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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Theodor Römer

und mit einem Male, ohne daß der Jüngling es sich hätte träumen lassen, war
er als Theaterdichter an der Hofburg angestellt.

Auf das glücklichste hatte auf seine körperliche und geistige Umwandlung
sicherlich Gott Amor mit eingewirkt; Toni Adamberger, die anmutige Liebhaberin
des Burgtheaters, fesselte sein Herz diesmal dauernd; er liebte und ward wieder
geliebt, und die öffentliche Verlobung folgte bald. "Wen die Götter lieben,
den lassen sie früh sterben." Theodor Körner war ein Götterliebling. Sein
schöner Tod entriß ihn manchen Enttäuschungen, die ihm vielleicht nicht erspart
geblieben wären, und befreite ihn von dem herben Lose, ganz vergessen zu werden.




"Schiller-Epigone" -- mit diesem verächtlich ausgesprochenen Worte glaubte
man den Dramatiker Theodor Körner abtun zu können. Auch die Wissenschaft
gewöhnte sich daran, in bequemer Weise über ihn abzuurteilen, bis man daran
ging, genauer Schillers Einfluß auf Körner zu untersuchen"). Es ist gewiß
ein reizvolles Problem, das sich da bietet, und die herbe Tragik von Körners
Tod beruht eben darin, daß er ein noch unfertiger aber begabter Dichter war,
der eben die ersten Stufen der Ruhmesleiter erklommen hatte und nun jäh aus
seiner emporstrebenden Bahn gerissen wurde"").

Die Frage liegt offenbar so: Ist Körner nichts als ein unfreier Nach¬
ahmer oder etwa eine Schiller wesensverwandte Natur, die nur noch nicht zu
eigener Freiheit und Reife gedieh?

Es ist unbestreitbar und wäre auch nicht möglich, daß Körner in seinen
Schöpfungen von den Dramatikern seiner Zeit unbeeinflußt geblieben wäre.
Ein Lustspieldichter konnte sich damals kaum der Einwirkung eines Kotzebue ent¬
ziehen, ja er mußte, wenn vielleicht auch widerwillig, gewisse technische Eigen¬
heiten. Personentypen, von dem Meister der flachen Komödie übernehmen, wollte
er sich einen Erfolg seiner Werke beim Publikum versprechen. So ist es kein
Wunder, daß sich auch Körner in seinen Lustspielen von Kotzebue beeinflußt
zeigt*""); besonders in der Zeichnung der Charaktere und in der Art und Weise,
Personen einzuführen, erinnert seine Technik an die Kotzebues. Doch stehen
Körners Stücke auf einem ungleich höheren Niveau; in ihnen blitzt eine geist¬
reiche Ader, die den "breiten Bettelsuppen" des andern durchaus fehlt, und





") Ich nenne hier die gründliche Arbeit von G, Reinhard, "Schillers Einfluß
auf Th. Körner. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte" (Straßburg 1899) und das Programm
von E. Zemer, "Th. Körner als Dramatiker mit besonderer Berücksichtigung Schillerischen
Einflusses" (Stockerau 1900).
*"') Körners "Helden"-Tod immer hervorzuheben, halte ich für eine Ungerechtigkeit gegen¬
über den vielen anderen deutschen Jünglingen, die mit der gleichen Begeisterung und dem
gleichen Opfermut in den heiligen Krieg zogen und für die Freiheit des Vaterlandes verbluteten.
'**) Näheres darüber in dem Aufsatz von I. Nimpfer/ "Th. Körners Lustspiele und ihr
Verhältnis zu Kotzebue" in der Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 1907, Heft 11.
Theodor Römer

und mit einem Male, ohne daß der Jüngling es sich hätte träumen lassen, war
er als Theaterdichter an der Hofburg angestellt.

Auf das glücklichste hatte auf seine körperliche und geistige Umwandlung
sicherlich Gott Amor mit eingewirkt; Toni Adamberger, die anmutige Liebhaberin
des Burgtheaters, fesselte sein Herz diesmal dauernd; er liebte und ward wieder
geliebt, und die öffentliche Verlobung folgte bald. „Wen die Götter lieben,
den lassen sie früh sterben." Theodor Körner war ein Götterliebling. Sein
schöner Tod entriß ihn manchen Enttäuschungen, die ihm vielleicht nicht erspart
geblieben wären, und befreite ihn von dem herben Lose, ganz vergessen zu werden.




„Schiller-Epigone" — mit diesem verächtlich ausgesprochenen Worte glaubte
man den Dramatiker Theodor Körner abtun zu können. Auch die Wissenschaft
gewöhnte sich daran, in bequemer Weise über ihn abzuurteilen, bis man daran
ging, genauer Schillers Einfluß auf Körner zu untersuchen"). Es ist gewiß
ein reizvolles Problem, das sich da bietet, und die herbe Tragik von Körners
Tod beruht eben darin, daß er ein noch unfertiger aber begabter Dichter war,
der eben die ersten Stufen der Ruhmesleiter erklommen hatte und nun jäh aus
seiner emporstrebenden Bahn gerissen wurde"").

Die Frage liegt offenbar so: Ist Körner nichts als ein unfreier Nach¬
ahmer oder etwa eine Schiller wesensverwandte Natur, die nur noch nicht zu
eigener Freiheit und Reife gedieh?

Es ist unbestreitbar und wäre auch nicht möglich, daß Körner in seinen
Schöpfungen von den Dramatikern seiner Zeit unbeeinflußt geblieben wäre.
Ein Lustspieldichter konnte sich damals kaum der Einwirkung eines Kotzebue ent¬
ziehen, ja er mußte, wenn vielleicht auch widerwillig, gewisse technische Eigen¬
heiten. Personentypen, von dem Meister der flachen Komödie übernehmen, wollte
er sich einen Erfolg seiner Werke beim Publikum versprechen. So ist es kein
Wunder, daß sich auch Körner in seinen Lustspielen von Kotzebue beeinflußt
zeigt*""); besonders in der Zeichnung der Charaktere und in der Art und Weise,
Personen einzuführen, erinnert seine Technik an die Kotzebues. Doch stehen
Körners Stücke auf einem ungleich höheren Niveau; in ihnen blitzt eine geist¬
reiche Ader, die den „breiten Bettelsuppen" des andern durchaus fehlt, und





") Ich nenne hier die gründliche Arbeit von G, Reinhard, „Schillers Einfluß
auf Th. Körner. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte" (Straßburg 1899) und das Programm
von E. Zemer, „Th. Körner als Dramatiker mit besonderer Berücksichtigung Schillerischen
Einflusses" (Stockerau 1900).
*"') Körners „Helden"-Tod immer hervorzuheben, halte ich für eine Ungerechtigkeit gegen¬
über den vielen anderen deutschen Jünglingen, die mit der gleichen Begeisterung und dem
gleichen Opfermut in den heiligen Krieg zogen und für die Freiheit des Vaterlandes verbluteten.
'**) Näheres darüber in dem Aufsatz von I. Nimpfer/ „Th. Körners Lustspiele und ihr
Verhältnis zu Kotzebue" in der Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 1907, Heft 11.
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[0388] Theodor Römer und mit einem Male, ohne daß der Jüngling es sich hätte träumen lassen, war er als Theaterdichter an der Hofburg angestellt. Auf das glücklichste hatte auf seine körperliche und geistige Umwandlung sicherlich Gott Amor mit eingewirkt; Toni Adamberger, die anmutige Liebhaberin des Burgtheaters, fesselte sein Herz diesmal dauernd; er liebte und ward wieder geliebt, und die öffentliche Verlobung folgte bald. „Wen die Götter lieben, den lassen sie früh sterben." Theodor Körner war ein Götterliebling. Sein schöner Tod entriß ihn manchen Enttäuschungen, die ihm vielleicht nicht erspart geblieben wären, und befreite ihn von dem herben Lose, ganz vergessen zu werden. „Schiller-Epigone" — mit diesem verächtlich ausgesprochenen Worte glaubte man den Dramatiker Theodor Körner abtun zu können. Auch die Wissenschaft gewöhnte sich daran, in bequemer Weise über ihn abzuurteilen, bis man daran ging, genauer Schillers Einfluß auf Körner zu untersuchen"). Es ist gewiß ein reizvolles Problem, das sich da bietet, und die herbe Tragik von Körners Tod beruht eben darin, daß er ein noch unfertiger aber begabter Dichter war, der eben die ersten Stufen der Ruhmesleiter erklommen hatte und nun jäh aus seiner emporstrebenden Bahn gerissen wurde""). Die Frage liegt offenbar so: Ist Körner nichts als ein unfreier Nach¬ ahmer oder etwa eine Schiller wesensverwandte Natur, die nur noch nicht zu eigener Freiheit und Reife gedieh? Es ist unbestreitbar und wäre auch nicht möglich, daß Körner in seinen Schöpfungen von den Dramatikern seiner Zeit unbeeinflußt geblieben wäre. Ein Lustspieldichter konnte sich damals kaum der Einwirkung eines Kotzebue ent¬ ziehen, ja er mußte, wenn vielleicht auch widerwillig, gewisse technische Eigen¬ heiten. Personentypen, von dem Meister der flachen Komödie übernehmen, wollte er sich einen Erfolg seiner Werke beim Publikum versprechen. So ist es kein Wunder, daß sich auch Körner in seinen Lustspielen von Kotzebue beeinflußt zeigt*""); besonders in der Zeichnung der Charaktere und in der Art und Weise, Personen einzuführen, erinnert seine Technik an die Kotzebues. Doch stehen Körners Stücke auf einem ungleich höheren Niveau; in ihnen blitzt eine geist¬ reiche Ader, die den „breiten Bettelsuppen" des andern durchaus fehlt, und ") Ich nenne hier die gründliche Arbeit von G, Reinhard, „Schillers Einfluß auf Th. Körner. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte" (Straßburg 1899) und das Programm von E. Zemer, „Th. Körner als Dramatiker mit besonderer Berücksichtigung Schillerischen Einflusses" (Stockerau 1900). *"') Körners „Helden"-Tod immer hervorzuheben, halte ich für eine Ungerechtigkeit gegen¬ über den vielen anderen deutschen Jünglingen, die mit der gleichen Begeisterung und dem gleichen Opfermut in den heiligen Krieg zogen und für die Freiheit des Vaterlandes verbluteten. '**) Näheres darüber in dem Aufsatz von I. Nimpfer/ „Th. Körners Lustspiele und ihr Verhältnis zu Kotzebue" in der Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 1907, Heft 11.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/388>, abgerufen am 28.12.2024.