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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Amerikanische Diplomaten

die amtliche Technik weniger ausgebildet und die Durchschnittsleistung der
Beamten kleiner als bei den großen europäischen Regierungs- und Verwaltungs¬
körpern.

Von diesen, dem ganzen System anhaftenden Schäden ist begreiflicherweise
auch die Diplomatie nicht freigeblieben. Bei der Auswahl der Männer, die
von der Unionsregierung an die europäischen Höfe entsandt wurden, ist in
vielen Fällen nicht die besondere Eignung für diplomatische Posten maßgebend
gewesen, sondern lediglich die Rolle, die sie im Getriebe des innerpolitischen
Lebens spielten. Nun sind die amerikanischen Berufspolitiker, die berüchtigten
"part^ bossss" und ihre "lieelsl'8 sua KencKmen" bis auf einen kleinen
Prozentsatz unkultivierte, mitunter sogar recht rohe Leute; und wenn ein solcher
party do83 als Belohnung sür die seiner Partei geleisteten Dienste als Ge¬
sandter in eine europäische Kapitale geschickt wurde, so gab es dort natürlich
Spott und Hohn die Fülle. Mitunter ließ die Washingtoner Regierung es
auch in anderer Hinsicht an dem erforderlichen Indizium fehlen, so z. B. wenn
sie (1861) den Kongreßabgeordneten Anson Burlingname an den Wiener Hof
schickte, -- einen allerdings tüchtigen Mann, der aber wegen seiner flammenden
Kongreßreden gegen Österreich und zugunsten der Unabhängigkeit Ungarns in
der Hofburg im höchsten Grade verhaßt war. Die einigermaßen fremdartigen
Figuren, die man manchmal als amerikanische Gesandte an europäischen Höfen
sah, haben der Welt eine Zeitlang gänzlich unzutreffende Begriffe von ameri¬
kanischer Kultur und Tüchtigkeit beigebracht. Es waren aber auch wirklich
einzelne komische Gestalten darunter. Der eine glaubte, an den prachtstrotzenden
Höfen Europas demonstrativ die republikanische Einfachheit und Schlichtheit
hervorkehren zu müssen, und erschien deshalb vor dem Staatsoberhaupt in
schlecht sitzendem Gesellschaftsanzuge; der andere wollte im Gegensatze dazu seine
Anpassungsfähigkeit an europäische Gebräuche dartun, indem er in einer gold¬
überladenen, unmöglichen Phantasieuniform herumstolzierte. Die amerikanische
Witzpresse bemächtigte sich dieser Typen in der an ihr bekannten grotesken
Weise. Die "cartoonists" des Puck und des Judge überboten einander in
unbarmherzigen Zerrbildern des armen kleinen Generals Nunyon, der in den
neunziger Jahren als amerikanischer Gesandter die Berliner Hofgesellschaft durch
seine in allen Farben schillernde Milizgeneralsuniform ergötzte. Als Pendant
hierzu erschien in den Witzblättern eine Zeitlang der Typus des "urwüchsigen"
amerikanischen Gesandten, der seine Antrittsvisite bei der jeweiligen Majestät in
Hemdsärmeln, offener Weste, mit einem herabhängenden Hosenträger, die ge¬
flickten Beinkleider in den Stulpenstiefeln steckend, mit verwilderten Bart und
Haar macht. Vor zwanzig Jahren machte die kleine satyrische Erzählung von
dem amerikanischen Gesandten, der vor dem deutschen Kaiser mit einem merk¬
würdigen Orden von sechs Zoll Durchmesser erschienen sei, die Runde durch
die amerikanische Presse. Der Kaiser, der einen derartigen Orden noch nie ge¬
sehen, habe den Gesandten gefragt, wo er die Dekoration erhalten habe; darauf'


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Amerikanische Diplomaten

die amtliche Technik weniger ausgebildet und die Durchschnittsleistung der
Beamten kleiner als bei den großen europäischen Regierungs- und Verwaltungs¬
körpern.

Von diesen, dem ganzen System anhaftenden Schäden ist begreiflicherweise
auch die Diplomatie nicht freigeblieben. Bei der Auswahl der Männer, die
von der Unionsregierung an die europäischen Höfe entsandt wurden, ist in
vielen Fällen nicht die besondere Eignung für diplomatische Posten maßgebend
gewesen, sondern lediglich die Rolle, die sie im Getriebe des innerpolitischen
Lebens spielten. Nun sind die amerikanischen Berufspolitiker, die berüchtigten
„part^ bossss" und ihre „lieelsl'8 sua KencKmen" bis auf einen kleinen
Prozentsatz unkultivierte, mitunter sogar recht rohe Leute; und wenn ein solcher
party do83 als Belohnung sür die seiner Partei geleisteten Dienste als Ge¬
sandter in eine europäische Kapitale geschickt wurde, so gab es dort natürlich
Spott und Hohn die Fülle. Mitunter ließ die Washingtoner Regierung es
auch in anderer Hinsicht an dem erforderlichen Indizium fehlen, so z. B. wenn
sie (1861) den Kongreßabgeordneten Anson Burlingname an den Wiener Hof
schickte, — einen allerdings tüchtigen Mann, der aber wegen seiner flammenden
Kongreßreden gegen Österreich und zugunsten der Unabhängigkeit Ungarns in
der Hofburg im höchsten Grade verhaßt war. Die einigermaßen fremdartigen
Figuren, die man manchmal als amerikanische Gesandte an europäischen Höfen
sah, haben der Welt eine Zeitlang gänzlich unzutreffende Begriffe von ameri¬
kanischer Kultur und Tüchtigkeit beigebracht. Es waren aber auch wirklich
einzelne komische Gestalten darunter. Der eine glaubte, an den prachtstrotzenden
Höfen Europas demonstrativ die republikanische Einfachheit und Schlichtheit
hervorkehren zu müssen, und erschien deshalb vor dem Staatsoberhaupt in
schlecht sitzendem Gesellschaftsanzuge; der andere wollte im Gegensatze dazu seine
Anpassungsfähigkeit an europäische Gebräuche dartun, indem er in einer gold¬
überladenen, unmöglichen Phantasieuniform herumstolzierte. Die amerikanische
Witzpresse bemächtigte sich dieser Typen in der an ihr bekannten grotesken
Weise. Die „cartoonists" des Puck und des Judge überboten einander in
unbarmherzigen Zerrbildern des armen kleinen Generals Nunyon, der in den
neunziger Jahren als amerikanischer Gesandter die Berliner Hofgesellschaft durch
seine in allen Farben schillernde Milizgeneralsuniform ergötzte. Als Pendant
hierzu erschien in den Witzblättern eine Zeitlang der Typus des „urwüchsigen"
amerikanischen Gesandten, der seine Antrittsvisite bei der jeweiligen Majestät in
Hemdsärmeln, offener Weste, mit einem herabhängenden Hosenträger, die ge¬
flickten Beinkleider in den Stulpenstiefeln steckend, mit verwilderten Bart und
Haar macht. Vor zwanzig Jahren machte die kleine satyrische Erzählung von
dem amerikanischen Gesandten, der vor dem deutschen Kaiser mit einem merk¬
würdigen Orden von sechs Zoll Durchmesser erschienen sei, die Runde durch
die amerikanische Presse. Der Kaiser, der einen derartigen Orden noch nie ge¬
sehen, habe den Gesandten gefragt, wo er die Dekoration erhalten habe; darauf'


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[0351] Amerikanische Diplomaten die amtliche Technik weniger ausgebildet und die Durchschnittsleistung der Beamten kleiner als bei den großen europäischen Regierungs- und Verwaltungs¬ körpern. Von diesen, dem ganzen System anhaftenden Schäden ist begreiflicherweise auch die Diplomatie nicht freigeblieben. Bei der Auswahl der Männer, die von der Unionsregierung an die europäischen Höfe entsandt wurden, ist in vielen Fällen nicht die besondere Eignung für diplomatische Posten maßgebend gewesen, sondern lediglich die Rolle, die sie im Getriebe des innerpolitischen Lebens spielten. Nun sind die amerikanischen Berufspolitiker, die berüchtigten „part^ bossss" und ihre „lieelsl'8 sua KencKmen" bis auf einen kleinen Prozentsatz unkultivierte, mitunter sogar recht rohe Leute; und wenn ein solcher party do83 als Belohnung sür die seiner Partei geleisteten Dienste als Ge¬ sandter in eine europäische Kapitale geschickt wurde, so gab es dort natürlich Spott und Hohn die Fülle. Mitunter ließ die Washingtoner Regierung es auch in anderer Hinsicht an dem erforderlichen Indizium fehlen, so z. B. wenn sie (1861) den Kongreßabgeordneten Anson Burlingname an den Wiener Hof schickte, — einen allerdings tüchtigen Mann, der aber wegen seiner flammenden Kongreßreden gegen Österreich und zugunsten der Unabhängigkeit Ungarns in der Hofburg im höchsten Grade verhaßt war. Die einigermaßen fremdartigen Figuren, die man manchmal als amerikanische Gesandte an europäischen Höfen sah, haben der Welt eine Zeitlang gänzlich unzutreffende Begriffe von ameri¬ kanischer Kultur und Tüchtigkeit beigebracht. Es waren aber auch wirklich einzelne komische Gestalten darunter. Der eine glaubte, an den prachtstrotzenden Höfen Europas demonstrativ die republikanische Einfachheit und Schlichtheit hervorkehren zu müssen, und erschien deshalb vor dem Staatsoberhaupt in schlecht sitzendem Gesellschaftsanzuge; der andere wollte im Gegensatze dazu seine Anpassungsfähigkeit an europäische Gebräuche dartun, indem er in einer gold¬ überladenen, unmöglichen Phantasieuniform herumstolzierte. Die amerikanische Witzpresse bemächtigte sich dieser Typen in der an ihr bekannten grotesken Weise. Die „cartoonists" des Puck und des Judge überboten einander in unbarmherzigen Zerrbildern des armen kleinen Generals Nunyon, der in den neunziger Jahren als amerikanischer Gesandter die Berliner Hofgesellschaft durch seine in allen Farben schillernde Milizgeneralsuniform ergötzte. Als Pendant hierzu erschien in den Witzblättern eine Zeitlang der Typus des „urwüchsigen" amerikanischen Gesandten, der seine Antrittsvisite bei der jeweiligen Majestät in Hemdsärmeln, offener Weste, mit einem herabhängenden Hosenträger, die ge¬ flickten Beinkleider in den Stulpenstiefeln steckend, mit verwilderten Bart und Haar macht. Vor zwanzig Jahren machte die kleine satyrische Erzählung von dem amerikanischen Gesandten, der vor dem deutschen Kaiser mit einem merk¬ würdigen Orden von sechs Zoll Durchmesser erschienen sei, die Runde durch die amerikanische Presse. Der Kaiser, der einen derartigen Orden noch nie ge¬ sehen, habe den Gesandten gefragt, wo er die Dekoration erhalten habe; darauf' 22*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/351>, abgerufen am 19.10.2024.