentenschaft aus. kleidet es allerdings in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/512>, abgerufen am 19.10.2024.