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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Der Prinz von Ithaka als Lrzichcr

Forderung Mnelons, einen Krieg zwar zu vermeiden, aber die Nation im
Waffenhandwer! zu üben und sich mit Männern von höchster Kriegserfahrung
zu umgeben, sein ganzes Leben lang praktisch bewahrheitet hat.

Und wer will wissen, ob nicht auch andere Stellen des Buches in ihm
tiefe Wurzeln geschlagen oder angeborene Tendenzen verstärkt haben! Er fand,
wie bemerkt, im Fünelonschen Buche eindringliche Warnungen vor der Prunkliebe
des Hofes. "Der Luxus," heißt es darin, "verbreitet sein ansteckendes Gift vom
König bis zum geringsten des Volkes . . . Gegenstände, die man vor dreißig
Jahren noch nicht einmal kannte, werden jetzt als unentbehrlich angesehen."

Noch nach einer anderen Richtung hin hat vielleicht das Buch auf ihn
Einfluß geübt. Der geistliche Erzieher verfehlt nicht, feinem Zögling die sinnliche
Liebe in den schwärzesten Farben zu malen. "Hebe dich weg," ruft Minerva
Cupido zu, "hebe dich weg, verwegener Knabe! Du wirst immer nur schwache
Seelen besiegen, die deine schimpflichen Vergnügungen der Weisheit, der Tugend
und dem Ruhme vorziehen." Immer ist Friedrich Wilhelm dieser Mahnung
getreu geblieben. Mit Abscheu blickte er auf die "sardanapalischen FleischeS-
gelüste" Augusts des Starken. In seinen letzten Lebenstagen, als er seinem
Hofprediger die Frage vorlegte, ob er vor Gott werde bestehen können, hat er
von sich bezeugt, daß er seiner Gattin immer die eheliche Treue bewahrt habe.
Und war nicht im Grunde seine ganze Regierung die eines Fürsten, der die
Lehre Föneions beherzigt: "Nicht seinetwegen, nicht zu seinem Vorteil haben
ihn die Götter als König eingesetzt, sondern vielmehr, damit er für sein Volk
lebe, daß er seinen Untertanen seine ganze Zeit, alle Arbeit und sein ganzes
Dichten und Trachten widme?" (S. 74.)

Diesem Gespräche über Föneions Erziehungsroman sind, wie man ver¬
muten darf, eine Reihe gleicher gefolgt. "An diesem Tage," so schließt der
Franzose seinen Bericht, "entließ die Fürstin ihren Sohn mit der Mahnung,
sich in seinen löblichen Grundsätzen zu befestigen. Denen aber, die Zeugen
dieser Unterredung waren, schien es, als ob Minerva Telemach verlassen habe,
um in den Park von Lietzenburg herabzusteigen und dem jungen branden¬
burgischen Prinzen edle Gesinnungen einzuflößen."

Aber so groß die Einwirkung der Lektüre des Fenelonschen Buches auf
den jungen Friedrich Wilhelm auch gewesen sein mag, unendlich tiefgreifender
ist doch der Einfluß des Romans auf Friedrich den Großen gewesen. Er las ihn,
wenn ich nicht irre, zuerst in einer Form, die auf sein lebhaftes Gemüt den
größten Eindruck machen mußte. Im Jahre 1721 erschien in Berlin bei
A. Dussarat: "I^ibrÄire et impnmeur an roi", eine neue Ausgabe der Aven-
tures. Es ist der Neudruck einer Berliner Edition von 1700; sogar die Vorrede
ist mit herübergenommen, obwohl in ihr Ludwig der Vierzehnte, Fenelon und
Bossuet noch als lebend behandelt werden. Beigefügt ist beiden -- und das
gibt den Berliner Ausgaben ihren besonderen Wert -- die Niederschrift Larreys
über die Lietzenburger Gespräche.


Der Prinz von Ithaka als Lrzichcr

Forderung Mnelons, einen Krieg zwar zu vermeiden, aber die Nation im
Waffenhandwer! zu üben und sich mit Männern von höchster Kriegserfahrung
zu umgeben, sein ganzes Leben lang praktisch bewahrheitet hat.

Und wer will wissen, ob nicht auch andere Stellen des Buches in ihm
tiefe Wurzeln geschlagen oder angeborene Tendenzen verstärkt haben! Er fand,
wie bemerkt, im Fünelonschen Buche eindringliche Warnungen vor der Prunkliebe
des Hofes. „Der Luxus," heißt es darin, „verbreitet sein ansteckendes Gift vom
König bis zum geringsten des Volkes . . . Gegenstände, die man vor dreißig
Jahren noch nicht einmal kannte, werden jetzt als unentbehrlich angesehen."

Noch nach einer anderen Richtung hin hat vielleicht das Buch auf ihn
Einfluß geübt. Der geistliche Erzieher verfehlt nicht, feinem Zögling die sinnliche
Liebe in den schwärzesten Farben zu malen. „Hebe dich weg," ruft Minerva
Cupido zu, „hebe dich weg, verwegener Knabe! Du wirst immer nur schwache
Seelen besiegen, die deine schimpflichen Vergnügungen der Weisheit, der Tugend
und dem Ruhme vorziehen." Immer ist Friedrich Wilhelm dieser Mahnung
getreu geblieben. Mit Abscheu blickte er auf die „sardanapalischen FleischeS-
gelüste" Augusts des Starken. In seinen letzten Lebenstagen, als er seinem
Hofprediger die Frage vorlegte, ob er vor Gott werde bestehen können, hat er
von sich bezeugt, daß er seiner Gattin immer die eheliche Treue bewahrt habe.
Und war nicht im Grunde seine ganze Regierung die eines Fürsten, der die
Lehre Föneions beherzigt: „Nicht seinetwegen, nicht zu seinem Vorteil haben
ihn die Götter als König eingesetzt, sondern vielmehr, damit er für sein Volk
lebe, daß er seinen Untertanen seine ganze Zeit, alle Arbeit und sein ganzes
Dichten und Trachten widme?" (S. 74.)

Diesem Gespräche über Föneions Erziehungsroman sind, wie man ver¬
muten darf, eine Reihe gleicher gefolgt. „An diesem Tage," so schließt der
Franzose seinen Bericht, „entließ die Fürstin ihren Sohn mit der Mahnung,
sich in seinen löblichen Grundsätzen zu befestigen. Denen aber, die Zeugen
dieser Unterredung waren, schien es, als ob Minerva Telemach verlassen habe,
um in den Park von Lietzenburg herabzusteigen und dem jungen branden¬
burgischen Prinzen edle Gesinnungen einzuflößen."

Aber so groß die Einwirkung der Lektüre des Fenelonschen Buches auf
den jungen Friedrich Wilhelm auch gewesen sein mag, unendlich tiefgreifender
ist doch der Einfluß des Romans auf Friedrich den Großen gewesen. Er las ihn,
wenn ich nicht irre, zuerst in einer Form, die auf sein lebhaftes Gemüt den
größten Eindruck machen mußte. Im Jahre 1721 erschien in Berlin bei
A. Dussarat: „I^ibrÄire et impnmeur an roi", eine neue Ausgabe der Aven-
tures. Es ist der Neudruck einer Berliner Edition von 1700; sogar die Vorrede
ist mit herübergenommen, obwohl in ihr Ludwig der Vierzehnte, Fenelon und
Bossuet noch als lebend behandelt werden. Beigefügt ist beiden — und das
gibt den Berliner Ausgaben ihren besonderen Wert — die Niederschrift Larreys
über die Lietzenburger Gespräche.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/469>, abgerufen am 19.10.2024.