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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Theodor Körner

Geschickes nach oben ("Gebet während der Schlacht"), und für die Einsegnung
seines Freikorps schuf er das erhebende Lied:


"Wir treten hier im Gotteshaus
Mit frommem Mut zuscnmnen!"

Gegenüber diesen tiefempfundenen und formvollendeten Dichtungen mußten
seine früheren poetischen Versuche, "Knospen" benannt, verblassen, zahlreiche
Gelegenheitsgedichte und Jugendgesänge, die in leichter, flüssiger, aber konven¬
tioneller Sprache, Reim und Vers meist ohne Tadel, nur ebenso leichte und ober¬
flächliche Gedanken zum Ausdruck brachten und von dem verständigen Vater
mit mildem Urteil hingenommen wurden. Auch Körners Balladen, von
denen besonders ,,Graf Harras der kühne Springer" in Schullesebüchern noch
ein unverdient langes Leben fristet, sind in Form und Inhalt nicht neu,
sondern atmen durchaus Schillers Geist und tragen vollkommen Schillersches
Gepräge.




Als Theodor Körner nach Wien kam, ging dort mit ihm eine bemerkens¬
werte innere Entwicklung vor sich. Als Student hatte er, getreu seinem Wahl¬
spruch: "Toll, aber klugl" ein fideles Leben geführt, sich wenig um Kolleg
und Bücher gekümmert, viel lieber dagegen für seine oder seiner Landsmann¬
schaft Ehre die Klinge auf Mensur geschwungen. Von Leipzig wegen eines
Duells relegiert, war er nach der neugegründeten Universität Berlin gewandert,
hatte dort aber bald das Studium aufgegeben, um so mehr, da er noch eine
Karzerstrafe wegen seiner Leipziger Affären absitzen sollte: auf den Wunsch des
nachsichtigen Vaters siedelte er nunmehr nach der Kaiserstadt an der Donau
über, um sich geistig weiterzubilden, und wurde im Hause Wilhelm von Humboldts
und Friedrich von Schlegels freundlich aufgenommen. Karoline von Humboldt
berichtete über ihn an die Freundin in Weimar: "Körners Sohn ist seit
mehreren Monaten hier und ist ein lieber hübscher junger Mensch mit viel
poetischen Anlagen" (Charlotte von Schiller und ihre Freunde. II, S. 209).
Der Umgang in den feingebildeten Zirkeln Wiens machte aus dem rauhen Bruder
Studio, der einst in Leipzig als "Renommist" gefürchtet gewesen war, bald eine"
zierlichen österreichischen Stutzer; auch geistig häutete er sich; sein Burschenleben,
in welchem Kommerse und Propatriafechten die Höhepunkte gebildet hatten, kam
ihm jetzt schal und inhaltsleer vor, er schämte sich seines einstigen nichtigen Tuns
und Treibens und begann eine ernste Arbeit an seiner Persönlichkeit.

Zum dramatischen Dichter fühlte er sich berufen. Seine Lustspiele fanden
auf der Hofbühne Beifall, seine Tragödien "Die Sühne" und "Toni" ernteten,
von Goethes Seite, dem sie der Vater zugesandt hatte. Lobsprüche, der
"Zrinv" ging unter dem tobenden Jubel der patriotischen Wiener über die Bretter*)



*) Interessante Aufführungsdaten und -zahlen Körnerscher Dramen sind im Archiv für
Theatergeschichte Bd. II, S. 140 bis 160 mitgeteilt. ^
Theodor Körner

Geschickes nach oben („Gebet während der Schlacht"), und für die Einsegnung
seines Freikorps schuf er das erhebende Lied:


„Wir treten hier im Gotteshaus
Mit frommem Mut zuscnmnen!"

Gegenüber diesen tiefempfundenen und formvollendeten Dichtungen mußten
seine früheren poetischen Versuche, „Knospen" benannt, verblassen, zahlreiche
Gelegenheitsgedichte und Jugendgesänge, die in leichter, flüssiger, aber konven¬
tioneller Sprache, Reim und Vers meist ohne Tadel, nur ebenso leichte und ober¬
flächliche Gedanken zum Ausdruck brachten und von dem verständigen Vater
mit mildem Urteil hingenommen wurden. Auch Körners Balladen, von
denen besonders ,,Graf Harras der kühne Springer" in Schullesebüchern noch
ein unverdient langes Leben fristet, sind in Form und Inhalt nicht neu,
sondern atmen durchaus Schillers Geist und tragen vollkommen Schillersches
Gepräge.




Als Theodor Körner nach Wien kam, ging dort mit ihm eine bemerkens¬
werte innere Entwicklung vor sich. Als Student hatte er, getreu seinem Wahl¬
spruch: „Toll, aber klugl" ein fideles Leben geführt, sich wenig um Kolleg
und Bücher gekümmert, viel lieber dagegen für seine oder seiner Landsmann¬
schaft Ehre die Klinge auf Mensur geschwungen. Von Leipzig wegen eines
Duells relegiert, war er nach der neugegründeten Universität Berlin gewandert,
hatte dort aber bald das Studium aufgegeben, um so mehr, da er noch eine
Karzerstrafe wegen seiner Leipziger Affären absitzen sollte: auf den Wunsch des
nachsichtigen Vaters siedelte er nunmehr nach der Kaiserstadt an der Donau
über, um sich geistig weiterzubilden, und wurde im Hause Wilhelm von Humboldts
und Friedrich von Schlegels freundlich aufgenommen. Karoline von Humboldt
berichtete über ihn an die Freundin in Weimar: „Körners Sohn ist seit
mehreren Monaten hier und ist ein lieber hübscher junger Mensch mit viel
poetischen Anlagen" (Charlotte von Schiller und ihre Freunde. II, S. 209).
Der Umgang in den feingebildeten Zirkeln Wiens machte aus dem rauhen Bruder
Studio, der einst in Leipzig als „Renommist" gefürchtet gewesen war, bald eine»
zierlichen österreichischen Stutzer; auch geistig häutete er sich; sein Burschenleben,
in welchem Kommerse und Propatriafechten die Höhepunkte gebildet hatten, kam
ihm jetzt schal und inhaltsleer vor, er schämte sich seines einstigen nichtigen Tuns
und Treibens und begann eine ernste Arbeit an seiner Persönlichkeit.

Zum dramatischen Dichter fühlte er sich berufen. Seine Lustspiele fanden
auf der Hofbühne Beifall, seine Tragödien „Die Sühne" und „Toni" ernteten,
von Goethes Seite, dem sie der Vater zugesandt hatte. Lobsprüche, der
„Zrinv" ging unter dem tobenden Jubel der patriotischen Wiener über die Bretter*)



*) Interessante Aufführungsdaten und -zahlen Körnerscher Dramen sind im Archiv für
Theatergeschichte Bd. II, S. 140 bis 160 mitgeteilt. ^
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[0387] Theodor Körner Geschickes nach oben („Gebet während der Schlacht"), und für die Einsegnung seines Freikorps schuf er das erhebende Lied: „Wir treten hier im Gotteshaus Mit frommem Mut zuscnmnen!" Gegenüber diesen tiefempfundenen und formvollendeten Dichtungen mußten seine früheren poetischen Versuche, „Knospen" benannt, verblassen, zahlreiche Gelegenheitsgedichte und Jugendgesänge, die in leichter, flüssiger, aber konven¬ tioneller Sprache, Reim und Vers meist ohne Tadel, nur ebenso leichte und ober¬ flächliche Gedanken zum Ausdruck brachten und von dem verständigen Vater mit mildem Urteil hingenommen wurden. Auch Körners Balladen, von denen besonders ,,Graf Harras der kühne Springer" in Schullesebüchern noch ein unverdient langes Leben fristet, sind in Form und Inhalt nicht neu, sondern atmen durchaus Schillers Geist und tragen vollkommen Schillersches Gepräge. Als Theodor Körner nach Wien kam, ging dort mit ihm eine bemerkens¬ werte innere Entwicklung vor sich. Als Student hatte er, getreu seinem Wahl¬ spruch: „Toll, aber klugl" ein fideles Leben geführt, sich wenig um Kolleg und Bücher gekümmert, viel lieber dagegen für seine oder seiner Landsmann¬ schaft Ehre die Klinge auf Mensur geschwungen. Von Leipzig wegen eines Duells relegiert, war er nach der neugegründeten Universität Berlin gewandert, hatte dort aber bald das Studium aufgegeben, um so mehr, da er noch eine Karzerstrafe wegen seiner Leipziger Affären absitzen sollte: auf den Wunsch des nachsichtigen Vaters siedelte er nunmehr nach der Kaiserstadt an der Donau über, um sich geistig weiterzubilden, und wurde im Hause Wilhelm von Humboldts und Friedrich von Schlegels freundlich aufgenommen. Karoline von Humboldt berichtete über ihn an die Freundin in Weimar: „Körners Sohn ist seit mehreren Monaten hier und ist ein lieber hübscher junger Mensch mit viel poetischen Anlagen" (Charlotte von Schiller und ihre Freunde. II, S. 209). Der Umgang in den feingebildeten Zirkeln Wiens machte aus dem rauhen Bruder Studio, der einst in Leipzig als „Renommist" gefürchtet gewesen war, bald eine» zierlichen österreichischen Stutzer; auch geistig häutete er sich; sein Burschenleben, in welchem Kommerse und Propatriafechten die Höhepunkte gebildet hatten, kam ihm jetzt schal und inhaltsleer vor, er schämte sich seines einstigen nichtigen Tuns und Treibens und begann eine ernste Arbeit an seiner Persönlichkeit. Zum dramatischen Dichter fühlte er sich berufen. Seine Lustspiele fanden auf der Hofbühne Beifall, seine Tragödien „Die Sühne" und „Toni" ernteten, von Goethes Seite, dem sie der Vater zugesandt hatte. Lobsprüche, der „Zrinv" ging unter dem tobenden Jubel der patriotischen Wiener über die Bretter*) *) Interessante Aufführungsdaten und -zahlen Körnerscher Dramen sind im Archiv für Theatergeschichte Bd. II, S. 140 bis 160 mitgeteilt. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/387>, abgerufen am 20.10.2024.